II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 304

8. Freiwil
box 14/4
elegant — schielt selbst gar zu gerne lüstern nach des Lupaar Direktors ist ein Scheinwerfer derung — (trotz berechtigten Einwandes
So beispielsweise, wenn der Mann seine an dem Stücke) — ausgefüllt ist. In
der ihm fremden Welt, deren Flitterschönheit, Glan
und Geist ihn lockt und die er trotzdem nach süßer weiblichen Mitglieder auf Hungerlöhne setzt: Schlußszene zeigt sich Schnitzlers Büh¬
Gewohnheit tugendsam verlästert. Es ist dem „Bin ich dazu da, meine Schauspielerinnen zu erschaft. Wie sich der Konflikt zwischen de
— und wenn er nach der Sensations= und dem Maler leise entwickelt und
Spießer das nicht einmal so sehr zu verübeln. Da nähren
steigert, das beklemmt fast den Atem. Die
er die rechte Brücke zu der künstlerischen Welt affäre im Kaffeehause der Riedel die doppelte Gag
schimpfung der Dame und der Schlag
nicht findet, baut er sich eben eine andere, und er bietet, damit sie ihn jetzt, wo sie im Mittelpunkt
das kommt, hastig und doch solid auf
kann nach seiner Natur recht boshaft und ordinär des Interesses steht, nicht verlasse. Trefflich sin¬
auch die ehrabschneidenden Plaudereien der Lösung nach größter Spannung.
werden. Dazu kommt, daß die Menschen
Der Offizier hatte keine Waffe bei
blühende Kolleginnen und Kollegen gegeben, die den Roman
deren
Adern nicht das
ihrer eigenen schönen Seelen sofort dem Opfer um konnte den Züchtiger nicht niedermachen.
freieren
Blut des Künstlers rollt, der
Maler lehnt die Forderung zum Zweit
schöneren Lebensanschauung und Lebensführung die Schulter hängen. So amusant dies alles¬
es eine redliche Unterhaltung? Der persönlich mit Er lehnt sie ab, weil er nicht sein Leben
derart verständnislos gegenüberstehen, daß sie, in
dem Theater eng verbundene Dichter nützt das Verfremden Bubenstreich aufs Spiel setzen
Eisenmieder ihrer gesellschaftlichen Unnatur, auch
ohne böse Absicht die persönlichen Erscheinungen am hältnis der beiden, im Grunde feindlichen Welten, wird aus dem „Freiwild" eines der vi
(Schauspieler und Publikum) zu wohlfeilen Witz= flüssigen Duell=Dramen, — überflüssi
anderen Ufer der Welt durchaus irrig beurteilen
erfolgen auf Kosten des Künstlerstandes aus. Er weil weder Dichter noch Philosophen in
Man horche nur einmal auf die kleinen Intriguen
begreift gewiß, daß das große Publikum nicht gefrage eine allgemein giltige Entscheidu
und banausischen Nichtswürdigkeiten der Theater
neigt, vielleicht auch gar nicht imstande ist, zwischen können. Es ist in den Augen vorurteils
freunde aller „gelehrten Stände“! Selbstverständ
schen eine ganz persönliche, individuelle
lich sind es recht vorzugsweise die jungen Schau= Theater und Theater zu unterscheiden, und daß es
spielerinnen, die sich nicht wegwerfen, welche die an den Zuständen der kleinen Sommerschmiere sein heit, wie sich der Einzelne in der Duellfra
Pharisertum befriedigt. Ein Satz, ungefähr: „Jetzt vorausgesetzt natürlich, daß die Duell
Medisance reizen und bei der „Gesell
nicht auf Feigheit beruht. Paul Rönnin
schaft“, die sich ihren Klatsch nicht rauben wollen die Mädel beim Theater auch schon anständi
feig. Er behauptet sogar viel Mut, ind
lassen will, geradezu ürgernis erregen sein!" weckte schallendes Gelächter. So meinte er
und über das Urteil der Mitmenschen seiner
Auch oft bei den Kollegen natürlich. So aber Schnitzler mit seinem „Freiwild“ nicht,
ergeht es der Anna Riedel in „Freiwild“. Weil zu der einseitigen Verschwärzung verleitete ihn nur wegsetzt. Aber der Dichter hielt es für
Er meinte es nicht so, denn diesem Mut noch eine besondere Beglau
sie mit den Dirnen dieser Schmierbühne nicht ge¬ die Gier nach Gunst
geben. Weshalb Fand er in sich nicht
meinsame Sache macht, wird sie von den Zungen er ist der Ritter der Anna Riedel.
Freilich ist sie ihm das Freiwild, diese Sicherheit des überzeugten? Paul Rör
der Kolleginnen tapfer in den Schmutz gezerrt. Der
Freund, der sie aus der Heimat kennt und ihr arme kleine Schauspielerin. Gejagt und gehetzt von Anna Riedel werden durch den Drang
helfend zur Seite steht, ist „der Anna Riedel ihr aller Welt. Denn alle Welt“ glaubt ein Recht zu nisse zusammengeführt. Jetzt erst erkenn
stehen sie ihre Liebe. Und jetzt erst, da er
Reicher“. Sie bleibt den Orgien der Lebewelt, den haben auf die schöne Beute — auf das Theater
für sich allein zu sorgen hat, jetzt, da
Börsen, auf denen Menschenfleisch versteigert wird, mädel. „Sie betrachten es geradezu als eine über
ferne — deshalb entläßt sie ihr Direktor. „Es fehlt hebung, daß ich keine Lust hab', mich zu verkaufen." Leben lieblich schimmert, jetzt unterliegt
Urteile der fremden Menschen, dem
Ihnen eben, mein Fräulein, der künstlerische Die Schamlosigkeit der Verfolger ist auf die Spitz¬
seinem Mute Geltung zu verschaffen.
Ernst", sagt zu der pflichteifrigen jungen Künstlerin getrieben in dem verlumpten Kavallerie=Oberleut
nant Karinski. Seine frechen Anträge werden zu er Anna gebunden hatte, lehnte er das
der Leiter des „Kunstinstitutes
Schnitzler kennt diese Gattung Theater aus rückgewiesen. Da stehen wir vor der letzten Szene jetzt, da ihm bekannt wird, daß de
gezeichnet und er schildert köstlich. Jedes Wort des ersten Aktes, der fast ganz mit der Milieu-Schil= Karinski, dessen Existenz die Duelle¬