8.
box 14/5
Freiwild
.....
Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs¬
„OBSERVER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. P
Wien, IX/1, Türkenstrasse
Filiale in Budapest: „Figelö-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Pari
Ausschnitt aus:
1692
vom
haltenen Versprechen der Ehe begangen hat. Ein
bloßes Spiel mit dem weiblichen Herzen kann bei
Freiwild.
uns überhaupt nicht vor Gericht gezogen werden.
Vor einem Erkenntnißsenate des Wiener
Anders in den genannten Ländern. Dort
Landesgerichtes hat gestern eine Verhandlung statt¬
setzt das Gesetz auf den frivolen Mißbrauch der
gefunden, welche mit geradezu aufreizender Be¬
Liebe harte Bußen. Ein gewaltsam geraubter Kuß
redsamkeit die Lösung der Frage fordert, die
kann unter Umständen das Vermögen kosten und
Arthur Schnitzler mit der Prägung des Wortes
ein gebrochenes Eheversprechen die wirthschaftliche
„Freiwild zur Discussion gestellt hat. Unter Frei¬
xistenz ruiniren. Dort kann denn auch der Ver¬
wild verstehen wir seither unter Verbreiterung des
kehr der Geschlechter ein freier, edel vertrauens¬
ursprünglichen Begriffes alle jene Mädchen und
voller sein, weil über jedem Beisammensein von
Frauen, die des Lebens Drang und Noth in ab¬
Mani und Weib das Damoklesschwert des die
hängige Stellungen gebracht hat, in denen sie,
Frauenehre zuhöchst taxirenden Gesetzes schwebt.
förmlich pogelfrei, den Verfolgungen ihrer Brod¬
Dort ist kein Weib, es mag in welcher ehrbaren
herren und eines Jeden preisgegeben erscheinen,
Lebensstellung immer sein, Freiwild, wenn es das
der glaubt, sie als willkommene Jagdbeute be¬
nicht sein will.
trachten zu dürfen. Wehe diesen armen, vom
Daalin muß es auch bei uns kommen.
Schicksale Besiegten! Ihre Frauenehre ist den
Auch bei uns muß die bürgerliche und
Angriffen des nächstbesten gewissenlosen Lüstlings
Frauenlehre unter verschärfte Schutzgesetze gestellt
preisgegeben, ihre bürgerliche Ehre entbehrt des
werden, damit keine Frau und kein Mädchen, die
nachdrücklichen Schutzes, auf den doch alle Stats¬
sich in abhängiger Stellung befindet, fürchten
bürger ohne Unterschied Anspruch haben. Wozu
muß, bezüglich ihrer Ehre für vogelfrei betrachtet
viele Umstände mit einer weiblichen Angestellen und vom Erstbesten als Freiwild behandelt zu
Wir sprechen von der „Affaire Schod
werde.
Ein Wiener Kaufmann hat seine begehr¬
lichen Blicke auf seine Cassierin geworfen. Das
hübsche, unbescholtene Mädchen reizt seine Sinn¬
lichkeit. Er sieht in ihr eine leicht zu erlegende
Beute. Freiwild! Anfangs mit Ueberredung, dann
handgreiflich versucht er, das unbescholtene
Mädchen zu entehren. Und als sie seinen Ver¬
führungsversuchen Festigkeit, seinen Gewalt¬
anwendungen Widerstand entgegensetzt, rächt sich
der energisch Zurückgewiesene, indem er das
Mädchen in einer Eingabe an die Polizei des
Diebstahls beschuldigt.
Und die Polizei
Ja, die Polizei hatte es sehr eilig. Sie ver¬
haftete ohneweiters die von ihrem Brodherrn des
Diebstahls beschuldigte Angestellte. Verhaftete sie
und behielt sie zwei Tage in Haft, trotzdem
Schodl, wie amtlich in der Anklageschrift des
Staatsanwaltes constatirt erscheint, nachdem sich
der Spieß gegen den verleumderischen Anzeiger
gekehrt hatte, in seiner Anzeige keinerlei Anhalts¬
punkte für deren Inhalt geven, und man aus
seinen Angaben nur schließen
konnte, daß die Anzeige höchst
leichtfertig erstattet, oder aus der
Luft gegriffen sei.
Wie, man konnte aus der Anzeige Schod's
gegen Anna Haraschin nichts Thatsächliches ent¬
nehmen, sondern nur schließen, daß sie höchst
leichtfertig erstattet, oder aus der Luft gegriffen
sei, und trotzdem zaubert die Polizei keinen
Augenblick, gegen den Ruf und die Ehre eines
unbescholtenen Mädchens einen Streich zu führen,
der vernichtend wirken kann!? Warum? Wäre
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Freiwild
.....
Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs¬
„OBSERVER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. P
Wien, IX/1, Türkenstrasse
Filiale in Budapest: „Figelö-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Pari
Ausschnitt aus:
1692
vom
haltenen Versprechen der Ehe begangen hat. Ein
bloßes Spiel mit dem weiblichen Herzen kann bei
Freiwild.
uns überhaupt nicht vor Gericht gezogen werden.
Vor einem Erkenntnißsenate des Wiener
Anders in den genannten Ländern. Dort
Landesgerichtes hat gestern eine Verhandlung statt¬
setzt das Gesetz auf den frivolen Mißbrauch der
gefunden, welche mit geradezu aufreizender Be¬
Liebe harte Bußen. Ein gewaltsam geraubter Kuß
redsamkeit die Lösung der Frage fordert, die
kann unter Umständen das Vermögen kosten und
Arthur Schnitzler mit der Prägung des Wortes
ein gebrochenes Eheversprechen die wirthschaftliche
„Freiwild zur Discussion gestellt hat. Unter Frei¬
xistenz ruiniren. Dort kann denn auch der Ver¬
wild verstehen wir seither unter Verbreiterung des
kehr der Geschlechter ein freier, edel vertrauens¬
ursprünglichen Begriffes alle jene Mädchen und
voller sein, weil über jedem Beisammensein von
Frauen, die des Lebens Drang und Noth in ab¬
Mani und Weib das Damoklesschwert des die
hängige Stellungen gebracht hat, in denen sie,
Frauenehre zuhöchst taxirenden Gesetzes schwebt.
förmlich pogelfrei, den Verfolgungen ihrer Brod¬
Dort ist kein Weib, es mag in welcher ehrbaren
herren und eines Jeden preisgegeben erscheinen,
Lebensstellung immer sein, Freiwild, wenn es das
der glaubt, sie als willkommene Jagdbeute be¬
nicht sein will.
trachten zu dürfen. Wehe diesen armen, vom
Daalin muß es auch bei uns kommen.
Schicksale Besiegten! Ihre Frauenehre ist den
Auch bei uns muß die bürgerliche und
Angriffen des nächstbesten gewissenlosen Lüstlings
Frauenlehre unter verschärfte Schutzgesetze gestellt
preisgegeben, ihre bürgerliche Ehre entbehrt des
werden, damit keine Frau und kein Mädchen, die
nachdrücklichen Schutzes, auf den doch alle Stats¬
sich in abhängiger Stellung befindet, fürchten
bürger ohne Unterschied Anspruch haben. Wozu
muß, bezüglich ihrer Ehre für vogelfrei betrachtet
viele Umstände mit einer weiblichen Angestellen und vom Erstbesten als Freiwild behandelt zu
Wir sprechen von der „Affaire Schod
werde.
Ein Wiener Kaufmann hat seine begehr¬
lichen Blicke auf seine Cassierin geworfen. Das
hübsche, unbescholtene Mädchen reizt seine Sinn¬
lichkeit. Er sieht in ihr eine leicht zu erlegende
Beute. Freiwild! Anfangs mit Ueberredung, dann
handgreiflich versucht er, das unbescholtene
Mädchen zu entehren. Und als sie seinen Ver¬
führungsversuchen Festigkeit, seinen Gewalt¬
anwendungen Widerstand entgegensetzt, rächt sich
der energisch Zurückgewiesene, indem er das
Mädchen in einer Eingabe an die Polizei des
Diebstahls beschuldigt.
Und die Polizei
Ja, die Polizei hatte es sehr eilig. Sie ver¬
haftete ohneweiters die von ihrem Brodherrn des
Diebstahls beschuldigte Angestellte. Verhaftete sie
und behielt sie zwei Tage in Haft, trotzdem
Schodl, wie amtlich in der Anklageschrift des
Staatsanwaltes constatirt erscheint, nachdem sich
der Spieß gegen den verleumderischen Anzeiger
gekehrt hatte, in seiner Anzeige keinerlei Anhalts¬
punkte für deren Inhalt geven, und man aus
seinen Angaben nur schließen
konnte, daß die Anzeige höchst
leichtfertig erstattet, oder aus der
Luft gegriffen sei.
Wie, man konnte aus der Anzeige Schod's
gegen Anna Haraschin nichts Thatsächliches ent¬
nehmen, sondern nur schließen, daß sie höchst
leichtfertig erstattet, oder aus der Luft gegriffen
sei, und trotzdem zaubert die Polizei keinen
Augenblick, gegen den Ruf und die Ehre eines
unbescholtenen Mädchens einen Streich zu führen,
der vernichtend wirken kann!? Warum? Wäre