die Pausen zwischen den langsam und vor gesprochenen
Worten auszufüllen, schob seinen Zwicker zurecht, gab dem ein¬
tretenden Thaterdiener — die Szene spielte sich in seinem
Bureau im Carl-Theater ab, wo er den Direktor Jauner
vertrat — einige Direktiven und setzte fort: „Schon seinerzeit,
als ich Direktorstellvertreter am Deutschen Volkstheater war,
habe ich bewiesen, daß ..." — „Daß ein guter Souffleur in der
Kanzlei heroben wichtiger ist als unten auf der Bühne
ergänzte einer von uns beiden, und Müller schmunzelte bejahend:
st der Fall „Odilon" nicht ein typischer Beweis hiefür
Bukovics, der doch sicher Fachmann war, hat sich entschieden
gewehrt, sie zu engagieren; er schrieb mir sogar — damals hielt
er sich in Gutenstein auf, daß er mir widersprechen müsse
und für das vakant gewordene Fach der Salondame die Reisen¬
hofer oder Bedekovics vorziehe. Aber ich ließ nicht locker; nach
Berlin bin ich zu ihr gefahren, habe mir, obzwar auch sie nicht
recht wollte, den unterfertigten Vertrag
geholt und mir
das heißt, ihr, einen Riesenerfolg verschafft.
„Triumphe
hat sie gefeiert", warf der eine von uns beiden ein. „Schon
bei ihrem Debit in „Der Weg zum Herzen
und in „Madame
Sans=Gêne“ der andere. „Wir sind dabei gewesen!" alle beide.
„Da habe ich ja zwei Zeugen!" lachte Müller. „Aber bezahlte
betonten wir. — „Bezahlte Zeugen?"
„Damals haben wir
nämlich noch keine Freikarten bekommen
beschwichtigten wir
ihn, worauf er sich lächelnd wieder den Bart strich, seinen Zwicker
zurechtrückte und über seine Arbeit beugte. Er wühlte in Akten.
In den drei Akten der nächsten Operette „Haben Sie sich gern
auf die Operette umgestellt, Herr Direktor?" apostrophierten
wir ihn, indem der eine die erste Hälfte dieser Frage und der
andere die zweite derselben an ihn stellte. „Anfangs nicht!"
erwiderte er, das eine Wort an den einen und das andere an
den anderen von uns beiden richtend, „Besonders nach Prosa¬
werken wie „Freiwild von Schnitzler, „Getto" von Herzl und
„Teil mit Ferdinand Bonn. Selbst den großen Operettenerfolg
„Die Geisha" hat Jauner durch Einschiebung von Aufführungen
Dörmanns „Ledige Leute“ auf mein Anraten nicht en fuite
gegeben und es hat weder dem einen noch dem anderen Werk
geschadet. Nur... mißliebig habe ich mich beim Personal gemacht.
Der Tenor war nur dann disponiert, wenn das Prosastück, und
der Bonvivant, wenn die Operette angesetzt worden ist
„Nicht
besser erging es mir", sagte er uns ein andermal, „als ich Louis
Treumann sozusagen entdeckte. Denn Julius Spielmann, der
geniale Operetten=Heldentenor, lehnte es ab, mit ihm (in
Hellmesbergers „Lockvögel") aufzutreten, und der Komiker Stein¬
berger war nie komischer als damals, als er sich weigerte, mit
ihm zu spielen. So debütterte Treumann in „Die kleine Michus
trotzdem inmitten einer Nobelgarde von Darstellern wie Betty
Stoyan, Willi Bauer und — Rudolf Schildkraut (in einer
Episodenrolle) mit sensationellem Erfolg. Aber auch das weib¬
liche Operettenpersonal habe ich gegen mich aufgebracht, und
bloß deshalb, weil ich — die Günther zu gewinnen wußte.
„Herr Direktor haben eine seltene Spurnase, stellten wir fest.
„Tia... beim Theater" erwiderte er, „hängt eben viel von
der „Witterung ab." — „Stimmt!" pflichteten wir ihm bei:
„Von der schlechten im Zuschauerraum und der guten in der
Direktionskanzlei."
Bedeutete auch für Müller, der ein Arbeitsfanatiker
war — er kam als erster ins Theater, um es als letzter zu
verlassen —, die Ausübung seines Berufes Erholung, liebte
es dennoch, wenn auch nur Wochenkürze, in den von ihm
geliebten Ischler Bergen umherzustreifen. Das Wandern ist des
Müllers Lust. Doch auch die unsere, und so schritten wir oft
gemeinsam durch den Laufener Wald. Er, den Bergstock in
der Hand, mit dem er ebensoweit ausholte wie mit seinen
Beinen, und wir — immer hinterher, denn mit ihm Schritt
zu halten, war uns ein Ding der Unmöglichkeit, weshalb er
oft eine Frage, die wir an ihn stellten, erst beantworten konnte,
wenn wir ihn eingeholt hatten. Als wir einmal, während er
sich immer weiter von uns entfernte, von ihm erfahren wollten,
was er in der kommenden Saison vorhabe, wobei er, als das
letzte Wort von uns verhallte, unseren Blicken bereits
entschwunden war, antwortete er, nachdem wir ihn nach
geraumer Zeit einholten: „Sie haben mich unlängst ge¬
gefragt. Eine telegraphische Antwort hätte uns zweifellos
früher erreicht. Oft saß er einsam auf einer Bank und grübelte.
Da schmiedete er Pläne. Besonders einen. Einen Bauplan. Ein
Theater wollte er bauen und — er baute es. Das Johann¬
Strauß=Theater, das mit Hilfe seines finanziellen Beraters
Russo, der sich ihm von Jauner her attachiert hatte, vor fünfund¬
zwanzig Jahren erstand und seinem genialen Schöpfer den ver¬
dienten Lorbeer verschaffte. Allein — zu früh siel der Vorhang
über seine Tätigkeit. Der liebe Himmel hatte dem von ein
Worten auszufüllen, schob seinen Zwicker zurecht, gab dem ein¬
tretenden Thaterdiener — die Szene spielte sich in seinem
Bureau im Carl-Theater ab, wo er den Direktor Jauner
vertrat — einige Direktiven und setzte fort: „Schon seinerzeit,
als ich Direktorstellvertreter am Deutschen Volkstheater war,
habe ich bewiesen, daß ..." — „Daß ein guter Souffleur in der
Kanzlei heroben wichtiger ist als unten auf der Bühne
ergänzte einer von uns beiden, und Müller schmunzelte bejahend:
st der Fall „Odilon" nicht ein typischer Beweis hiefür
Bukovics, der doch sicher Fachmann war, hat sich entschieden
gewehrt, sie zu engagieren; er schrieb mir sogar — damals hielt
er sich in Gutenstein auf, daß er mir widersprechen müsse
und für das vakant gewordene Fach der Salondame die Reisen¬
hofer oder Bedekovics vorziehe. Aber ich ließ nicht locker; nach
Berlin bin ich zu ihr gefahren, habe mir, obzwar auch sie nicht
recht wollte, den unterfertigten Vertrag
geholt und mir
das heißt, ihr, einen Riesenerfolg verschafft.
„Triumphe
hat sie gefeiert", warf der eine von uns beiden ein. „Schon
bei ihrem Debit in „Der Weg zum Herzen
und in „Madame
Sans=Gêne“ der andere. „Wir sind dabei gewesen!" alle beide.
„Da habe ich ja zwei Zeugen!" lachte Müller. „Aber bezahlte
betonten wir. — „Bezahlte Zeugen?"
„Damals haben wir
nämlich noch keine Freikarten bekommen
beschwichtigten wir
ihn, worauf er sich lächelnd wieder den Bart strich, seinen Zwicker
zurechtrückte und über seine Arbeit beugte. Er wühlte in Akten.
In den drei Akten der nächsten Operette „Haben Sie sich gern
auf die Operette umgestellt, Herr Direktor?" apostrophierten
wir ihn, indem der eine die erste Hälfte dieser Frage und der
andere die zweite derselben an ihn stellte. „Anfangs nicht!"
erwiderte er, das eine Wort an den einen und das andere an
den anderen von uns beiden richtend, „Besonders nach Prosa¬
werken wie „Freiwild von Schnitzler, „Getto" von Herzl und
„Teil mit Ferdinand Bonn. Selbst den großen Operettenerfolg
„Die Geisha" hat Jauner durch Einschiebung von Aufführungen
Dörmanns „Ledige Leute“ auf mein Anraten nicht en fuite
gegeben und es hat weder dem einen noch dem anderen Werk
geschadet. Nur... mißliebig habe ich mich beim Personal gemacht.
Der Tenor war nur dann disponiert, wenn das Prosastück, und
der Bonvivant, wenn die Operette angesetzt worden ist
„Nicht
besser erging es mir", sagte er uns ein andermal, „als ich Louis
Treumann sozusagen entdeckte. Denn Julius Spielmann, der
geniale Operetten=Heldentenor, lehnte es ab, mit ihm (in
Hellmesbergers „Lockvögel") aufzutreten, und der Komiker Stein¬
berger war nie komischer als damals, als er sich weigerte, mit
ihm zu spielen. So debütterte Treumann in „Die kleine Michus
trotzdem inmitten einer Nobelgarde von Darstellern wie Betty
Stoyan, Willi Bauer und — Rudolf Schildkraut (in einer
Episodenrolle) mit sensationellem Erfolg. Aber auch das weib¬
liche Operettenpersonal habe ich gegen mich aufgebracht, und
bloß deshalb, weil ich — die Günther zu gewinnen wußte.
„Herr Direktor haben eine seltene Spurnase, stellten wir fest.
„Tia... beim Theater" erwiderte er, „hängt eben viel von
der „Witterung ab." — „Stimmt!" pflichteten wir ihm bei:
„Von der schlechten im Zuschauerraum und der guten in der
Direktionskanzlei."
Bedeutete auch für Müller, der ein Arbeitsfanatiker
war — er kam als erster ins Theater, um es als letzter zu
verlassen —, die Ausübung seines Berufes Erholung, liebte
es dennoch, wenn auch nur Wochenkürze, in den von ihm
geliebten Ischler Bergen umherzustreifen. Das Wandern ist des
Müllers Lust. Doch auch die unsere, und so schritten wir oft
gemeinsam durch den Laufener Wald. Er, den Bergstock in
der Hand, mit dem er ebensoweit ausholte wie mit seinen
Beinen, und wir — immer hinterher, denn mit ihm Schritt
zu halten, war uns ein Ding der Unmöglichkeit, weshalb er
oft eine Frage, die wir an ihn stellten, erst beantworten konnte,
wenn wir ihn eingeholt hatten. Als wir einmal, während er
sich immer weiter von uns entfernte, von ihm erfahren wollten,
was er in der kommenden Saison vorhabe, wobei er, als das
letzte Wort von uns verhallte, unseren Blicken bereits
entschwunden war, antwortete er, nachdem wir ihn nach
geraumer Zeit einholten: „Sie haben mich unlängst ge¬
gefragt. Eine telegraphische Antwort hätte uns zweifellos
früher erreicht. Oft saß er einsam auf einer Bank und grübelte.
Da schmiedete er Pläne. Besonders einen. Einen Bauplan. Ein
Theater wollte er bauen und — er baute es. Das Johann¬
Strauß=Theater, das mit Hilfe seines finanziellen Beraters
Russo, der sich ihm von Jauner her attachiert hatte, vor fünfund¬
zwanzig Jahren erstand und seinem genialen Schöpfer den ver¬
dienten Lorbeer verschaffte. Allein — zu früh siel der Vorhang
über seine Tätigkeit. Der liebe Himmel hatte dem von ein