8. Freiwil
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I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom
Berner Stadttheater.
„Freiwild," Schauspiel von Arthur
Schnitzler.
di. Die Duellfrage ist sicherlich für den moder¬
nen Dramatiker ein sehr dankbares Thema,
Sudermann hat sich von ihr zu seinem besten
Stücke, dem Fritzchen" anregen lassen und auch
Schnitzler hat damit keinen schlechten Wurf getan.
Im „Freiwild" behandelt er sie freilich von einer
Seite, die unserem Empfinden einigermaßen fern
liegt. Hier ist die tragische Figur ein Offizier,
der, zweifellos mit Recht, von einem freiheits¬
liebenden Menschen, dem der Ehrenkoder völlig
gleichgültig ist, auf offener Straße gezüchtigt
wird. Der Offizier fordert, der andere nimmt
die Forderung nicht an und damit ist der Offi¬
der zugrunde gerichtet. Er kann nicht leben ohne
Wie Uniform und als Offizier kann er nicht exi¬
stieren, wenn der Beleidiger nicht aus der Welt
geht. So schießt er ihn ohne Duell über den
Haufen. — Schnitzler hat es verstanden, diese
Vorgänge glaubhaft zu machen durch die, wie
uns scheint, ganz vortrefflich gelungene Charak¬
terisierung des Oberleutnants Karinski, des
eigentlichen Helden des Stückes, dieses engen
Milieu-Menschen, der unfehlbar zugrunde gehen
muß, wenn er aus dem Boden gerissen wird,
in dem er wurzelt. Im ganzen Stücke vermeidet
Schnitzler mit vielem Glücke den Ton des Ten¬
denzdramas. — Seine Personen — vielleicht
mit Ausnahme des Rönning — halten uns nicht
Vorträge über dies oder jenes Thema, sondern
sprechen einfach so, wie es eben Menschen von
dieser Art in den Situationen, in die sie der
Dichter führt, tun müssen. Das wird einem so
recht klar, wenn man sich ähnliche Szenen aus
Sudermanns „Ehre vor Augen führt. Und das
Gute, das Sudermann hat, das kräftige ziel¬
bewußte Zusammendrängen des Stoffes und den
lebhaften Dialog, das finden wir im Schnitzler¬
chen Stücke in ähnlicher Weise wieder.
Dank dieser Vorzüge und des im ganzen vor¬
trefflichen Spieles wurde diese Donnerstagsaus¬
führung zu einem höchst genußreichen Theater¬
abend. In Herrn Innfelder haben wir einen
hochbegabten Darsteller kennen gelernt. Ganz
abgesehen davon, daß ihm offenbar das öster¬
reichische Milieu ganz vorzüglich liegt, war sein
Oberleutnant Karinski eine ungeheuer lebens¬
wahr und scharf herausgearbeitete Charakter¬
studie. Er ist ein Darsteller, der ähnlich wie
Heinich im vorigen Winter gänzlich „absichtslos
spielt, d. h. bei dem man nie die Mittel sieht,
mit denen er wirkt, sondern nur die Wirkung
selber. Ihm am nächsten stand wohl Herr
Kühne (Rohnstedt), der im zweiten Akt Töne
von überzeugender Wahrheit fand. Herr Wäch¬
ter fand sich mit der unseres Erachtens am
wenigsten gut getroffenen Figur des Rönning
sehr gut ab. Auch Frl. Dannenberg ent¬
wickelte als Anna Riedel viel Wärme und hatte
sehr gute Momente, obwohl sie plötzlich aus dem
Fache der Naiven in das der Sentimentalen ge¬
worfen worden war. Von den übrigen Darstel¬
lern nennen wir die Herren Voigt, der den
Dr. Wellner mit Ernst in durchaus treffender
Weise wiedergab, Plesch als Schmierendirektor,
Ambrogio (Poldi Grehlinger) und Böck¬
ler, der den leichtlebigen Husarenleutnant mit
Eleganz auf die Bretter stellte. Die Regie führte,
Herr Wächter mit Geschick. Das Haus zeigte,
wenigstens im ersten Rang und Parkett, die
übliche Donnerstagsleere.
Drahtberichte der Kleinen Zeitung
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I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom
Berner Stadttheater.
„Freiwild," Schauspiel von Arthur
Schnitzler.
di. Die Duellfrage ist sicherlich für den moder¬
nen Dramatiker ein sehr dankbares Thema,
Sudermann hat sich von ihr zu seinem besten
Stücke, dem Fritzchen" anregen lassen und auch
Schnitzler hat damit keinen schlechten Wurf getan.
Im „Freiwild" behandelt er sie freilich von einer
Seite, die unserem Empfinden einigermaßen fern
liegt. Hier ist die tragische Figur ein Offizier,
der, zweifellos mit Recht, von einem freiheits¬
liebenden Menschen, dem der Ehrenkoder völlig
gleichgültig ist, auf offener Straße gezüchtigt
wird. Der Offizier fordert, der andere nimmt
die Forderung nicht an und damit ist der Offi¬
der zugrunde gerichtet. Er kann nicht leben ohne
Wie Uniform und als Offizier kann er nicht exi¬
stieren, wenn der Beleidiger nicht aus der Welt
geht. So schießt er ihn ohne Duell über den
Haufen. — Schnitzler hat es verstanden, diese
Vorgänge glaubhaft zu machen durch die, wie
uns scheint, ganz vortrefflich gelungene Charak¬
terisierung des Oberleutnants Karinski, des
eigentlichen Helden des Stückes, dieses engen
Milieu-Menschen, der unfehlbar zugrunde gehen
muß, wenn er aus dem Boden gerissen wird,
in dem er wurzelt. Im ganzen Stücke vermeidet
Schnitzler mit vielem Glücke den Ton des Ten¬
denzdramas. — Seine Personen — vielleicht
mit Ausnahme des Rönning — halten uns nicht
Vorträge über dies oder jenes Thema, sondern
sprechen einfach so, wie es eben Menschen von
dieser Art in den Situationen, in die sie der
Dichter führt, tun müssen. Das wird einem so
recht klar, wenn man sich ähnliche Szenen aus
Sudermanns „Ehre vor Augen führt. Und das
Gute, das Sudermann hat, das kräftige ziel¬
bewußte Zusammendrängen des Stoffes und den
lebhaften Dialog, das finden wir im Schnitzler¬
chen Stücke in ähnlicher Weise wieder.
Dank dieser Vorzüge und des im ganzen vor¬
trefflichen Spieles wurde diese Donnerstagsaus¬
führung zu einem höchst genußreichen Theater¬
abend. In Herrn Innfelder haben wir einen
hochbegabten Darsteller kennen gelernt. Ganz
abgesehen davon, daß ihm offenbar das öster¬
reichische Milieu ganz vorzüglich liegt, war sein
Oberleutnant Karinski eine ungeheuer lebens¬
wahr und scharf herausgearbeitete Charakter¬
studie. Er ist ein Darsteller, der ähnlich wie
Heinich im vorigen Winter gänzlich „absichtslos
spielt, d. h. bei dem man nie die Mittel sieht,
mit denen er wirkt, sondern nur die Wirkung
selber. Ihm am nächsten stand wohl Herr
Kühne (Rohnstedt), der im zweiten Akt Töne
von überzeugender Wahrheit fand. Herr Wäch¬
ter fand sich mit der unseres Erachtens am
wenigsten gut getroffenen Figur des Rönning
sehr gut ab. Auch Frl. Dannenberg ent¬
wickelte als Anna Riedel viel Wärme und hatte
sehr gute Momente, obwohl sie plötzlich aus dem
Fache der Naiven in das der Sentimentalen ge¬
worfen worden war. Von den übrigen Darstel¬
lern nennen wir die Herren Voigt, der den
Dr. Wellner mit Ernst in durchaus treffender
Weise wiedergab, Plesch als Schmierendirektor,
Ambrogio (Poldi Grehlinger) und Böck¬
ler, der den leichtlebigen Husarenleutnant mit
Eleganz auf die Bretter stellte. Die Regie führte,
Herr Wächter mit Geschick. Das Haus zeigte,
wenigstens im ersten Rang und Parkett, die
übliche Donnerstagsleere.
Drahtberichte der Kleinen Zeitung