II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 64

Liebelei
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gen des öffent= übermenschliche Milde gegenüber den — seiner eigenenfg
das Christenthum und seine Lehren Broschüre „Die Frauen und das Studium der Medicm“ der
guten Sache einen guten Dienst geleistet. Er tritt mit Argumenten
n der Gerechtig=Charakteristik nach
gegen die Frauenärzte auf, die keinen Unbefangenen mehr zweifeln
Belt. Sie werdenschändenden Fractionen und Strömungen an den Tag legt,
lassen, daß es eine Pflicht primitivster Gerechtigkeit ist, den Frauen
tkeine christliche so hilft ihm das bei den Preßorganen der christlich=socialen
den Weg zum öffentlichen Studium der Medicin zu erschließen.
tsgelehrten und Partei blutwenig. Die Meute fällt über ihn her, als ob
Wem soll das Argument Albert's imponiren, daß die Frauen noch
er vom heiligen Eifer übermannt, ihnen zugedonnert hätte:
Weiß ausspielen.
„anatomischen" Schuld Christinens reden — denn ihr
hinaus, welches wohl nur diese Christine mit Liebe ver¬
e mit Rücksicht
Fühlen ist rein; sie hält mit der Umgebung, in der sie theils
wechseln kann. Am Plagiat=Riechen könnte sich selbst meine
ren. Ein Wort
aufgewachsen, in die sie theils hineingerathen ist, eben das
„Objectivität“ beim besten Willen da nicht betheiligen. Wenn
ist eben dichte¬
für Liebe und geht an diesem nicht eben unwienerischen
man nach dem Schema: „Santuzza ist eifersüchtig und
nich sogar auch
tragischen Irrthum zugrunde. Auch Gretchen nennt sich das
gemeinsam bei Christine ist eifersüchtig, Lola nimmt's leicht und die
„arm unwissend Kind“ und trägt dieselbe anatomische
Schlager=Mizi nimmt's leicht“, die Schnitzler'sche Liebelei“
Schuld, der sich nichts weniger als die Schuld der Kindes¬
aus der „Cavalleria rusticana“ herleiten will, so führt das
Franzosen. Da
menn sie's zu der gefährlichen logischen Consequenz: „Mein Pudel liebt mörderin hinzugesellt. Trotzdem ist Gretchen eine Art Ideal¬
auch Josen kann Zucker, meine Cousine liebt Zucker, folglich ist meine Cousinel bild der deutschen Jungfrau geworden und jedes deutsche
erische Stoff jene ein Pudel“ Man hat, als die bürgerliche Tragödie Mädchen ist glücklich, wenigstens durch Gretchen=Zöpfe oder doch
kein Rest bleibt, fallgemein wurde, den ästhetischen Mangel beklagt, daß ihren eine Gretchen=Tasche Theil an diesem Wesen zu haben. Das
kommt daher, weil die großen und kleinen Kinder neben
leiseste Nuance Gestalten die „Fallhöhe“ der großen Tragödie fehle. Die
t jeder Vorwurf. Stellung der Schnitzler'schen Vorstadtbürger mit dem engen diesem Gretchen den rothen Teufel auf der Bühne sehen.
hat, als sich mit Horizont mindert diese „Fallhöhe“ noch beträchtlich herab, Im Banne dieses leibhaftigen Teufels wird Alles verziehen.
Wenn eben dieser Teufel sich aber nicht in einen gleißenden
bern“ zu erholen, und Christine ist eigentlich schon gefallen, bevor sie von dem
unmäßig Geld! Geschick gefällt wird. Was sich aber von Tragik über ein Schmuck verwandelt, sondern viel harmloser aus einer Cham¬
benso unerfahren solches Wesen häufen kann, hat Schnitzler erschöpft. Kein pagnerflasche knallt, dann wenden sich kühl und hart die
Diese Trennung falsches Pathos, keine Tiraden des Ueberschwangs heben uns Moralisten ab; sie können für Christine, welche ihren Fritz
so heiß und wahr und innig liebt, von dem Begräbniß des
Zwischen den An=über das Maß der in diesem Milieu möglichen Fallhöhe;
„sie kehrt Geliebten aber ferngehalten wird, kein tragisches Mitleid
Linie“ welche die ses entwickelt sich das tragische Verhängniß
fassen. Die allerherbste Tragik, welche das Mädchenherz zer¬
— aus dem beschränkten Milieu, aus dem
außen abgrenzte nicht wieder“
malmt, liegt in der „Linie“ über welche die Gefühle der
Fren, zum Theile social beschränkten Charakter, kurz aus den dramatischen
Stadtfreunde nicht hinaus, die Gefühle der Vorstadtfreundin
Voraussetzungen, auf welchen der erste und zweite Act ruht.
und Herüber der
nicht hinein können. Sie versteht nicht und wird nicht ver¬
Es ist die Kunst Schnitzler's, daß er mit keinem Worte,
Ener unscheinbarer
standen. An den Schranken, welche Stadt und Vorstadt
mit keinem Gedanken über seine Figuren hinausstrebt. Diese
ch zwischen jeden
trennen,zerschellt in dem kleinbürgerlichen Schauspiel Schnitzler's
eben scheint, zeigt harmonische Ausgleichung berührt formal und technisch
Kunst, mag die sympathisch, was selbstverständlich unabhängig davon bleibt, ein Fühlwesen, wie in dem „bürgerlichen Trauerspiel“, das
gezogen sein. Ist ob Einer für solche Vorstadtcharaktere schwärmen mag oder Schiller so nannte, ungleich mächtiger natürlich und auf
nicht. Unsympathisch ist uns der Musicus Anti=Miller, anderem Boden die Gestalten an den Schranken zwischen
die Kritik die ge¬
Christinens leichtsinniger Vater, welcher seiner Tochter die Adel und Bürgerthum in Stücke gehen.
itzler'scher Figuren
Um einen Siegfried zu Falle zu bringen, bedarf der
hnetes „Milieu“ Freiheiten eines solchen Jugendglückes nicht rauben will.
Dichter einer Trilogie, Könige begnügen sich damit, in fünf
Im Josefstädter Theaterorchester mögen solche Väter auch
Acten unterzugehen. Die Entwicklung eines Dramas steht
dieser eng be=nicht sitzen — daß wir solche wienerische Väter aber kennen,
im geraden Verhältniß zur „Fallhöhe“. Die sicilianische
der wienerischen darf die localpatriotische Moral, welche sich immer am un¬
Bäuerin braucht nur einen Act. Ich bin also in der ange¬
grenzte moralische rechten Platze meldet, nicht leugnen. ... Ob mit dieser ver¬
nehmen Lage, dem Griensteidl=Freunde vorzuhalten, daß für
n Anatol=Typus.zehrenden Liebe Christinens, welche aus einer „Liebelei“
Christinens „Liebelei" und Ende zwei Acte genügt hätten.
Enem bescheidenen bricht, die Mütter des Parquets sich befreunden mögen,
haben diese Mütter zu entscheiden. Dem Aesthetiker genügt, Ich glaube aber zu verstehen, daß Schnitzler im zweiten
Wesentliche und
sein. Die Pariser daß diese Liebe im Stücke erschütternd und lebenswahr zu=Acte die Motive durch die Charakteristik Christinens und
als das Wienertage kommt. Wie Börne von der „anatomischen Unschuld“ durch die genauere Fixirung des Vorstadtmilieus verstärken
über das „Liebeln“der Emilie Galotti spricht, könnte man von einer bloß wollte. Durch die köstliche Figur der Strumpfwirkerin
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