II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 444

8. Freiwil¬
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Ausschnitt aus:
vom 20. Der Armee-Zeitung, Wien,
Roda Rodas „Feldherrnhügel“
Wer Roda Roda auch nur ganz von ferne kennt, wird sich vorstellen
können, wie königlich er sich in diesen Tagen des Kampfes um seine dramatische
„Schnurre“, die sich jetzt zu einer kriminalistischen Schnurre zu entwickeln scheint,
fühlen muß. Ist Roda Roda heute auch ehrsamer Familienvater und legitimer
Papa und verschwand auch schon lange die himmlische Schlankheit von damals,
als er noch zu den schneidigsten Reitern Seiner Majestät zählte und seinem Korps¬
kommandanten sorgenschwere Stunden bereitete, so ist er noch lange kein „Geld¬
macher“ geworden, und der tägliche finanzielle Schaden, den er durch die
Absetzung des „Feldherrnhügels" erleidet, verbittert ihm kaum jenes köstliche
„Weltmittelpunktsgefühl“, das ihn in diesen bewegten Tagen beseelen darf.
Wir selbst haben den „Feldherrnhügel“ in diesen Blättern, wie vielleicht
noch erinnerlich, ohne Bedenken begrüßt, und kein einziger Wiener Kritiker
glaubte, das Werk wegen gefährlicher Tendenzen verurteilen zu müssen.
Einzelne Blätter bemängelten im Gegenteile — und nicht einmal ganz mit
Unrecht — die Harmlosigkeit der „Schnurre".
Nun ist es selbstverständlich reine Empfindungssache, wie man sich von
militärischen Gesichtspunkte zu dem Stück stellt. Die Armee wird darin sicher
nicht glorifiziert. Aber doch wohl auch kaum verunglimpft. Wir fühlen uns
stark genug, um heiteren Spott zu ertragen. Gewiß, wir sind in Oesterreich
in dieser Beziehung ziemlich weitherzig, aber wir denken, dieser Fehler sei
vielleicht verzeihlicher als — Engherzigkeit.
Zudem: Unsere Zensur hat uns bisher in keiner Weise verwöhnt. Man
braucht nur an den polternden General im „Herbstmanöver“ zu denken! Spielt
man nicht im k. k. Hofburgtheater Hartlebens „Rosenmontag“ und machte
Beyerleins „Nach dem Zapfenstreich nicht zwei Winter lang bei uns volle
Häuser? Und durfte nicht das peinlichste Offiziersstück, Schnitzlers Freiwild“,
in dessen zweiten Akt ein Offizier auf offener Bühne geohrfeigt wird, sogar
an zwei Wiener Bühnen aufgeführt werden?
Nach einem On dit soll im „Feldherrnhügel“ an besonderer Stelle die
Rolle Anstoß erregt haben, die im letzten Akt ein durchlauchtiger General
spielt: Im zärtlichen Tete-à-tête mit einer interessanten Dame unterläßt er
es gänzlich, dem Gang des Manövers zu folgen, versteht es aber trotzdem,
schließlich eine ganz vorzügliche Manöverkritik zu halten. Es ist, wie gesagt,
natürlich Empfindungssache, ob hier die gewisse Grenze des Erlaubten schon erreicht
ist oder nicht. Aber eine ganz kleine Erinnerung möchten wir zum besten
geben: Im Jahre 1902 veranstaltete „Danzer's Armee-Zeitung" eine Preis¬
konkurrenz für militärische Humoresken. Das Preisrichterkollegium erkannte ein¬
stimmig den ersten Preis der Einsendung „Der Diplomat" zu, und als die
Kuverts geöffnet wurden, zeigte sich, daß Roda Roda — damals noch nicht so
bekannt wie heute — der Verfasser war. Der Inhalt dieser Preishumoreske
deckt sich aber vollkommen mit der Fabel des Schlußakts des „Feldherrnhügel“
Die Preisrichter hatten also nicht den Eindruck, daß diese Fabel irgendwie ver¬
letzend sei. Der erste Preisrichter aber war Karl Baron Torresani und
der zweite Alfred Söhnstorff: gewiß zwei kompetente Autoritäten auf
diesem Gebiete
Roda Roda war damals allerdings noch k. u. k. Oberleutnant des
37. Feldartillerieregiments und inzwischen hat der Offiziersehrenrat des 60. In¬
fanterieregiments ihm die Charge aberkannt. Es ist aber auch Tatsache, daß
zahlreiche Offiziere auch heute noch seinem intimeren Freundeskreis angehören;
es ist auch bekannt, daß Roda Roda gerade vor einem Jahre zur Zeit der
Krise in mehreren Städten durch Vorträge seinen zum großen Teil aus
Militärs bestehenden Kreis von Zuhörern zu geradezu exzessiver patriotischer
Begeisterung mitriß. Es ist endlich auch noch die sympathische Art und Weise
in Erinnerung, in der Roda Roda dann aus Belgrad über die Ereignisse auf
dem Balkan für mehrere große Blätter schrieb. Ohne von Roda Roda hierzu
ermächtigt zu sein, möchten wir nun heute verraten, daß auch beispielsweise
niemand Geringerer als der Kriegsminister G. d. J. Freiherr v. Schönach
damals dem „Ex=Oberleutnant" Roda Roda offiziell Dank und Anerkennung
aussprechen ließ.
Wir wollten damit nur zeigen, daß das „Problem Roda Roda keines¬
wegs kurzweg abgetan werden kann!