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8. Freiwild
WIEN
RADIO
562
gehalten. Doch hat man ihn anderseits nie vergeblich
So beispiellos reichem und kostbarem Lebenswerk
gerufen, wenn es hieß, für bedrohte Freiheit und
blieb der äußere Widerhall nicht versagt. Artur
Menschenwürde einzustehen. Von Gemütsart aus¬
Schnitzler galt schon kurze Zeit nach seinem
nehmend gütig, hat er oft und oft Nachrückende
ersten Hervortreten neben Bahr und Hofmanns¬
warmherzig gefördert. Schwere persönliche Schick¬
thal als Zierde und Stütze der „Jung-Wien
salsschläge, die ihn trafen, haben ihn nicht verhärtet,
nannten Literatengruppe und hat seine Repräsentan¬
sondern milder und hilfsbereiter gemacht. So kann er
ten- und Führerstellung des Wechsels der literarischen
unbelehrbaren Mißdeutern seines Wesens und Schaf¬
Moden ungeachtet bis zum heutigen Tage behauptet.
fens, jenen, die sein Stoffgebiet dürftig, seine Figuren
Er ist im deutschen Bruderreich nicht minder ange¬
und Fabeln überholt, seine Einstellung unmoralisch,
sehen. Durch Übersetzungen sind viele seiner Meister¬
einseitig, kraftlos, degeneriert finden, ruhigen Mutes
schriften ins fremdsprachige Ausland gedrungen. In
mit dem stummen Hinweis auf seine stolze Gesamttat
seinem Privatleben von vorbildlicher Noblesse, be¬
antworten. Sie legitimiert ihn überzeugend genug als
scheiden, schlicht, unauffällig, hat er jede tendenziöse
Künstler hohen Ranges, der zugleich in jedem Augen¬
Parteinahme, selbst in den bösen Kriegstagen abge¬
blicke ein Mensch von tiefstem gedanklichen Ernst
lehnt, ist publizistischer Polemik über allgemeine und
und außergewöhnlichem sittlichen Verantwortungs¬
Fachmaterien peinlich ausgewichen, hat sich nament¬
bewußtsein gewesen ist.
lich die aktuelle Tagespolitik geflissentlich vom Leibe
Zum Ferdinand Sauter-Abend
Ferdinand Sauter
am Samstag, den 25. Mai
Von Rudolf Huppert
In soliden bürgerlichen Verhältnissen aufgewach¬
„Im Wohnorte nicht der geringste Nachlaß vor¬
handen. Der Verstorbene bewohnte als Afterpartei
sen, sein Vater war kurfürstlicher Rat und Pfleger in
ein von der Hauptparthei Fr. Anna Kniplitsch,
dem idyllischen Marktflecken Werfen im Salzburgi¬
Schneidermeisterswitwe, möbliertes Zimmer im
wo auch Ferdinand am 6. Mai 1804 geboren
schen,
Hause No. 325 und besaß außer der Kleider und
wurde — hat der Lichter bis zu seinem Tode ein regel¬
Wäsche, die er am Leibe trug, keine anderen
Kleidungstücke.
rechtes Bohèmienleben geführt, nachdem er es vor¬
Aus dem Protokoll der Todesfalls-Aufnahme.
erst, freilich mehr gezwungen als freiwillig, versucht
hatte, sich in kaufmännischen Berufen eine Existenz
Heute wäre es
zu schaffen. Doch er, der schon in seinen frühesten
ganz und gar un¬
Jugendjahren ein Geist voll innerer Unruhe war und
wahrscheinlich,
der den Drang nach Freiheit und Ungebundenheit
daß es ein Dich¬
nicht zu unterdrücken vermochte, flüchtete im Herbst
ter sich nicht
1825 nach Wien, das er in sein Herz eingeschlossen
noch zu seinen
hatte und das er so sehr liebte, daß er in dieser Stadt
Lebzeiten ange¬
lieber hungern wollte, trotzdem er anderswo vielleicht
legen sein ließe,
besser und sorgloser hätte leben können.
für seine Werke
einen Verleger
Ferdinand Sauter, von dem so um 1830 herum die
zu finden. Fer¬
ersten Proben seiner Lyrik in Wiener Zeitschriften
dinand Sauter,
auftauchten und die ebenso durch ihren eigenen,
der als Wiener
zynisch gefärbten Ton, wie auch durch ihren origi¬
Volksdichter lei¬
nellen Stil die Aufmerksamkeit literarischer Kreise
der schon mehr
auf ihn lenkten, gehörte bald zu den populärsten Ge¬
als einer Gene¬
ration fremd ist,
und dessen Ge¬
burtstag sich am
6. Mai zum 125.
Male gejährt hat,
Sauters Geburtshaus i. Werfen (Salzb.)
war ein Dich¬
(Sammlung Leop. Saliter)
ter ganz anderer
Art. Erst ein Jahr nach seinem Tode, 1855,
erschien seine Lyrik in einer Buchausgabe gesammelt,
die einer seiner Freunde, Julius von der Traun, be¬
sorgt hatte. Es war überhaupt sehr lange um Ferdi¬
nand Sauter recht still und eigentlich ist erst in den
letzten 20 Jahren ein regeres Interesse für ihn zu
beobachten, dem wir nicht nur ein sorgfältig gearbei¬
tetes, biographisches Werk des ausgezeichneten Sau-
ter-For chers Otto Pfeiffer über den Dichter Fer¬
dinand Sauter zu verdanken haben, sondern auch
einen liebevoll geschriebenen Sauterroman von Julius
Fürst und eine Komödie „Das Ende vom Lied von
Enthüllung der Gedenktafel am Hause, in welchem Sauter seine
Rudolf Holzer, in deren Mittelpunkt der als Mensch
letzten Lebensjahre verbrachte. Am 5. Mai 1929
und Dichter gleich eigenartige Sauter steht.
(Sammlung Leop. Salitter)
8. Freiwild
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562
gehalten. Doch hat man ihn anderseits nie vergeblich
So beispiellos reichem und kostbarem Lebenswerk
gerufen, wenn es hieß, für bedrohte Freiheit und
blieb der äußere Widerhall nicht versagt. Artur
Menschenwürde einzustehen. Von Gemütsart aus¬
Schnitzler galt schon kurze Zeit nach seinem
nehmend gütig, hat er oft und oft Nachrückende
ersten Hervortreten neben Bahr und Hofmanns¬
warmherzig gefördert. Schwere persönliche Schick¬
thal als Zierde und Stütze der „Jung-Wien
salsschläge, die ihn trafen, haben ihn nicht verhärtet,
nannten Literatengruppe und hat seine Repräsentan¬
sondern milder und hilfsbereiter gemacht. So kann er
ten- und Führerstellung des Wechsels der literarischen
unbelehrbaren Mißdeutern seines Wesens und Schaf¬
Moden ungeachtet bis zum heutigen Tage behauptet.
fens, jenen, die sein Stoffgebiet dürftig, seine Figuren
Er ist im deutschen Bruderreich nicht minder ange¬
und Fabeln überholt, seine Einstellung unmoralisch,
sehen. Durch Übersetzungen sind viele seiner Meister¬
einseitig, kraftlos, degeneriert finden, ruhigen Mutes
schriften ins fremdsprachige Ausland gedrungen. In
mit dem stummen Hinweis auf seine stolze Gesamttat
seinem Privatleben von vorbildlicher Noblesse, be¬
antworten. Sie legitimiert ihn überzeugend genug als
scheiden, schlicht, unauffällig, hat er jede tendenziöse
Künstler hohen Ranges, der zugleich in jedem Augen¬
Parteinahme, selbst in den bösen Kriegstagen abge¬
blicke ein Mensch von tiefstem gedanklichen Ernst
lehnt, ist publizistischer Polemik über allgemeine und
und außergewöhnlichem sittlichen Verantwortungs¬
Fachmaterien peinlich ausgewichen, hat sich nament¬
bewußtsein gewesen ist.
lich die aktuelle Tagespolitik geflissentlich vom Leibe
Zum Ferdinand Sauter-Abend
Ferdinand Sauter
am Samstag, den 25. Mai
Von Rudolf Huppert
In soliden bürgerlichen Verhältnissen aufgewach¬
„Im Wohnorte nicht der geringste Nachlaß vor¬
handen. Der Verstorbene bewohnte als Afterpartei
sen, sein Vater war kurfürstlicher Rat und Pfleger in
ein von der Hauptparthei Fr. Anna Kniplitsch,
dem idyllischen Marktflecken Werfen im Salzburgi¬
Schneidermeisterswitwe, möbliertes Zimmer im
wo auch Ferdinand am 6. Mai 1804 geboren
schen,
Hause No. 325 und besaß außer der Kleider und
wurde — hat der Lichter bis zu seinem Tode ein regel¬
Wäsche, die er am Leibe trug, keine anderen
Kleidungstücke.
rechtes Bohèmienleben geführt, nachdem er es vor¬
Aus dem Protokoll der Todesfalls-Aufnahme.
erst, freilich mehr gezwungen als freiwillig, versucht
hatte, sich in kaufmännischen Berufen eine Existenz
Heute wäre es
zu schaffen. Doch er, der schon in seinen frühesten
ganz und gar un¬
Jugendjahren ein Geist voll innerer Unruhe war und
wahrscheinlich,
der den Drang nach Freiheit und Ungebundenheit
daß es ein Dich¬
nicht zu unterdrücken vermochte, flüchtete im Herbst
ter sich nicht
1825 nach Wien, das er in sein Herz eingeschlossen
noch zu seinen
hatte und das er so sehr liebte, daß er in dieser Stadt
Lebzeiten ange¬
lieber hungern wollte, trotzdem er anderswo vielleicht
legen sein ließe,
besser und sorgloser hätte leben können.
für seine Werke
einen Verleger
Ferdinand Sauter, von dem so um 1830 herum die
zu finden. Fer¬
ersten Proben seiner Lyrik in Wiener Zeitschriften
dinand Sauter,
auftauchten und die ebenso durch ihren eigenen,
der als Wiener
zynisch gefärbten Ton, wie auch durch ihren origi¬
Volksdichter lei¬
nellen Stil die Aufmerksamkeit literarischer Kreise
der schon mehr
auf ihn lenkten, gehörte bald zu den populärsten Ge¬
als einer Gene¬
ration fremd ist,
und dessen Ge¬
burtstag sich am
6. Mai zum 125.
Male gejährt hat,
Sauters Geburtshaus i. Werfen (Salzb.)
war ein Dich¬
(Sammlung Leop. Saliter)
ter ganz anderer
Art. Erst ein Jahr nach seinem Tode, 1855,
erschien seine Lyrik in einer Buchausgabe gesammelt,
die einer seiner Freunde, Julius von der Traun, be¬
sorgt hatte. Es war überhaupt sehr lange um Ferdi¬
nand Sauter recht still und eigentlich ist erst in den
letzten 20 Jahren ein regeres Interesse für ihn zu
beobachten, dem wir nicht nur ein sorgfältig gearbei¬
tetes, biographisches Werk des ausgezeichneten Sau-
ter-For chers Otto Pfeiffer über den Dichter Fer¬
dinand Sauter zu verdanken haben, sondern auch
einen liebevoll geschriebenen Sauterroman von Julius
Fürst und eine Komödie „Das Ende vom Lied von
Enthüllung der Gedenktafel am Hause, in welchem Sauter seine
Rudolf Holzer, in deren Mittelpunkt der als Mensch
letzten Lebensjahre verbrachte. Am 5. Mai 1929
und Dichter gleich eigenartige Sauter steht.
(Sammlung Leop. Salitter)