II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 406

8. Freiwild
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zumeist nur sehr teure Sachen zu haben sind. Durch's zu späte
Kommen kann man wieder bei Schwänken oft den einzigen Witz
des Stückes versäumen. Auch die Nachtmahlfrage spielt hiebei eine
große Rolle. Denn so mancher geht nur in's Theater, um sich
auf das — Nachtmahl freuen zu können. Ein kleiner Historiker
des Theaterbeginn weist zu diesem Thema einige interessante Daten
beizusteuern. Im XVIII. Jahrhundert war in den Wiener
Theatern zwischen 5 und 6 Uhr die Stunde des Anfangs. Im
Burgtheater 3 Uhr. Auf einem Theaterzettel des Jahres 1816
heißt es wörtlich:
Wegen Länge des Stückes ist der Anfang um 6 Uhr.
Es handelte sich um die — „Räuber“. Kein Geringerer
als Ferdinand Raimund spielte damals — es war im Theater
in der Josefstadt — den Franz Moor. Ein witziger Kritiker der
damaligen Zeit schrieb: „Die Kanaille Franz gehört zu Raimund¬
anständigsten Leistungen.
Aber nicht nur der Theaterbeginn ist für das Publikum
oft mit Schwierigkeiten verbunden, auch der Theabschluß wird
für die Schauspieler, die in entfernten Bezirken wohnen, geradezu
zur Tantalusqual. Die Darsteller, die im Schönbrunner Schlo߬
theater spielen, werden mit einem Omnibus ins Theater ge¬
bracht und auch nach Hause geführt. Die Schauspieler der
anderen Theater aber zittern während der letzten Szene; sie
fürchten die letzte Plane zu versäumen. Bei dieser Gelegen¬
heit sei hier eine kleine Anekdote wiedergegeben. Vor
vielen Jahren wohnte ein kleines Mitglied des Carl-Theaters
in der Gegend der Simmeringer Heide. Er lief von dort aus Er¬
sparungsgründen immer zu Fuß ins Carl-Theater zu den Proben,
Zurück tummelte er sich sehr, um bei der Stephanskirche den für
die Leidtragenden bestimmten üblichen Sammelomnibus zu er¬
reichen. Er setzte sich hinein, machte ein melancholisches Gesicht
auf seinem Hute hatte er überdies für diesen Zweck einen
Trauerflor — und gesellte sich einfach zu den Leidtragenden War
es ein blauer Sarg, so wußte er, daß es ein junges Mädchen
sei und trauerte sehr beweglich. Für solche Fälle hatte er stets
eine Träne im Auge, er zog auch ein mächtiges Taschentuch her¬
vor, das sehr dekorativ wirkte . . . War er bei be¬
sonderer Stimmung, so seufzte er drei bis viermal
ziemlich tief. Das machte einen so guten Eindruck,
Daß der ganze Omnibus rief: „Ach, so ein freundlicher Herr!
Und auf diese Art hatte der brave Komiker täglich seine
A
Nr. Vor¬
Samstag
Gratsfahrt. Der Verlagsdirektor des Theaters an der Wien
Herr Stininger, erzählte neulich diesen Scherz und meinte,
Herrn Tautenhayn gewendet, der weit draußen in Hietzing wohn
„Sie könnten, wenn Sie zu den Proben einer lustig
Operette fahren, ebenfalls einen Leichenomnibus beim Hietzing
Friedhof abwarten — einen Leidtragenden haben Sie ohnehin
noch nie gespielt!"
Manchmal spielt auch die Politik ins Theater hinein Zu¬
meist ist es Geschäftspolitik. Ein Fall aus der letzten Zeit
beleuchtet dies am besten. Bekanntlich zahlen die Bühnenleiter
jetzt fast durchweg zehn Prozent der Bruttoeinnahme als
Tantiente für die Autoren. Das ist eine Art Tradition. Hie und
da versucht ein Direktor, diese Tradition zu brechen und
listet dem Autor ein bis zwei Prozent ab. Meist
geschieht dies bei Anfängern. Da sprechen die Direktoren gerne
von „Experimenten, die beim Theater riskiert sind und ersparen
gerne durch die Entdeckung eines neuen Dichters Geld. Anders
wieder sind nobel. Gustav Kadelburg zum Beispiel erhielt von
Berliner Lustspielhaus stets 15% — die höchste Tantieme,
je bei uns bezahlt wurde. Ein eigenartiger Fall hat sich nur
heuer ereignet. In einem Vertrag mit einem bekannten Auto¬
hieß es ausdrücklich:
8% im Krieg,
10% im Frieden.
Der Autor war nun erstaunt, in seiner Abrechnung der
Tantiemensatz von bloß 3% zu finden.
Schnurstracks lief er zu dem ihm befreundeten Theater¬
direktor. In solchen Fällen läuft man immer schnur tracks.
Erlauben Sie mir, mit welchem Rechte zahlen Sie
8? Im Vertrag heißt es doch ausdrücklich: Im Krieg 8,
Frieden 100?"
Für mich ist das kein Friede ei¬
kaltblütig der sparsame Direktor.
Wiedernal passiert es einem Wien Stücke, daß