II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 413

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8. Freiwild

....... der Staatsanwaltes von der Anklage
.....cpt.
ständigen Schulklosetts und eines guten Brunnens. Da er jedoch
freigesprochen. Der Verteidiger hielt sich Bedenkzeit offen, der
mit seinen Beschwerden ganz allein stand und in Disziplinar¬ Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.
Oberleutnant das Duell, Karinski muß darauf verzichten, den
Schnitzlers „Freiwild“ im Film.
Gegner im Zweikampf niederknallen zu können.
Da tritt Karinski ein, sein Gesichtsausdruck ist mühsam
Hegewald-Film, Berlin. — Regie: Holger Madsen.
beherrscht, aber man spürt hinter der Fassade seiner militärischen
Der Herr Oberleutnant Karinski hat seine Wette verloren,
Haltung den innerlichen Zusammenbruch. Das Geplauder
die Schau, lerin Anna Riedel hat seine Einladung zum Souper
verstummt, scheue Blicke streifen ihn, man wendet sich mit kaum
abgelehnt, obwohl er sich persönlich zu ihr bemüht hat. Nun
verhüllter Verachtung von ihm ab. Er ist durch die Züchtigung,
kommt er mit wutverzerrtem Gesicht ins Restaurant zurück, wo
die er nicht mit Blut abwaschen konnte, nach den Begriffen des
sich seine Kameraden mit den Damen vom Theater amüsieren.
Koder ehrlos geworden. Nun geht er von Gruppe zu Gruppe, mit
Durch den von Lichtkatarakten überfluteten Saal, den ein
krampfhaft gespielter Unbefangenheit sucht er hier und dort ein
zappeliges Orchester mit tobender Musik erfüllt, bahnt er sich
Gespräch anzuknüpfen, aler überall begegnet er eisigem
zwischen den Tischen seinen Weg. Mitten durch das Gelächter und
Schweigen und abgewendeten Blicken. Ein Kreis von Einsamkeit
die ausgelassenen Zärtlichkeiten übermütiger Paare, die sich
bildet sich um ihn, wird immer größer, bald steht der Verfemte,
bereits in sehr vorgerückter Stimmung befinden, geht der Amok¬
Gebrandmarkte allein im Saal, Scham kriecht über sein Gesicht,
lauf seiner Wut. Sein Gang ist ein herrisches Stampfen, man
er sieht mit einem Blick um sich, als ob er sich vor sich selbst
glaubt die Sporen klirren zu hören. Manchmal aber, ganz
verstecken möchte. Und jetzt ergreift Nachsucht von ihm Besitz,
unmerklich, wie in plötzlichem Versagen allzu straff gespannter
unersättlich, unstillbar, und man fühlt, daß der Mord beschlossene
Nerven oder vielleicht auch in der leisen Benommenheit, in die
Sache ist.
ihn der während des ganzen Abends rasch und gierig getrunkene
Die Szene des Revolverschusses spielt im Film nicht wie
Kognak versetzt haben könnte, scheint er zu stolpern. Ganz
im Drama vor dem Theater, sondern auf dem Bahnhof. Ein
unmerklich, wie gesagt, ein beinahe nur mikroskopisch wahrnehm¬
geistvoller Regieeinfall, der die Tragödie gleichsam in einen
bares Detail. Aber man fühlt; dieser Mensch ist aus seiner Bahn
Rahmen einfaßt, da die erste Szene des Films, in der Karinski
geschleudert.
die junge Anna Riedel kennen lernt, im fahrenden Zuge spielt.
Oberleutnant Karinski: Bruno Kastner. Hochgewachsen,
In der Mordszene auf dem Bahnhofe, die nicht nur nerven¬
finsteres, gleichsam versperrtes und verriegeltes Gesicht, kleiner
aufpeitschend, sondern auch erschütternd wirkt, rast die Feuers¬
Schnurrbart, ähnliche Augen, von unersättlicher Besitz= und
brunst der Leidenschaften in voller Vernichtungswut. Rönning,
Beutelust funkelnd. Knappe, gebieterische Bewegungen, die
von Fred Louis Lerch sehr vornehm, sehr verhalten, aber ein
Energie vortäuschen sollen, oft aber krampfhaft und fahrig
hischen unversönlich dargestellt, begleitet trotz allen Warnungen
wirken. Eine ganz große schauspielerische Leistung, vor allem in
Anna auf die Bahn. Im Menschengewühl der Abreisenden die
der Szene, in der er Anna Riedel beschimpft und dafür von Paul
Jagd des Mörders nach seinem Opfer: stärkstes, brennendstes
Rönning durch eine Ohrfeige gezüchtigt wird. Diese Szene wird
Theater. Büfett, Gepäcksdepot, Kasse, Perron. Rönning begleitet
durch Holger Madsens bravouröse Regie zu solchem Gewitter
seine Braut ins Coupé, steigt dann nochmals aus, geht zum
der Leidenschaften emporgesteigert, daß die Funken stieben.
Zeitungskiosk. Da tritt ihm Karinski entgegen, die Hand in der
Dennoch vermag die Verfilmung — beinahe möchte man sagen
Tasche um den entsicherten Revolver gekrampft, Tod und Ver¬
selbstverständlich — die hinreißende Kraft, mit der Arthur
derben im Blick. Noch ein kurzer Wortwechsel Aug in Aug.
Schnitzler in seinem „Freiwild“ diese Szene zu einer Gipfel¬
die Waffe blitzt auf und Rönning stürzt zusammen. Die Regie
szene des deutschen Theaters gestaltet, nicht zu erreiche.
schwelgt in der Detailmalerei dieser Szene. Grausame Ironie der
Die ehrfurchtsvolle Treue, mit der sich diese Verfilmung um
Schlußpointe: eben noch war die Leiche des Ermordeten von
Schnitzlers unverwelkliches und weder durch den politischen noch
einem Gedränge entsetzten Mitleids oder auch sensationslüsterner
durch den künstlerischen Umsturz in seinen Wirkungen
Neugierde umgeben, da ruft das Abfahrtssignal die Passagiere
beeinträchtigtes Schauspiel bemüht, ist überaus rühmenswert.
zum Einsteigen auf, alles eilt auf den Perron hinaus, die Leiche
Warum aus dem sommerlichen Badeort in Schnitzlers Drama die
liegt auf der Erde; eine schnell vergessene Sensation.
winterliche Garnisonsstadt des Films werden mußte, ist freilich nicht
Evelyn Holt als Anna hat zwei starke Szenen. Den
recht einzusehen. Die von straffen Rhythmus erfüllten Szenen
Leidenschaftsausbruch, in dem sie dem Oberleutnant Karinski
im Offizierskasino und die prachtvollen Landschaftsbilder aus
die Tür weist, und die Szene irrsinniger Verzweiflung an der
dem verschneiten Wald sind kein vollwertiger Ersatz für den
Leiche ihres Geliebten. Im übrigen gerät sie mitunter in Gefahr,
spezifisch österreichischen, durch sein feines Aroma unvergleichlichen
ein bißchen allzu larmoyant und zimperlich zu wirken.
Stimmungsreiz des Schnitzlerschen Kurortes.
Werner-Kahle ist ein drollig=brutaler Theaterpascha.
Im Offizierskasino. In plaudernden Gruppen stehen die
Dieser Film ist wohl nur ein Widerschein des Schnitzlerschen
Herren beisammen, man erörtert die Skandalaffäre des Ober¬
leutnants Karinski, der einen Zivilisten provoziert hat und von Werkes, aber selbst dieser Widerschein flammt wie eine Feuers¬
brunst.
ihm geohrfeigt worden ist. Und nun verweigert der Zivilist dem
Kurt Sonnenfeld