II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 395

8. Freiwi

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Walter.

Ein altes Stück von Schnitzler.
Morgen wird im Stadttheater das
retaltige Schauspiel „Freiwild von Artur
Schnitzler aufgeführt. Das Stück wurde am
4. Februar 1898 im Carltheater und am
26. Jänner 1905 im Deutschen Volkstheater
zum erstenmal gegeben. Damals galt es noch als
eine Sensation, den militärischen Stand so der
anzufassen, wie es in dem Schauspiel Schnitzlers
geschieht. Die Vorgänge spielen sich in einem
kleinen Badeorte unweit Wiens ab, in dem sich ein
Sommertheater befindet. Oberleutnant Karinski
benimmt sich wie ein Lausbub, indem er eine
Schauspielerin, die im Privatleben eine Dame ist,
beleidigt. Er bekommt dafür von einem wirklichen
Gentleman die wohlverdiente Ohrfeige und schießt
diesen, da er ihm Satisfaktion verweigert, über
den Haufen. Die scharfen Ausfälle gegen den
einstigen militärischen Ehrenkoder bilden eine
interessante Vorahnung der nun hereingebrochenen
Ereignisse, die unsern verlogenen Militarismus,
hinterlegten.
Theater und Kunst.
Stadttheater.
„Freiwild“, Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler,
Ein alter Schnitzler ist aufgeführt worden, der sehr jung
und wirksam geblieben ist. Die scharf umrissenen Typen von
der Schmiere mit Wehmut und Ironie hingetupft, sind noch
immer höchst lebendig, ebenso die Typen der Offiziere grausam
aber gerecht hingestellt mit einer unerbitterlichen Klarheit, die
nicht zu trüben ist, auch nicht dem Feinde gegenüber, das ist in
diesem Fall der Oberleutnant Karinski, wenn man den Stand¬
punkt des Dichters mit dem Verteidiger des jungen Mädchens
als identisch annimmt. Merkwürdig erscheint mir nur, daß ich
diesem jungen Verteidiger der Mädchenehre nicht mit hem
mungsloser Sympathie folgen konnte. Gewiß, er hat recht und
der Oberleutnant hat unrecht. Und trotzdem fühlt man Sym¬
pathie mit dem Mann, der im Unrecht ist. Da steckt ein logi¬
scher Fehler, ein ungeklärter seelischer Defekt dahinter. Viel¬
leicht steht uns der Oberleutnant näher, weil er um seine Exi¬
stenz kämpft, und der andere nur für eine Theorie. Man muß
auch fremde Welten begreifen, auch wenn man sie ablehnt. Nur
darf man sich eben nicht in die Gefahr begeben, unter die Ge¬
setze der abgelehnten Welt zu fallen. Wer seine Hand in eine
Maschine steckt, muß wissen, daß die Maschine mechanisch weiter¬
arbeitet. Man kann auch auf dem Standpunkt stehen, ein Wort
von diesem Oberleutnant Karinski kann mich nicht beleidigen.
Unsere Welten haben nichts gemein. Aber wenn ich in seine
Welt unbedacht eintrete, und das tut Paul mit dem Schlag,
dann muß ich auch die Konsequenzen meiner Tat erwarten.
Gespielt wurde von den Männern ausgezeichnet; hervorgehoben
seien Herr Zeska sowie die Herren Strobl, Norfolk,
Richter, Böhm, Vogel und Nerz. Man spürte die Hand
eines ausgezeichneten Regisseurs und Erziehers, der Julius
Hertzke immer gewesen ist. Fräulein Rosenquist war,
schön, sehr schön, aber leider leeres Theater. Fehle ohne Seele.
Die Aufnahme war äußerst lebhaft, sowohl in den heiter, wie
in den ernsten Momenten.
D.
Erstaufführung der „Frau ohne Schatten" in Dresden.
Richard Strauß, Professor Roller und der Chef
der Ausstattungsfirma Baruch & Comp. haben sich Sonntag
abends nach Dresden begeben, wo am 21. dieses Monats die
Erstaufführung der vor wenigen Tagen in Wien uraufge¬
führten Straußschen Oper „Die Frau ohne Schatten statt¬
findet. Die Wiener Aufführung galt für die Dresde In¬
szenierung als Vorbild. Auch die Ausstattung der Tedener
Premiere wurde nach dem Muster der Entwürfe von Professor
Roller hergestellt.