box 14/5
8. Freiwild
GRATIS
„OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
vom
Der Müller und sein Kind
Persönliche Erinnerungen an den Theaterdirektor Leopold
Müller und seinen Sohn.
Von
Emil und Arnold Golz.
Ein Dutzendname und er macht aufhorchen ... War das
nicht... und man entsinnt sich augenblicklich des trefflichen
Theaterleiters Leopold Müller, dessen Exterieur so gar nicht
mit dem eines Bühnenmenschen übereinstimmte, der jedoch
innerlich vom Thatter besessen war. Dabei verstand er es von
allem Anbeginn, sich jene Rolle anzueignen, die ihm am besten
lag: die eines Direktors. „Für den anderen einspringen, wenn
er unpäßlich ist, das gut nur auf der Bühne und nicht in der
Direktionskanzlei," belehrte er uns einmal, „denn hier muß der
Stellvertreter den Direktor auch dann remplacieren, wenn dieser
vollständig gesund ist." Dabei strich er sich seinen Vollbart, um
die Pausen zwischen den langsam und vorsichtig gesprochenen
Worten auszufüllen, schob seinen Zwicker zurecht, gab dem ein¬
tretenden Thaterdiener — die Szene spielte sich in seinem
Bureau im Carl-Theater ab, wo er den Direktor Jauner
vertrat — einige Direktiven und setzte fort: „Schon seinerzeit,
als ich Direktorstellvertreter am Deutschen Volkstheater war,
habe ich bewiesen, daß ..." — „Daß ein guter Souffleur in der
Kanzlei heroben wichtiger ist als unten auf der Bühne
ergänzte einer von uns beiden, und Müller schmunzelte bejahend:
„Ist der Fall „Odilon" nicht ein typischer Beweis hiefür
Bukovics, der doch sicher Fachmann war, hat sich entschieden
gewehrt, sie zu engagieren; er schrieb mir sogar — damals hielt
er sich in Gutenstein auf, daß er mir widersprechen müsse
und für das vakant gewordene Fach der Salondame die Reisen¬
hofer oder Bedekovics vorziehe. Aber ich ließ nicht locker; nach
Berlin bin ich zu ihr gefahren, habe mir, obzwar auch sie nicht
recht wollte, den unterfertigten Vertrag
geholt und mir
das heißt, ihr, einen Riesenerfolg verschafft.
„Triumphe
hat sie gefeiert", warf der eine von uns beiden ein. „Schon
bei ihrem Debit in „Der Weg zum Herzen
und in „Madame
Sans=Gene“ der andere. „Wir sind dabei gewesen!" alle beide.
„Da habe ich ja zwei Zeugen!" lachte Müller. „Aber bezahlte
betonten wir. — „Bezahlte Zeugen?
„Damals haben wir
nämlich noch keine Freikarten bekommen, beschwichtigten wir
ihn, worauf er sich lächelnd wieder den Bart strich, seinen Zwicker
zurechtrückte und über seine Arbeit beugte. Er wühlte in Akten.
In den drei Akten der nächsten Operette „Haben Sie sich gern
auf die Operette umgestellt, Herr Direktor?" apostrophierten
wir ihn, indem der eine die erste Hälfte dieser Frage und der
andere die zweite derselben an ihn stellte. „Anfangs nicht!
erwiderte er, das eine Wort an den einen und das andere an
den anderen von uns beiden richtend. „Besonders nach Prosa¬
werken wie „Freiwild von Schnitzler, „Getto" von Herzl und
„Teil mit Ferdinand Bonn. Selbst den großen Operettenerfolg
Neues Wiener Journal
4. Februar 19.
eisernen Theaterwillen Besessenen bloß einen dreijährigen er auf die Bühne
kontrakt gegeben. Das Klingelzeichen von oben ertönte und er zu: „Sie müssen!
mußte für immer von der Bühne abgehen. Da war der Heim- und Friseur von sich
gegangene großmütiger gewesen, denn er hatte vielen seiner
Wo ist die Tochter
Mitglieder einen längeren Vertrag zugestanden.
stand sie auf den
Das Direktionszepter im Johann=Strauß=Theater über¬
Hervorragend
nahm sein Sohn Erich, der, mit den Kniffen und Pfiffen des
sein Kind, und ih¬
väterlichen Berufs vertraut, schon als stellvertretender Direktor¬
Da griff die grausa
stellvertreter seinem Vater bewies, daß er schon bei dessen Leb¬ Rad und brachte
zeiten seine Spurnase geerbt hatte; denn er rettete damals im
Entsagung, das nich
Carl-Theater eine Vorstellung — „Das süße Mädel" war an¬ heit war, legte der
gesetzt und das Haus ausverkauft —, die durch die plötzliche Absage
herrscher nieder. Se
der Biedermann und Unauffindbarkeit ihrer Ramplacantin, der als er einem bekan
Zwerenz, unmöglich schien. Knapp vor Beginn noch kein Ersatz
in sein Theater mit
Siedepunkt der Verzweiflung! Da entsinnt sich Erich Müller, daß
kauft!“ dem von
ch unter den Bewerbern um Freibilletts ein Fräulein Kastner, „Komme mit tausen
„Soubrette am Stadttheater in Leipzig", wie es auf ihrer radiotelegraphisch
Visitenkarte hieß, befunden hatte. Blitzschnell eilte er ins Vestibul
Freuden und taufe
eruierte an der Kasse die behobenen Billetts, sandte den Sekretär Komiter, es war Os
ins Parterre, Fräulein Kastner augenblicklich auf die Bühne zu mit dem Ausdruck
schleppen, erteilt telephonische Befehle. Da stürmt atemlos der Direktion bedauert,
Sekretär zurück. Sie will nicht!" — „Was und schon flitzt können.
8. Freiwild
GRATIS
„OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
vom
Der Müller und sein Kind
Persönliche Erinnerungen an den Theaterdirektor Leopold
Müller und seinen Sohn.
Von
Emil und Arnold Golz.
Ein Dutzendname und er macht aufhorchen ... War das
nicht... und man entsinnt sich augenblicklich des trefflichen
Theaterleiters Leopold Müller, dessen Exterieur so gar nicht
mit dem eines Bühnenmenschen übereinstimmte, der jedoch
innerlich vom Thatter besessen war. Dabei verstand er es von
allem Anbeginn, sich jene Rolle anzueignen, die ihm am besten
lag: die eines Direktors. „Für den anderen einspringen, wenn
er unpäßlich ist, das gut nur auf der Bühne und nicht in der
Direktionskanzlei," belehrte er uns einmal, „denn hier muß der
Stellvertreter den Direktor auch dann remplacieren, wenn dieser
vollständig gesund ist." Dabei strich er sich seinen Vollbart, um
die Pausen zwischen den langsam und vorsichtig gesprochenen
Worten auszufüllen, schob seinen Zwicker zurecht, gab dem ein¬
tretenden Thaterdiener — die Szene spielte sich in seinem
Bureau im Carl-Theater ab, wo er den Direktor Jauner
vertrat — einige Direktiven und setzte fort: „Schon seinerzeit,
als ich Direktorstellvertreter am Deutschen Volkstheater war,
habe ich bewiesen, daß ..." — „Daß ein guter Souffleur in der
Kanzlei heroben wichtiger ist als unten auf der Bühne
ergänzte einer von uns beiden, und Müller schmunzelte bejahend:
„Ist der Fall „Odilon" nicht ein typischer Beweis hiefür
Bukovics, der doch sicher Fachmann war, hat sich entschieden
gewehrt, sie zu engagieren; er schrieb mir sogar — damals hielt
er sich in Gutenstein auf, daß er mir widersprechen müsse
und für das vakant gewordene Fach der Salondame die Reisen¬
hofer oder Bedekovics vorziehe. Aber ich ließ nicht locker; nach
Berlin bin ich zu ihr gefahren, habe mir, obzwar auch sie nicht
recht wollte, den unterfertigten Vertrag
geholt und mir
das heißt, ihr, einen Riesenerfolg verschafft.
„Triumphe
hat sie gefeiert", warf der eine von uns beiden ein. „Schon
bei ihrem Debit in „Der Weg zum Herzen
und in „Madame
Sans=Gene“ der andere. „Wir sind dabei gewesen!" alle beide.
„Da habe ich ja zwei Zeugen!" lachte Müller. „Aber bezahlte
betonten wir. — „Bezahlte Zeugen?
„Damals haben wir
nämlich noch keine Freikarten bekommen, beschwichtigten wir
ihn, worauf er sich lächelnd wieder den Bart strich, seinen Zwicker
zurechtrückte und über seine Arbeit beugte. Er wühlte in Akten.
In den drei Akten der nächsten Operette „Haben Sie sich gern
auf die Operette umgestellt, Herr Direktor?" apostrophierten
wir ihn, indem der eine die erste Hälfte dieser Frage und der
andere die zweite derselben an ihn stellte. „Anfangs nicht!
erwiderte er, das eine Wort an den einen und das andere an
den anderen von uns beiden richtend. „Besonders nach Prosa¬
werken wie „Freiwild von Schnitzler, „Getto" von Herzl und
„Teil mit Ferdinand Bonn. Selbst den großen Operettenerfolg
Neues Wiener Journal
4. Februar 19.
eisernen Theaterwillen Besessenen bloß einen dreijährigen er auf die Bühne
kontrakt gegeben. Das Klingelzeichen von oben ertönte und er zu: „Sie müssen!
mußte für immer von der Bühne abgehen. Da war der Heim- und Friseur von sich
gegangene großmütiger gewesen, denn er hatte vielen seiner
Wo ist die Tochter
Mitglieder einen längeren Vertrag zugestanden.
stand sie auf den
Das Direktionszepter im Johann=Strauß=Theater über¬
Hervorragend
nahm sein Sohn Erich, der, mit den Kniffen und Pfiffen des
sein Kind, und ih¬
väterlichen Berufs vertraut, schon als stellvertretender Direktor¬
Da griff die grausa
stellvertreter seinem Vater bewies, daß er schon bei dessen Leb¬ Rad und brachte
zeiten seine Spurnase geerbt hatte; denn er rettete damals im
Entsagung, das nich
Carl-Theater eine Vorstellung — „Das süße Mädel" war an¬ heit war, legte der
gesetzt und das Haus ausverkauft —, die durch die plötzliche Absage
herrscher nieder. Se
der Biedermann und Unauffindbarkeit ihrer Ramplacantin, der als er einem bekan
Zwerenz, unmöglich schien. Knapp vor Beginn noch kein Ersatz
in sein Theater mit
Siedepunkt der Verzweiflung! Da entsinnt sich Erich Müller, daß
kauft!“ dem von
ch unter den Bewerbern um Freibilletts ein Fräulein Kastner, „Komme mit tausen
„Soubrette am Stadttheater in Leipzig", wie es auf ihrer radiotelegraphisch
Visitenkarte hieß, befunden hatte. Blitzschnell eilte er ins Vestibul
Freuden und taufe
eruierte an der Kasse die behobenen Billetts, sandte den Sekretär Komiter, es war Os
ins Parterre, Fräulein Kastner augenblicklich auf die Bühne zu mit dem Ausdruck
schleppen, erteilt telephonische Befehle. Da stürmt atemlos der Direktion bedauert,
Sekretär zurück. Sie will nicht!" — „Was und schon flitzt können.