box 14/4
Freiwild
8.
.
gen
Theater und Kunst
wird.
A. S. Na ja, vor zwanzig Jahren, als man
Schmer „Freiwild zum ersten Male auf¬
führte, mag die Sache einen Riesenrummel ent¬
Sesselt und die zensorlichen Notstifte zu wahren
Orgien begeistert haben. Aber heute? Das
Thema hat jedes Interesse verloren, und wir
begreifen wirklich nicht, daß vor noch gar nicht
langer Zeit derartige Dinge nicht selten das
Um und Auf des sogenannten gesellschaftlichen
Lebens bildeten. Jetzt haben wir andere Sor¬
gen .... Und die armen Offiziere auch. Oder
erst recht. Wchmut beschleicht einen, wenn man
unsere feschen Uniformen von vor der Revolution
nun nur noch gewissermaßen als Musealparade¬
stücke auf der Bühne droben sieht und sie mit
den traurigen Fetzen vergleicht, die uns geblie¬
ben sind. Und diese Wehmut mag es sein, die
keine rechte Entrüstung in uns auskommen läßt,
wenn von jener Ueberhebung, von jenen blöd¬
sinnigen Standesvorurteilen und Standesvor¬
zügen die Rede ist und gegen sie gewettert
wird. Was wir noch vor einem Jahre als den
Ausdruck unserer innigsten Ueberzeugung, als
einen heroischen und nur zu berechtigten Auf¬
schrei gegen Unwürdiges, Unbilliges mitempfun¬
den und begrüßt hätten, wirkt gegenwärtig wie
ein überflüssiger Protest gegen Abgetanes, Er¬
lediges. Deshalb fehlt uns die Distanz zu
dien in der Periode ihrer Entstehung hoch¬
aktuellen, wagemutigen und pflichtgemäß so und
so oft von der Zensur verbotenen dichterischen
Erzeugnissen. Das Stadttheater schickte die
sowie die
Damen Rosenquist und Geßner
Herren Strobl, Norfolk, Heska, Walther, Rich¬
ter, Böhm und Nerz für die Hauptrollen des
Schauspieles ins Feuer. Man hat an dieser
Bühne bereits bessere darstellerische Leistungen
gesehen. Der ohnehin vertragliche Ueber¬
schwang an Worten und theoretischen Ausein¬
andersetzungen im „Freiwild“ wurde im Stadt¬
Gehalt
bieten „Vindo“-Rasierungen
en Raa-
heater durch Verschulden der Mitwirkenden
noch verschärft. Ueberdies scheinen verschiedene
chtige Stellen des Buches — wenigstens des
Buches, wie es bei der Premiere im Jahre
1896 vorlag — gestrichen worden zu sein, und
war Stellen, die zum pychologischen Verständ¬
se und zum dramatischen Ausbau des Werkes
unbedingt erforderlich waren. Just das rem
Menschliche, das in „Freiwild“ besonders her¬
ausgearbeitet werden soll, fehlte den Darstellern
Hänglich, die entweder rasten, winkelten oder
predigten und eben, weil sie Menschen spiel¬
ten, statt einfach, Menschen zu sein. Puppen
wurden. Das Publikum spendete freundlichen,
aber immerhin reservierten Beifall.
Theater und Kunst.
Stadttheater.
„Freiwild von Arthur Schnitzler.
Nach Jahren wieder. Solche Reprisen haben
ihre Gefahren. Sie enthüllen, was in des
— Dichters Werk nach Ewigkeit schmeckt und
das Zeitliche gesegnet. Im „Freiwild" bleibt
der Ewigkeit wenig. Ein sanft historisches Schau¬
spiel, in dem nicht mit Harnisch und Speer ge¬
rasselt wird, aber mit etwas ähnlichem: mit dem
Offizierssäbel. Und allem anderen Drum und
Dran, das zum weiland Oberleutnant gehörte.
Spielt in einer Zeit, da die Sterne noch am
Hals saßen und ihre Träger eine separate, der
anderer Berufe völlig verschiedene Ehre hatten,
die anzutasten, die Aufforderung zum Totschlag
nach sich zog. In einer Zeit, da der Mulatschak
Ausdruck einer Weltanschauung und das „fesche
Madl" ihre Inkarnation war. Auch sonst erscheint
die österreichische Welt in diesem Schnitzler¬
Drama noch gemitvoll ungemütlich orientiert.
Des Dichters bedingte Hochachtung für den hun¬
ten Rock äußert sich in der saloppen Schilderung,
wie es in ihm zugeht. Der Oberleutnant, dem
es, von Schulden bedrückt, schon alles eins ist,
wird ordinär, bekommt deswegen eine Ohrfeige
und schießt den Beleidiger, weil der sich dem
Duell entzieht und der Ehre doch irgendwie ge¬
nügt werden muß, über den Haufen. Das Mädel,
dessentwegen die Affäre passiert, ist eine Naive
beim Theater und wirklich naiv. Der Oberleut¬
nant Freund ist lebenskennerisch, der Leutnant
nur blöd, der Arzt humanistisch, das Volk der
Komödianten führt heitermelancholische Reden,
in denen es sich um Kunst und Liebe und Geld
handelt. Und in all dem dialektisch behutsam ge¬
bettet das Problem des „Freiwild": Für oder
gegen das Duell. (Die Nebenfrage nach der
Schauspielerinnen Ehre, war schon damals keine
Frage mehr.) Von diesen Dingen, die einst die
Zeit der Dichter bannten, kommt jetzt ein
Moder, aus Langeweile und Verwesung.
der Wunsch nach einer Welt, die derlei E.
ebenso schön sorglos machten.
Im Stadttheater wird „Freiwild“ nett ge¬
spielt. Man spürt in der Lebendgkeit des ersten
Aktes vor allem den Regisseur (Herrn Herzka,
der wirklich einer ist.) Herr Strobl hat für
den ungeistigen Offiziersgeist des Karinski den
richtigen Ton. Arroganz, gemildert durch Dumm¬
heit. Herrn Zeskas Rönning ist ein wenig
schwerblütig und Herrn Böhms Vogel nicht
so überlegen leicht, wie er glauben machen möchte.
Herr Norfolk und Herr Richter kommen
Schnitzler am nächsten. Fräulein Rosenquist
spielt die Anna Riedel so larmoyant, wie die
Person einmal ist. Sie kommt ja aus dem Un¬
gey
glücklich Sein gar nicht heraus.
Freiwild
8.
.
gen
Theater und Kunst
wird.
A. S. Na ja, vor zwanzig Jahren, als man
Schmer „Freiwild zum ersten Male auf¬
führte, mag die Sache einen Riesenrummel ent¬
Sesselt und die zensorlichen Notstifte zu wahren
Orgien begeistert haben. Aber heute? Das
Thema hat jedes Interesse verloren, und wir
begreifen wirklich nicht, daß vor noch gar nicht
langer Zeit derartige Dinge nicht selten das
Um und Auf des sogenannten gesellschaftlichen
Lebens bildeten. Jetzt haben wir andere Sor¬
gen .... Und die armen Offiziere auch. Oder
erst recht. Wchmut beschleicht einen, wenn man
unsere feschen Uniformen von vor der Revolution
nun nur noch gewissermaßen als Musealparade¬
stücke auf der Bühne droben sieht und sie mit
den traurigen Fetzen vergleicht, die uns geblie¬
ben sind. Und diese Wehmut mag es sein, die
keine rechte Entrüstung in uns auskommen läßt,
wenn von jener Ueberhebung, von jenen blöd¬
sinnigen Standesvorurteilen und Standesvor¬
zügen die Rede ist und gegen sie gewettert
wird. Was wir noch vor einem Jahre als den
Ausdruck unserer innigsten Ueberzeugung, als
einen heroischen und nur zu berechtigten Auf¬
schrei gegen Unwürdiges, Unbilliges mitempfun¬
den und begrüßt hätten, wirkt gegenwärtig wie
ein überflüssiger Protest gegen Abgetanes, Er¬
lediges. Deshalb fehlt uns die Distanz zu
dien in der Periode ihrer Entstehung hoch¬
aktuellen, wagemutigen und pflichtgemäß so und
so oft von der Zensur verbotenen dichterischen
Erzeugnissen. Das Stadttheater schickte die
sowie die
Damen Rosenquist und Geßner
Herren Strobl, Norfolk, Heska, Walther, Rich¬
ter, Böhm und Nerz für die Hauptrollen des
Schauspieles ins Feuer. Man hat an dieser
Bühne bereits bessere darstellerische Leistungen
gesehen. Der ohnehin vertragliche Ueber¬
schwang an Worten und theoretischen Ausein¬
andersetzungen im „Freiwild“ wurde im Stadt¬
Gehalt
bieten „Vindo“-Rasierungen
en Raa-
heater durch Verschulden der Mitwirkenden
noch verschärft. Ueberdies scheinen verschiedene
chtige Stellen des Buches — wenigstens des
Buches, wie es bei der Premiere im Jahre
1896 vorlag — gestrichen worden zu sein, und
war Stellen, die zum pychologischen Verständ¬
se und zum dramatischen Ausbau des Werkes
unbedingt erforderlich waren. Just das rem
Menschliche, das in „Freiwild“ besonders her¬
ausgearbeitet werden soll, fehlte den Darstellern
Hänglich, die entweder rasten, winkelten oder
predigten und eben, weil sie Menschen spiel¬
ten, statt einfach, Menschen zu sein. Puppen
wurden. Das Publikum spendete freundlichen,
aber immerhin reservierten Beifall.
Theater und Kunst.
Stadttheater.
„Freiwild von Arthur Schnitzler.
Nach Jahren wieder. Solche Reprisen haben
ihre Gefahren. Sie enthüllen, was in des
— Dichters Werk nach Ewigkeit schmeckt und
das Zeitliche gesegnet. Im „Freiwild" bleibt
der Ewigkeit wenig. Ein sanft historisches Schau¬
spiel, in dem nicht mit Harnisch und Speer ge¬
rasselt wird, aber mit etwas ähnlichem: mit dem
Offizierssäbel. Und allem anderen Drum und
Dran, das zum weiland Oberleutnant gehörte.
Spielt in einer Zeit, da die Sterne noch am
Hals saßen und ihre Träger eine separate, der
anderer Berufe völlig verschiedene Ehre hatten,
die anzutasten, die Aufforderung zum Totschlag
nach sich zog. In einer Zeit, da der Mulatschak
Ausdruck einer Weltanschauung und das „fesche
Madl" ihre Inkarnation war. Auch sonst erscheint
die österreichische Welt in diesem Schnitzler¬
Drama noch gemitvoll ungemütlich orientiert.
Des Dichters bedingte Hochachtung für den hun¬
ten Rock äußert sich in der saloppen Schilderung,
wie es in ihm zugeht. Der Oberleutnant, dem
es, von Schulden bedrückt, schon alles eins ist,
wird ordinär, bekommt deswegen eine Ohrfeige
und schießt den Beleidiger, weil der sich dem
Duell entzieht und der Ehre doch irgendwie ge¬
nügt werden muß, über den Haufen. Das Mädel,
dessentwegen die Affäre passiert, ist eine Naive
beim Theater und wirklich naiv. Der Oberleut¬
nant Freund ist lebenskennerisch, der Leutnant
nur blöd, der Arzt humanistisch, das Volk der
Komödianten führt heitermelancholische Reden,
in denen es sich um Kunst und Liebe und Geld
handelt. Und in all dem dialektisch behutsam ge¬
bettet das Problem des „Freiwild": Für oder
gegen das Duell. (Die Nebenfrage nach der
Schauspielerinnen Ehre, war schon damals keine
Frage mehr.) Von diesen Dingen, die einst die
Zeit der Dichter bannten, kommt jetzt ein
Moder, aus Langeweile und Verwesung.
der Wunsch nach einer Welt, die derlei E.
ebenso schön sorglos machten.
Im Stadttheater wird „Freiwild“ nett ge¬
spielt. Man spürt in der Lebendgkeit des ersten
Aktes vor allem den Regisseur (Herrn Herzka,
der wirklich einer ist.) Herr Strobl hat für
den ungeistigen Offiziersgeist des Karinski den
richtigen Ton. Arroganz, gemildert durch Dumm¬
heit. Herrn Zeskas Rönning ist ein wenig
schwerblütig und Herrn Böhms Vogel nicht
so überlegen leicht, wie er glauben machen möchte.
Herr Norfolk und Herr Richter kommen
Schnitzler am nächsten. Fräulein Rosenquist
spielt die Anna Riedel so larmoyant, wie die
Person einmal ist. Sie kommt ja aus dem Un¬
gey
glücklich Sein gar nicht heraus.