II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 298

8.

wild
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Telephon 11891.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Wiener Leben
von
Graz.
In Alice v. Runegg hatten wir eine gute
„Sappho", in Anna Storm haben wir
eine noch bessere. Ihr Organ ist dunkel und
voll, von innerlicher Wärme durchstrahlt, ihre
Bewegungen sind ruhig und edel, der Aus-
bruch der Leidenschaft tief und doch in den
Grenzen der Schönheit. Eine kleine süße
Eucharis war Vally Küstenfeld, ein
ganz junges Grazer Kind, das auf unserer
Bühne seine ersten Theaterversuche macht.
Aber in dem Mädchen steckt etwas, und man
freut sich der großen Fortschritte, die von
Rolle zu Rolle sichtbar werden. Fast wär es
uns lieber gewesen, wenn man ihr die Mellitta
anvertraut hätte, statt Lotte Weißgär¬
ber, die immer etwas Steifes, Uninteressantes
an sich hat. Daß Leo Bovacz ein voll¬
endeter Phan ist, läßt sich auch nicht be¬
haupten, die Freiheit des Wortes ist ihm noch
nicht ganz zu eigen. Zu Ende der vorigen
Saison hat doch im „Star“ ein Herr Wald¬
schütz", als jugendlicher Liebhaber, hier
gastiert und hat außerordentlich gefallen, wo
ist denn der hingekommen?
Von den anderen Wiener Autoren kam
nach Hermann Bahr, jetzt auch Arthur
Schnitzler zu Wort, und zwar mit seinem
Schauspiel, Freiwild“. Freilich eine Novi¬
tät, die schon fast zehn Jahre alt ist. Und
auch nicht eines der besten Werke des geist¬
vollen Schriftstellers, der damit ja gewiß
manchen Bühneneffekt erzielt, aber doch etwas
zu oberflächlich in der Behandlung des Themas,
in der Ausarbeitung der Charaktere geblieben
ist. Immehin schienen die zahlreich erschienenen
Zuhörer recht befriedigt zu sein. Den brutalen
polnischen Oberleutnant Karniski gab Hans
Gerhard mit viel Feuer und Temperament,
aber mit einem schrecklich unverständlichen
Polnisch-deutsch. Richard Wirth mühte
sich mit dem blutleeren Maler Rönning sehr
ab, und machte ihn so sympathisch als möglich,
viel Leben und Begeisterung konnte jedoch
auch er nicht in die trockene Liebesszene
hineinbringen. Hauser, Schroth und
Beraun füllten ihre Plätze recht gut aus,
während Louis Groß als „trauriger
Komiker ziemlich langweilig war. Ein ganz un¬
bekanntes Fräulein Werner zeigte, daß es nur
hübsch sei, dafür war man jedoch überrascht, daß
die kleine Küstenfeld die resche Soubrette
Pepi, mit so viel Schlagfertigkeit gab. Freilich
haben wir ein paar Darstellerinnen, die das
noch besser herausgebracht hätten, aber im
ganzen ist ihr der Ausflug auf ein so fremdes
Gebiet nicht schlecht bekommen. Das Beste
kommt zuletzt. Anny Sikorra war diesma
als die tugendhafte Anna ganz entzückend.
Solche schlichte, naive Kinder, mit einer leisen
Spur von Sentimentalität und poetischer Schwär¬
merei, liegen ihr famos. Da heißt es nur
„Bravo!“ rufen.