II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 437

8.
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Freiwild
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Schützenfest von Misch und Jaco , ebenda, „Trilby von du
Maurier=Potter, zu Pyrmont, Thorn und Wittenberg.
Das Gastspiel Ensemble des Hrn. Dr. Kurz brachte am 27. Juni
im Krystall Palast zu Leipzig Schnitzlers Schauspiel „Freiwild mit
Erfolg zur Aufführung. Das „Leipziger Tageblatt" schreibt:
Leipzig, 27. Juni. Nach den „Bocksprüngen" brachte das Kurzsche
Ensemble gestern eine ernste Novität, das Schauspiel „Freiwild von
Arthur Schnitzler, einem jungen Wiener Dichter, dem die Kritik, be¬
sonders die jüngstdeutsche, ein sehr günstiges Horoskop stellt. Nach einer
Seite hin wird dies wohl durch „Freiwild“ bestätigt; die Handlung
hat eine consequente Entwickelung; sie bewegt sich nicht in Zickzacklinien
und die Spannung bleibt fortwährend auf den Hauptvorgang gerichtet.
Das Stück ist ein Thesenstück; die These wird mit folgerichtiger Logik,
behandelt. Die Standesehre, die Ehre des Offizierstandes ist die Grund¬
lage der Handlung. Folgt Inhalt.) „Ein Fetzen des wirklichen Lebens
wie Zola sagt und hier auf die Bühne gebracht. Stück und Darstellung
fanden lebhaften Beifall.
„Akademische Rundschau".
der Während in den Städten die Musentempel den Hochsommer über
geschliffen sind ist man hier eifrig bemüht, den Leipzigern die theater¬
lose, die schreckliche Zeit zu ersparen; die natürliche Folge davon ist, daß
sich er ein kleines Häuflein Getreuer Abend für Abend zusammenfindet,
wenn auch Dichter und Darsteller weit mehr Beachtung verdienen. Diese
Bemerkung muß man vor allem bei „Freiwild“, Schauspiel in drei
Akten von Arthur Schnitzler, machen, das jetzt allabendlich im Theater¬
saale des Krystallpalastes über die Bretter geht. Das Stück behandelt
die Duellfrage. (Folgt Inhalt.) Diese Handlung ist mit dem ganzen
scenischen Geschick, mit der blendenden Bühnentechnik Schnitzlers zum
Leben erweckt. Der erste Akt weist eine klare, vielleicht etwas zu
Exposition auf. Trefflich knapp und spannend ist der zweite Akt.
ist fast, als ob der Dichter bei intimerem Milieu eine knappere Scel.
führung bieten könnte. Trotz Ausstellungen ist das Schauspiel ein
allseitigen Beachtung werth. Die Darstellung war durchweg befriedigend.
Ferner „Leipziger Neueste Nachrichten": Unsere fremden Gäste
im Krystall-Palast haben seit dem vorgestrigen Sonnabend an die Stelle
des Humors, der bocksprungartigen Bühnenkomik die ernstere Seite des
Lebens treten lassen, indem sie das neue dreiaktige Schauspie des Wiener
Arztes und Dichters Arthur Schnitzler „Freiwild“ ihrem Repertoire
einverleibten. „Freiwild“ ist kein Sensationstück, zu dem es von ge¬
wisser Seite gestempelt werden sollte, es ist lediglich ein Tendenzstück
das sich mit der allerdings gerade in jüngster Zeit hochactuell geworde
Duellfrage beschäftigt. Man mag über den Standpunkt, den der
fasser in dieser Frage einnimmt, denken wie man will — wir stel
durchaus nicht in allen Stücken auf demselben — aber man muß
ihm lassen, daß er die Consequenzen seiner Anschauung mit eiser
Festigkeit zieht. „Der General Anzeiger“: Es ist auch ein re¬
interessantes Stück, welches die Gesellschaft an zweiter Stelle auf ihr
Repertoire gesetzt hat. Arthur Schnitzler's „Freiwild würde zu
einer günstigeren Zeit gewiß Beachtung finden, aber jetzt in der drückenden
Hundstagshitze den Abend unter Dach und Fach verbringen und dabei
so ernste Probleme lösen sollen, das ist wirklich zuviel verlangt. Selbst
die lebhafte Ausstellungsfrequenz der Stadt kann den Erfolg eines
solchen Unternehmens nicht steigern. Arthur Schnitzler kämpfte in
seinem „Freiwild" gegen zwei tiefeingewurzelte Mißbräuche der soge
nannten Gesellschaft. Der Autor geißelt die traurige Lage der Künst¬
lerinnen ganz ausgezeichnet, er hat die Krebsschäden in ihrer ganzen
Tiefe erfaßt, namentlich aber ist die Scene in Rönning's Zimmer, die
Unterredung mit seinen beiden Freunden, die sich ihm als Zeugen zur
Verfügung stellen, meisterhaft gezeichnet und die Künstler des Kurz schen
Ensembles geben sie mit echt künstlerischer Vollendung wieder. Der Ab¬
schluß, in welchem der Gegner des Duells mit hocherhobenem Haupte
dem Meuchelmörder in den Weg tritt und von diesem wehrlos getödte
wird, der also zeigt, auf welcher Seite der wahre heroische Mi¬
suchen war, wirkt geradezu vernichtend für die Auffassung über
händel, von welcher sich gewisse Kreise immer noch nicht loszu
mögen. Der Autor läßt den Mörder mit den charakteristisch
abgehen: „So, nun ist meine Ehre gerettet!" Ob es Arthur
gelingen wird, mit seinem interessanten Werke in die Max
Standesvorurtheile Bresche zu legen? Wir wollens abwarter
„Das Lumpengesindel kommt im Elysium-Theater zu
berg zur Aufführung.
„Die schöne Ungarin kommt am Volkstheater in Frankfurt
Ben
ver¬
Theater.
Freiwild. Schauspiel in 3 Acten von Arthur Schnitzler
(Kurzsches Ensemble Gastspiel im Theatersaale
des Krystall=Palastes zu Leipzig.)

Unsere fremden Gäste im Krystall-Palast haben seit dem vorgestrig
Sonnabend an die Stelle des Humors, der bocksprungartigen Bühne
komik die ernstere Seite des Lebens treten lassen, indem sie das neue drei¬
artige Schauspiel des Wiener Arztes und Dichters Arthur Schnitzler
„Freiwild“ ihrem Repertoire einverleibten. „Freiwild“ ist kein Sen¬
sationsstück, zu dem es von gewisser Seite gestempelt werden sollte, es ist
lediglich ein Tendenzstück, das sich mit der allerdings gerade in jüngster
Zeit hochactuell gewordenen Duellfrage beschäftigt. Man mag über
den Standpunkt, den der Verfasser in dieser Frage einnimmt, denken wie
man will — wir stehen durchaus nicht in allen Stücken auf dem¬
selben — aber man muß es ihm lassen, daß er die Consequenzen
seiner Anschauung mit eiserner Festigkeit zieht. Wenn er trotz
dieses Umstandes und trotz aller Bühnentechnik, die sich nicht wegstreiten
läßt, selbst bei Leuten, die in der Duellfrage genau derselben Ansicht sind
wie er, eine nachhaltige Wirkung nicht zu erzielen vermag, so ist eben
das wiederum ein Beweis dafür, daß nicht alle Fragen zur Behandlung
auf der Bühne sich eignen. Diese Meinung haben wir, wie unsere Leser
sich erinnern werden, schon seit langen Jahren vertreten und die Er¬
fahrung hat in jedem einzelnen Falle gezeigt, wie Recht wir damit
gehabt. Zu den Fragen, die durch eine Behandlung auf der Bühne nun
und nimmer gelöst werden können und die auf der Bühne auch garnicht in
so hervorstechendem Maße behandelt werden sollten, gehört auch das Duell
und aus diesem Grunde wird „Freiwild“ eine wirkliche Bedeutung nie ge¬
winnen können. Man wird das Stück jetzt, da die Frage, wie schon oben
gesagt, actuell ist, hier und da das eine oder andere Mal geben — aber
dann ist's aus damit!
Das Schauspiel ist nach einem kleinen Badeorte nicht allzuweit von
Wien verlegt. Hier hat ein Sommertheater=Ensemble seine Zelte aufge¬
schlagen und die Mitglieder desselben, namentlich die weiblichen, stehen in
regen Souper rc. Beziehungen zu den Curgästen, unter denen sich einige
vermögende Herren vom Civil und einige vom Militär befinden. Zwischen
einem Vertreter der ersteren Partei, Paul Rönning, und einem Vertreter
der letzteren Partei, Oberlieutenant Karinsky, kommt es zu einer sehr er¬
regten Scene um der Namen des Ensembles willen. Anna Riedel, so
heißt die Naive, ist ein achtbares Mädchen, das nur seiner Kunst lebt
und sich von den Gefahren, die ein Leben an einer solchen Bühne ten
Ranges bei minimalem Gehalte mit sich bringt, ferngehalten hat.
Sie verkehrt freundschaftlich mit Paul Rönning, mit dem sie Spaziergänge rc.
unternimmt, von dem sie aber selbst die kleinste, ohne all und jede Neben¬
absichten angebotene Unterstützung mit Entschiedenheit zurückweist. Auf das
hübsche Mädchen hat es nun der Oberlieutenant Karinsky abgesehen. Er
ist ein sehr excentrischer Herr, hat eine Menge Schulden, hat in seiner
Garnison aus übergroßer Schneidigkeit einen Civilisten „verhauen und
hat jetzt in dem Badeorte nichts weiter zu thun als zu spielen, zu trinken
und auf den Mädchenfang zu gehen. Als er bei dieser letzteren Be¬
schäftigung die Anna Riedel in Gegenwart Rönnings verdächtigt,
applicirt ihm letzterer eine Ohrfeige. Der wüthende Karinsky, der
den Säbel zieht, wir von seinen Freunden zurückgehalten. Was bleibt
ach dieser Blame anderes übrig als ein Duell? Aber Rönnung ver¬
gert die verlangte Genugthuung auf das Entschiedenste. „Ich habe den
Buben für seine That gezüchtigt, so spricht er, „warum soll ich nun dafür
mein Leben auf's Spiel setzen?" Alle Versuche, die von verschiedenen
Seiten gemacht werden, ihn umzustimmen, sind vergeblich. Auch die Bitte
eines väterlichen Freundes Karinsky, des Oberlieutenants Rohnstedt, der
darauf hinweist, daß durch die Verweigerung des Duells die Existenz
Karmskys, der den Abschied nehmen müßte, auf dem Spiele steht,
läßt Rönning völlig kalt. Mittlerweile haben sich die Herzen
Rönnings und der Anna Riedel gefunden. Er, der reich und
völlig unabhängig ist, will sie zu seiner Frau machen, und
Beide wollen die Freuden des Lebens im Betrachten von Gottes wunder¬
schöner Welt genießen. Noch am selben Tage soll die gemeinsame Abreise
aus dem Badeorte erfolgen. Da wird Rönning hinterbracht, daß Karinsky,
auf das Aeußerste über die erneute Verweigerung des Duells empört, sich
selbst Genugthuung verschaffen will. Man räth Rönning, schleunigst den
Badeort zu verlassen, damit eine Katastrophe vermieden werde. Der
Rath hat gerade die entgegengesetzte Wirkung. Rönning, der sich
von keiner Seite vorschreiben lassen will, wo er verweilen soll
und wo nicht, beschließt zu bleiben. In diesem Augenblick tritt
ihm auf offener Straße Karinsky entgegen. Er fordert zum
letzten Male Genugthuung, und als Rönning, ohne darauf zu antworten,
in energischem Tone freien Weg verlangt, streckt er ihn mit der Pistole
zu Boden wie ein Stück Wild. Zwei Existenzen sind vernichtet: Rönning,
der mit dem dem Karinsky entgegengeschleuderten Wort „Lump" seinen
Geist aushaucht, und seine Braut, Anna Riedel, die, nachdem ihr eben
noch die Zukunft in rosigstem Lichte gewinkt, der Misère des Theater
lebens zurückgegeben wird. Oberlieutenant Karinsky, dessen Existenz ohne
hin schon schwer erschüttert war, weiß, was er zu thun hat...
Damit schließt das Stück. Man wird zugestehen müssen, daß dieser Schluß
abstoßend wirkt und daß er allein schon dem Schauspiele bei dem Gros des Theater¬
publicums keine Zukunft verheitt. Selbst die wenigen Leute, die sich am
Sonnabend zu der Première im Krystallpalast eingefunden hatten, ver¬
hielten sich bei dem letzten Fallen des Vorhangs lautlos und besannen sich
erst später darauf, daß sie wenigstens den Darstellern den Tribut der
Dankbarkeit zollen mußten
Das darstellende Personal hatte sich hier auf einem wesentlich
deren Boden zu bewegen als jüngst in den „Bocksprüngen" und das
relativ gute Gelingen der Aufführung ist ein erfreulicher Beweis seiner
Vielseitigkeit. Insbesondere war es Robert v. Lenor, der die Haupt¬
rolle des Stückes, die des Paul Rönning lebenswahr und mit eleganter
lung verkörperte. Paul Rönnings Gegner, der Oberlieutenant Karinsky