dienreichen, aber harben Weanersprach'“ reden zu lassen, was
wohl den einzigen, immerhin anfechtbaren Fortschritt in
seiner neuesten Dichtung bedeutet.
Schnitzler hat sich in seiner „Liebelei“ das Problem ge¬
stellt, das Thun oder eigentlich Nichtsthun unserer Wiener
Lebejünglinge, ihre eigenthümliche Auffassung von Leben und
Lieben wiederzugeben, was ihm auch, Dank der reichen Er¬
fahrungen, die er und sein Freundeskreis auf diesem Gebiete
gesammelt, mit einer stellenweise frappirend feinen Beob¬
achtungsgabe und fast photographischer Treue gelungen ist.
Das Problem David's läßt sich nicht so leicht heraus¬
finden, seine „Charakterstudie in 3 Acten“ läßt uns ja dar¬
über im Unklaren, welche Wendung die Dinge genommen
hätten, wenn es zufälliger Weise nicht geregnet hätte, so daß
das eigentlich dramatische Motiv unleugbar ein sehr wässe¬
riges ist. So sehr die beiden Stücke in Wirkung und Er¬
folg auch auseinandergehen, haben sie doch zwei gemeinsame
Negative. Beide sind dramatisirte Novellen, aber keine
Dramen, in keinem von beiden erreichen die Verfasser ihre
oben angedeutete Absicht. Andere Namen, ein anderer Dia¬
lect und der internationale Charakter ist wieder hergestellt.
Weder die innere, noch die äußere Entwicklung der Handlung
sowohl, als der handelnden Personen ist eine solche, die nur
dem Wiener Boden ihr Entstehen verdanken könnte. Die
Heldin des „Regentages“ ist einfach eine liebenswürdig lo¬
calisirte demi overge, wie sie uns Marcell Prevost in so
reicher Auswahl vorgeführt, und auch Christine Weiring, die
es mit der „Liebelei“ ihres Fritz so bitter ernst nimmt,
dürfte in einer anderen Kosmopolis ähnliche Schicksale er¬
fahren. Allein auch hierin müssen wir die Kunst Schnitzler's
weit über die David's stellen, denn die Möglichkeit
wenigstens, daß es sich um ein Wiener Drama handelt, den
Schein dieses specifischen Wesens hat der Erstere weit mehr
gewahrt. Seine Menschen muthen uns besonders in ihren
Schwächen heimatlich an, wir fühlen mit ihm, daß
Details der Handlung zumindest nur hier entstehen konnten,
daß seinen Personen etwas von Wiener Persönlichkeit an¬
haftet.
Fritz Lobheimer ist ein Wiener Graf von Gleichen.
Sein Herz ist der Sitz intermittirender Gefühle für die
Dame im schwarzen Sammtkleid und einer kleinen Vorstadt¬
grisette. Im Augenblicke, wo seine Neigung für Letztere die
Oberhand gewinnt, tritt das Verhängniß in Gestalt des
Gemahls seiner vornehmeren Geliebten dazwischen. Wie leicht
zu errathen, fällt jener im Duell, bevor er noch Zeit ge¬
funden, eine Entscheidung zwischen Liebelei und Liebe zu
treffen. Nicht daß er für sie verloren, sondern daß er für
jene Andere sein Leben gelassen, ohne an sie mehr als
passagär „auch“ zu denken, treibt Christine gleichfalls in
den Tod.
Sie leidet an einer Hypertrophie derselben Gesühle,
welche bei Kitty Baronesse Herterich nicht genügend ent'
wickelt sind, um sie über die Langweile des „Regentages“ hin¬
wegzubriugen, trotzdem sie weiß, daß für sie, die seit Jahren
mit ihrer „feschen“ Schönheit Wucher treiben mußte, um
endlich in Dr. Karl v. Bauer die richtige Unschuld vom
Lande zu treffen, die noch an die ihre glaubte, die Rückkehr
in ihre bisherigen Verhältnisse mehr als verhängnißvoll ist.
Aber sie kann sich mit der Eigenart ihrer zukünftigen
Schwiegermutter und Cousine nicht versöhnen und wir be¬
greifen dies vollkommen, da die unangenehmen Seiten dieser
en Damen sehr glaubwürdig herausgearbeitet sind. In
Augenblick, wo Kitty findet, die ganze Geschichte sei
träglich fad, hat sie das ganze Publicum für sich. Man
eidet sie ordentlich darum, daß sie auf der Stelle der
ganzen tugendhaften Gesellschaft den Rücken kehren darf und
ersieht aus diesem Momente allein, daß der Dichter ihre
Person besonders liebevoll behandelt hat.
Das Wiener Drama, in der Gestalt wenigstens, wie es
sich nur in den letzten Tagen präsentirte, ist also nach keiner
Richtung das, was es sein will. Es ist kein Drama, noch
specifisch wienerisch. Die beiden Schriftsteller, die uns ihre
diesbezüglichen Versuche seiner Neubelebung vorführten, ge¬
hören aber — und das ist das Betrübendste der ganzen
Sache — unstreitig zu den begabtesten, fleißigsten und ehr¬
lichsten Führern der Jungwiener Dichterschule. Man hat auf
ihre Arbeiten große Hoffnungen gesetzt und, wenn wir ehrlich
sein wollen, müssen wir gestehen, daß sie uns nicht einmal
einen seriösen Wechsel für eine bessere Zukunft der Wiener
M. B—d,
dramatischen Muse präsentirt haben.
Acte reicht ihre Liedenswurdigren nichtans
schera verdroß es offenbar, daß er die Rolle des Herrn
v. Zeska nicht spielen durfte. Selbst Herr Sonnenthal
fand für die fortschrittliche Gesinnung seines jede Sitten¬
strenge verpönenden Vaters nicht den glaubwürdigen, über¬
zeugenden Ton, welchen Herr Baumeister dieser so
vielfach merkwürdigen Gestalt hätte verleihen können. b—d.
(Theater in der Josefstadt.) Wir haben es in der
fabriksmäßigen Erzeugung von Schlüpfrigkeiten und Zoten
glücklich so weit gebracht, daß wir auf französischen Import
wohl den einzigen, immerhin anfechtbaren Fortschritt in
seiner neuesten Dichtung bedeutet.
Schnitzler hat sich in seiner „Liebelei“ das Problem ge¬
stellt, das Thun oder eigentlich Nichtsthun unserer Wiener
Lebejünglinge, ihre eigenthümliche Auffassung von Leben und
Lieben wiederzugeben, was ihm auch, Dank der reichen Er¬
fahrungen, die er und sein Freundeskreis auf diesem Gebiete
gesammelt, mit einer stellenweise frappirend feinen Beob¬
achtungsgabe und fast photographischer Treue gelungen ist.
Das Problem David's läßt sich nicht so leicht heraus¬
finden, seine „Charakterstudie in 3 Acten“ läßt uns ja dar¬
über im Unklaren, welche Wendung die Dinge genommen
hätten, wenn es zufälliger Weise nicht geregnet hätte, so daß
das eigentlich dramatische Motiv unleugbar ein sehr wässe¬
riges ist. So sehr die beiden Stücke in Wirkung und Er¬
folg auch auseinandergehen, haben sie doch zwei gemeinsame
Negative. Beide sind dramatisirte Novellen, aber keine
Dramen, in keinem von beiden erreichen die Verfasser ihre
oben angedeutete Absicht. Andere Namen, ein anderer Dia¬
lect und der internationale Charakter ist wieder hergestellt.
Weder die innere, noch die äußere Entwicklung der Handlung
sowohl, als der handelnden Personen ist eine solche, die nur
dem Wiener Boden ihr Entstehen verdanken könnte. Die
Heldin des „Regentages“ ist einfach eine liebenswürdig lo¬
calisirte demi overge, wie sie uns Marcell Prevost in so
reicher Auswahl vorgeführt, und auch Christine Weiring, die
es mit der „Liebelei“ ihres Fritz so bitter ernst nimmt,
dürfte in einer anderen Kosmopolis ähnliche Schicksale er¬
fahren. Allein auch hierin müssen wir die Kunst Schnitzler's
weit über die David's stellen, denn die Möglichkeit
wenigstens, daß es sich um ein Wiener Drama handelt, den
Schein dieses specifischen Wesens hat der Erstere weit mehr
gewahrt. Seine Menschen muthen uns besonders in ihren
Schwächen heimatlich an, wir fühlen mit ihm, daß
Details der Handlung zumindest nur hier entstehen konnten,
daß seinen Personen etwas von Wiener Persönlichkeit an¬
haftet.
Fritz Lobheimer ist ein Wiener Graf von Gleichen.
Sein Herz ist der Sitz intermittirender Gefühle für die
Dame im schwarzen Sammtkleid und einer kleinen Vorstadt¬
grisette. Im Augenblicke, wo seine Neigung für Letztere die
Oberhand gewinnt, tritt das Verhängniß in Gestalt des
Gemahls seiner vornehmeren Geliebten dazwischen. Wie leicht
zu errathen, fällt jener im Duell, bevor er noch Zeit ge¬
funden, eine Entscheidung zwischen Liebelei und Liebe zu
treffen. Nicht daß er für sie verloren, sondern daß er für
jene Andere sein Leben gelassen, ohne an sie mehr als
passagär „auch“ zu denken, treibt Christine gleichfalls in
den Tod.
Sie leidet an einer Hypertrophie derselben Gesühle,
welche bei Kitty Baronesse Herterich nicht genügend ent'
wickelt sind, um sie über die Langweile des „Regentages“ hin¬
wegzubriugen, trotzdem sie weiß, daß für sie, die seit Jahren
mit ihrer „feschen“ Schönheit Wucher treiben mußte, um
endlich in Dr. Karl v. Bauer die richtige Unschuld vom
Lande zu treffen, die noch an die ihre glaubte, die Rückkehr
in ihre bisherigen Verhältnisse mehr als verhängnißvoll ist.
Aber sie kann sich mit der Eigenart ihrer zukünftigen
Schwiegermutter und Cousine nicht versöhnen und wir be¬
greifen dies vollkommen, da die unangenehmen Seiten dieser
en Damen sehr glaubwürdig herausgearbeitet sind. In
Augenblick, wo Kitty findet, die ganze Geschichte sei
träglich fad, hat sie das ganze Publicum für sich. Man
eidet sie ordentlich darum, daß sie auf der Stelle der
ganzen tugendhaften Gesellschaft den Rücken kehren darf und
ersieht aus diesem Momente allein, daß der Dichter ihre
Person besonders liebevoll behandelt hat.
Das Wiener Drama, in der Gestalt wenigstens, wie es
sich nur in den letzten Tagen präsentirte, ist also nach keiner
Richtung das, was es sein will. Es ist kein Drama, noch
specifisch wienerisch. Die beiden Schriftsteller, die uns ihre
diesbezüglichen Versuche seiner Neubelebung vorführten, ge¬
hören aber — und das ist das Betrübendste der ganzen
Sache — unstreitig zu den begabtesten, fleißigsten und ehr¬
lichsten Führern der Jungwiener Dichterschule. Man hat auf
ihre Arbeiten große Hoffnungen gesetzt und, wenn wir ehrlich
sein wollen, müssen wir gestehen, daß sie uns nicht einmal
einen seriösen Wechsel für eine bessere Zukunft der Wiener
M. B—d,
dramatischen Muse präsentirt haben.
Acte reicht ihre Liedenswurdigren nichtans
schera verdroß es offenbar, daß er die Rolle des Herrn
v. Zeska nicht spielen durfte. Selbst Herr Sonnenthal
fand für die fortschrittliche Gesinnung seines jede Sitten¬
strenge verpönenden Vaters nicht den glaubwürdigen, über¬
zeugenden Ton, welchen Herr Baumeister dieser so
vielfach merkwürdigen Gestalt hätte verleihen können. b—d.
(Theater in der Josefstadt.) Wir haben es in der
fabriksmäßigen Erzeugung von Schlüpfrigkeiten und Zoten
glücklich so weit gebracht, daß wir auf französischen Import