II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 438

8. Freiwi
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dieses Umstandes und trotz aller Bühnentechnik, die sich nicht wesenen
läßt, selbst bei Leuten, die in der Duellfrage genau derselben Ansicht sind
wie er, eine nachhaltige Wirkung nicht zu erzielen vermag, so ist eben
das wiederum ein Beweis dafür, daß nicht alle Fragen zur Behandlung
auf der Bühne sich eignen. Diese Meinung haben wir, wie unsere Leser
sich erinnern werden, schon seit langen Jahren vertreten und die Er¬
fahrung hat in jedem einzelnen Falle gezeigt, wie Recht wir damit
gehabt. Zu den Fragen, die durch eine Behandlung auf der Bühne nun
und nimmer gelöst werden können und die auf der Bühne auch garnicht in
so hervorstechendem Maße behandelt werden sollten, gehört auch das Duell
und aus diesem Grunde wird „Freiwild“ eine wirkliche Bedeutung nie ge¬
winnen können. Man wird das Stück jetzt, da die Frage, wie schon oben
gesagt, actuell ist, hier und da das eine oder andere Mal geben — aber
dann ist's aus damit
Das Schauspiel ist nach einem kleinen Badeorte nicht allzuweit von
Wien verlegt. Hier hat ein Sommertheater=Ensemble seine Zelte aufge¬
schlagen und die Mitglieder desselben, namentlich die weiblichen, stehen in
regen Souper 2c. Beziehungen zu den Curgästen, unter denen sich einige
vermögende Herren vom Civil und einige vom Militär befinden. Zwischen
einem Vertreter der ersteren Partei, Paul Rönning, und einem Vertreter
der letzteren Partei, Oberlieutenant Karinsky, kommt es zu einer sehr er¬
regten Scene um der Namen des Ensembles willen. Anna Riedel, so
heißt die Naive, ist ein achtbares Mädchen, das nur seiner Kunst lebt
und sich von den Gefahren, die ein Leben an einer solchen Bühne xten
Ranges bei minimalem Gehalte mit sich bringt, ferngehalten hat.
Sie verkehrt freundschaftlich mit Paul Rönning, mit dem sie Spaziergänge rc.
unternimmt, von dem sie aber selbst die kleinste, ohne all und jede Neben¬
absichten angebotene Unterstützung mit Entschiedenheit zurückweist. Auf das
hübsche Mädchen hat es nun der Oberlieutenant Karinsky abgesehen. Er
ist ein sehr excentrischer Herr, hat eine Menge Schulden, hat in seiner
Garnison aus übergroßer Schneidigkeit einen Civilisten „verhauen und
hat jetzt in dem Badeorte nichts weiter zu thun als zu spielen, zu trinken
und auf den Mädchenfang zu gehen. Als er bei dieser letzteren Be¬
schäftigung die Anna Riedel in Gegenwart Rönnings verdächtigt,
applicirt ihm letzterer eine Ohrfeige. Der wüthende Karinsky, der
den Säbel zieht, wird von seinen Freunden zurückgehalten. Was bleibt
nach dieser Blame anderes übrig als ein Duell? Aber Rönning ver¬
weigert die verlangte Genugthuung auf das Entschiedenste. „Ich habe den
Buben für seine That gezüchtigt, so spricht er, „warum soll ich nun dafür
mein Leben auf's Spiel setzen?" Alle Versuche, die von verschiedenen
Seiten gemacht werden, ihn umzustimmen, sind vergeblich. Auch die Bitte
eines väterlichen Freundes Karinsky, des Oberlieutenants Rohnstedt, der
darauf hinweist, daß durch die Verweigerung des Duells die Existenz
Karskys, der den Abschied nehmen müßte, auf dem Spiele steht,
läßt Rönning völlig kalt. Mittlerweile haben sich die Herzen
Rönnings und der Anna Riedel gefunden. Er, der reich und
völlig unabhängig ist, will sie zu seiner Frau machen, und
Beide wollen die Freuden des Lebens im Betrachten von Gottes wunder¬
schöner Welt genießen. Noch am selben Tage soll die gemeinsame Abreise
aus dem Badeorte erfolgen. Da wird Rönning hinterbracht, daß Karinsky,
auf das Aeußerste über die erneute Verweigerung des Duells empört, sich
selbst Genugthuung verschaffen will. Man räth Rönning, schleunigst den
Badeort zu verlassen, damit eine Katastrophe vermieden werde.
Rath hat gerade die entgegengesetzte Wirkung. Rönning, der
von keiner Seite vorschreiben lassen will, wo er verweilen
und wo nicht, beschließt zu bleiben. In diesem Augenblick tritt
ihm auf offener Straße Karinsky entgegen. Er fordert zum
letzten Male Genugthuung, und als Rönning, ohne darauf zu antworten,
in energischem Tone freien Weg verlangt, streckt er ihn mit der Pistol¬
zu Boden wie ein Stück Wild. Zwei Existenzen sind vernichtet: Rönning,
der mit dem dem Karinsky entgegengeschleuderten Wort „Lump" seinen
Geist aushaucht, und seine Braut, Anna Riedel, die, nachdem ihr eben
noch die Zukunft in rosigstem Lichte gewinkt, der Misère des Theater¬
lebens zurückgegeben wird. Oberlieutenant Karinsky, dessen Existenz ohne¬
hin schon schwer erschüttert war, weiß, was er zu thun hat
Damit schließt das Stück. Man wird zugestehen müssen, daß dieser Schluß
abstoßend wirkt und daß er allein schon dem Schauspiele bei dem Gros des Theater¬
publicums keine Zukunft verheißt. Selbst die wenigen Leute, die sich am
Sonnabend zu der Première im Krystallpalast eingefunden hatten, ver¬
hielten sich bei dem letzten Fallen des Vorhangs lautlos und besannen sich
erst später darauf, daß sie wenigstens den Darstellern den Tabut der
Dankbarkeit zollen mußten.
Das darstellende Personal hatte sich hier auf einem wesentlich
deren Boden zu bewegen als jüngst in den „Bocksprüngen" und das
relativ gute Gelingen der Aufführung ist ein erfreulicher Beweis seiner
Vielseitigkeit. Insbesondere war es Robert v. Lenor, der die Haupt¬
rolle des Stückes, die des Paul Rönning lebenswahr und mit eleganter
Haltung verkörperte. Paul Rönnings Gegner, der Oberlieutenant Karinsky
Otto Rembes trug die Alluren des excentrischen Officiers,
der va banque setzt. Eine sympathische Figur war der Arzt Dr. Wellner
des Willy Peters, eine gelungene Type der Poldi Grehlinger Her¬
mann Geldenecks, Emil Wirth als Oberlieutenant Rohnstedt und
Richard Hohmann als Husarenlieutenant Vogel hoben die Gegensätze,
die der Autor in diesen beiden Officieren hat andeuten wollen, wirksam hervor,
Aus der Naiven Anna Riedel läßt sich noch mehr holen, als Her¬
mine Heinrich that. Diese Naive muß gefühlsinniger gegeben werden
aus jedem Wort muß das Herz, nicht die Schauspielerin sprechen, sie
muß uns mit empfinden lassen, was sie in Liebe und was sie in Angst.
und Sorge um den Geliebten bewegt!
Die übrigen Mitglieder des Bade=Sommertheater=Ensembles, die nach
des Autors Angaben manches Streiflicht auf das Leben vor und hinter
den Coulissen zu werfen haben, wurden angemessen dargestellt durch die
Herren August Kurz (Director), Oscar Ganzert (Regisseur), Alfred
Lewent (Liebhaber), Paul Willert (Komiter) und Ludwig Witt
mann (Cassirer, bei derlei Ensembles die wichtigste Persönlichkeit!) „sow
durch die Damen Bertha Laufer (Soubrette) und Cola v. Oliza
(zweite Liebhaberin.
Die Inscenirung des Stückes verdiente, wenn man die beengte
Fritz Cl. Wolff.
Bühnenverhältnisse in Betracht zieht, alles Lob.