II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 325

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Freiwild
8.
haben, dem Reichthum seiner Umgebung war er wie ein
Wagner in Einem Achen zu Theaternatur welcher der Sinn für Farbe, Glanz, Pracht
Herrscher, der wirklichen Herrschern in dem demokratischen
für das Ueberraschende, Packende und Verblüffende
ine Aehnlichkeit zwischen ihnen.
Gefühle begegnet, das alle Menschen gleichmacht — Ibsen,
häufig zum Leitmotive wird; Ibsen ein Maler in asch¬
und Jünger, die jeden Minder¬
nüchtern, grämlich, nur theoretisch ein ungezügeltes Unge¬
grauem Ton, der seine Sprache in die Convention des
en halten, der ein Götterbild
thüm, in seiner Lebensweise zu den kopfhängerischen Ge¬
Alltags herunterdrückt. Wagner führt die Mystik mit
gen eine Umwandlung in der
wohnheiten der Philister neigend, er frisirt wie Borkman
ihren mittelalterlichen Leidens= und Gemüthsaccenten als
tragen den Familienzug der
die buschige Mähne, trägt in zierlicher Verkleinerung seine
decorativen Schmuck ein, Ibsen verwerthet sie wie ein be¬
ersprechendsten Kunstrichtungen
Orden an bunten Bändchen und blickt ohne allzu großen
nebelndes Narkotikon, um der Auffassungsfähigkeit seines
greifen zu dem Quell der
Unmuth zu den Stützen der Gesellschaft hinüber, deren
Zuschauers Gewalt anzuthun; Wagner, in einer kräftigen
Wagner zu der Weisheit der
morsche Zerbrechlichkeit sein kritischer Geist so respectlos
revolutionären Epoche gereift, möchte alle Künste,
zu den Schrecken bekannter nordi¬
enthüllte.
die Poesie, die Malerei, die Architektur der seinen
er und Helden er in modernen
dienstbar machen, damit diese die Welt erfülle,
Bühne führt; Beide zeigen
Von diesem Doppelzuge ist in seinen Werken nichts
Wort, Melodie, Sprache des Orchesters, das Bild der
Hang nach dem Wunder¬
zu verspüren, sie bringen die Kraft des Dichters un¬
Scene werden im Sinne seines ruhelosen Geistes umge¬
den Nerven des Hörers zu
gebeugt zum Vorschein. Diese liegt nicht in seinen
prägt; Ibsen, aus der Enge der Studierstube hervorge¬
Talenten, mit denen sie in
Ausdrucksformen, die sich so wenig dem Gesetze der Bühne
gangen, durch die knorrige, kernige und trotzdem kleinliche
in Gefühl der Schwäche ein
unterordnen, und auch nicht in seinen Problemen. Seine
Welt seiner Heimat in einen bestimmten Ideenkreis einge¬
ner den Stern der Zukunft
Themen von der unverstandenen Frau, von dem Streite
schnürt, zwängt seine großen Absichten in einen kleinen
letzten, der Aufführung ent¬
zwischen Alt und Jung, von der Corruption und der
Rahmen; nicht umsonst war dieser wetterharte Vikinger
mit einem Hinweis au
heuchlerischen Grimasse der Gesellschaftsstützen kennt die
zwei Jahre der Leiter eines Theaters. Charaktere, Situa¬
der Kraftmensch kommen werde
Bühne seit undenklichen Zeiten, auch dem Sturm gegen
tionen, Verwicklungen, die berühmte Autoren einander
Frau zu lösen. Wagner und
die ewige Gerechtigkeit begegnete man schon in der Un¬
gegenseitig zu entlehnen pflegten, ziehen ab und zu durch
welche ihre producirende
sichten
frömmigkeit früherer Prometheus-Dramen. Die Ahnen Os¬
sein Gedächtniß, die symmetrischen Scherze des schachspiel¬
Nebenbetrieb einrichten.
nen
wald Alving's reichen bis zum Oedipus, dem edlen Men¬
artigen französischen Dramas kehren in seinen Stücken
penhauer die Parole, Nietzsche,
schen, der trotz seiner Weisheit und Veranlagung zum
wieder. Rosmer und Rebekka reizt es, auf dem nämlichen
der Modernen, die denken,
Elend bestimmt ist. Macht und Eindruck Ibsen's
Weg wie Frau Rosmer in den Tod zu gehen. Wenn die
den Andern. Dem Ueber¬
entspringen den oppositionellen Grundgedanken seiner
Gespensterstimmen in Frau Alving's Stube unheimlich
entstammt der so weitläufig
zu lispeln beginnen, erzählt sie: „Lassen Sie mich!" hörte Dichtungen, ihrem erbarmungslosen Kampfe gegen die
Rosmersholm, seine aristo-
ich eines Tages meine Dienstmagd rufen, die mein Ge¬ tyrannische Oberhoheit der Gesammtheit über die
bestimmen Ibsen's Feind= und
individuelle Freiheit, gegen die Convenienz=Empfindung,
mal, der Kammerherr, verfolgte." — „Lassen Sie mich!
Nietzsche erblickt, das Wesen
die eine tiefe Gefühlsgemeinschaft von Mann und
schreit im selben Augenblick das Stubenmädchen Regine
der Individualitäts=Freiheit
Frau verdrängt, gegen alle Begriffs- eberzeugungs¬
das im Nebenzimmer den jungen Oswald abwehrt;
chen Zwanges des Dionysos
und Auffassungsmumien einer veralteten Gesellschaftsord¬
das Schicksal dieser Familie ist auf den nämlichen Mahn¬
dem dieser Gegensatz nicht unter
nung, welche die Freude am Leben zerstört und den
ruf gestimmt. Und wieder in einem Zuge Scribescher
Nichte. Nietzsche prophezeit in dem
Menschen längst nicht mehr Genüge thut. Zum Schaden
Geistes, der Marke Wirkungen durch kleine Ursachen herbei¬
es deutschen Gelehrten, daß die
dieses kühnen Prosectors der oppositionellen Literatur wird
führt, zündet der in einem so armseligen Gedankenkreise
mit der Neubelebung des
seine Absicht, auf den Ruinen der alten Welt eine neue
große Verbrecher Engstrand die ironische Feuersbrunst an,
erde — eine capriciöse Heldin
erstehen zu lassen, dem Leser klarer als dem Zu¬
deren Flammenschein nicht nur das Haus Alving be¬
lich nach dem Weinlaub des
schauer. Was Jener mühelos und offen erräth, scheint
leuchtet.
Diesem verworren; über jedem Buche Ibsen's flattern die
Die charakteristische Verschiedenheit Wagner's und Ih¬
weite Kluft zwischen den Na¬
Schatten des zweiten Theiles von „Faust". Als in Berlin
sen's verräth sich nicht nur in ihrem inneren Wesen,
sen's Jener nach peinlichen
in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts junge
tritt auch äußerlich hervor. Wagner erscheint immer bewegt,
er glänzenden Volksthümlichkeit,
Schriftsteller begeistert für die Aufführung des ganzen
lebendig, übermüthig wegwerfend, voll sprudelnder Thaten¬
Führern literarischer Bewegungen
seines universellen Gestes eine lust und phantasischer Ueberschwänglichkeit; in seinem Ge-Faust eintraten, pigere Hobei nach Weimar, um von