II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 318

8. Fr.
.
wild

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Gesinnung gezeigt. Bei aller „Tendenz" aber, die gegen ein Revolverattentat mit dem Revolver ver¬
Schnitzlers Drama hat, wird doch nirgend die teidigt hätte.
Linie des Kunstwerks verrückt. Für die Institu
In einer Hinsicht ist somit dieser Schluß die
tionen des Probemonats und des willkürlichen Schwäche des Stückes, in einer andern aber ist er
Kündigungsrechtes des Theaterdirektors, aus
seine Stärke. Er wirkt nur um so mächtiger,
denen sich naturgemäß nur zu leicht ein Er¬ nur um so aufreizender. Der Dichter befriedigt
pressungssystem und Versuche der Minuendo- unser Rechtsgefühl nicht, er gibt ihm keine Ent¬
Lizitation entwickeln, wie Schnitzler sie uns vor¬ ladung, er entläßt uns, indem er uns den Stachel
führt, läßt sich überhaupt nichts vorbringen. Was nur noch tiefer in die Seele drückt. So hat auch
aber die Duellfrage betrifft, so hat sich Schnitzler
Hauptmann in den Webern" einen ganz
nicht verleiten lassen, Licht und Schatten unge¬ Schuldlosen vor unseren Augen als erstes Opfer
recht zu verteilen, und er hat uns insbesondere
der Intervention der bewaffneten Macht hinsinken
auch sympathische, vernünftige Vertreter des lassen. So hat auch Heijermans in der „Hoff¬
Duellprinzips vorgeführt. Und was die Wirksam¬ nung" nicht im Theater unserem Grimme ein
keit seiner Polemik noch erhöht, er hat nicht den Ventil eröffnet; er hat uns den Mann gezeigt,
Stand angegriffen, in dem das Duellprinzip und der das Schicksal des verbrecherischen Reeders
der Begriff einer Sonderehre verkörpert sind, er erfüllen wollte, aber er hat ihn die Tat, die
hat, wie später im „Leutnant Gustl“, auch schon wir von ihm erwarteten, die wir von ihm
hier gezeigt, daß die Angehörigen dieses privi- wünschten, nicht begehen lassen.
legierten Standes durch ihre Privilegien" am
Die Darstellung verdient volle Anerkennung.
meisten gefährdet sind, nicht etwa durch die „Ge¬
Sie hielt sich im frischen Tempo und ließ doch
fährlichkeit" des Duells, sondern dadurch, daß sie
nirgends die notwendige Deutlichkeit des
schuldlos oder um verhältnismäßig geringen
Wortes vermissen. In erster Linie sind wohl
Schuld willen der Vernichtung ihrer Existenz
Kutschera, der den Gegner des Duellprinzips
ausgesetzt sind, wenn der, mit dem sie in einen
gab, und die Darsteller der Offiziere zu nennen.
Konflikt geraten sind, auf den Duellkoder Pfeift
Wenn Kutschera schlichte, einfache Naturen, die
Freilich, in Schnitzlers Drama ist der Offizie
das Vernünftige als das Selbstverständliche ver¬
der sich nicht die Satisfaktion durch ein Duell
treten, zu spielen hat, dann ist er unübertreff¬
verschaffen konnte, schließlich der Sieger, denn lich. Einen tüchtigen Partner hatte er an Herrn
er knallt den Beleidiger, der Beleidigung mit Kramer, aber vorzüglich waren auch Herr
Beleidigung gefühnt, der sich seine Genugtuung
Höfer und Herr Jensen als die Darsteller
selbst genommen hatte, auf offener Straße nieder
der beiden anderen Offiziere. Famos in Maske
er nimmt sich seine Genugtuung auch selber, und
und Spiel war Herr Tewele als Schmieren¬
wir dürfen nicht für ausgeschlossen halten, das
direktor. Wie wohl der Mann, den er darstellte,
das Militärgericht den Mörder freisprechen wird.
über die Beistellung der Kostüme in Kostüm¬
Aber dieser Abschluß ist doch nur ein willkür
stücken für die Mitglieder denkt? Gewiß ganz
licher: daß der Offizier der raschere von beiden
so, wie der Deutsche Bühnenverein es seinerzeit
war, ist nur ein Zufall, nur souveräne Ent¬
mir und anderen gegenüber mit solchem Nachdruck
scheidung des Dichters. Im „Leutnant Gustl
vertreten hat. Schlicht und innig spielte Fräu¬
sehen wir es ja, was die Folge ist, wenn er den
lein Erl die junge Schauspielerin. Unter den
Beleidiger nicht „findet, und im „Freiwild
Darstellern der verschiedenen vom Dichter mit
könnten wir uns ganz gut denken, daß der
scharfen Auge gesehenen und mit sarkastischer
andere, der ja doch gewarnt und auf seiner Hut
Laune gezeichneten Einzelfiguren seien besonders
ist, der schnellere sein könnte — und ihn könnte Frau Glöckner und Herr Czasta hervor¬
das Gericht gewiß nicht verurteilen, wenn er sich gehoben,
Die Vorstellung übte sehr starke Wirkung und
der Beifall nahm gelegentlich demonstrativen
Max Burckhard.
Charakter an.
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