II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 109

Er spart dabei Tantièmen.
Theater an der Wien.
Der Lindau und der Krenn sind jetzt
Der Posse Dioskuren.
Sie bieten uns keck den ältesten Spaß
Und lachen dann selbst wie Auguren.
Carltheater.
Zwei Körpertheile werden jetzt
Die alte Bühne erretten:
Die Meisterhände Jauner's und
Die Beine seiner Soubretten.
Die Kopacsi bekleidet hat man
Auf der Bühne noch nicht gesehen.
Sie kleidet gewöhnlich erst sich an,
Wenn sie muß schlafen gehen.
Der Julius Stern nahm von Suppé
Das Beste nur, wie ich wähne.
Sein Wahlspruch war gewiß beim „Modell“
De mortuis nil nisi bene.
Raimund-Theater.
Der „Heiratsschwindler“ gefiel hier sehr,
Ich sag' es jetzt ganz sicher:
Er bringt dem Autor gewiß gar bald,
Die schönsten Sparcassenbücher.
Josefstädter-Theater.
Zum Herrn von Waldberg der Léon spricht
Mit Mienen trüb und sauer:
Sie sind Baron, doch lieber noch
Wär's mir, Sie wären ein — Bauer.
Einacter ziehen gar niemals hier,
Nur lange Stücke, die packten.
Director Wild schwärmt, wie ich gehört,
Für Stücke mit vielen Nackten.
Die Josefstadt nun prosperirt,
Herr Wild ward ihr zum Retter,
Die Blätter sind wohl alle für ihn,
Nur nicht die — Feigenblätter.
Theater-Phonograph.
Sehr geschätzte Zuhörer!
Nach den Anregungen kommen die Aufregungen. Es ist wie
wenn man bei altem Wein sitzt, oder bei jungen Damen. Man kommt
fröhlich lächelnd hin, mit der unschuldigsten Miene, wohl auch mit
dem unschuldigsten Herzen von der Welt, und nach einigem Kosen,
nach ein paar süßen Minuten, da kann man schon nicht mehr davon,
und wenn man auch wollte. Es ist oft nicht einmal so angenehm,
wie die anderen glauben, es führt, wie gesagt, auch zu schlimmen Auf¬
regungen die schaden, aber was will man machen? Wer die Anregung
bringt, muß so gut er kann, auch die Aufregung ertragen und verant¬
worten. Und was für verschiedene Aufregungen es im Theater und um's
Theater herum gibt! Dichterische, künstlerische, directoriale und ganz
gemein menschliche, die sonst den Phonographen gar nichts angehen
würden! Aber er ist eben der Berichterstatter für jedes Theaterkreis¬
gerücht, er ist eben der Historiker der Bühnenweltgeschichte, jeder Hobel¬
spahn, der von den weltbedeutenden Brettern fällt, ist ein Schnitzel,
das er pikant zubereiten muß. Um wohlwollende Ohren und freundliche
Aufmerksamkeit wird daher gebeten.
Walze I.
„Der arme Dichter! Noch ein Glück für ihn, daß er, wie ein¬
mal ein geistreicher Mann gesagt hat, nicht ein Vogel ist, der auf
mehreren Seiten zugleich sein kann! Was der alles hätte anhören
müßen, wenn er blos bei der Premiere in allen vier Stockwerken und
im Parterre des Hauses einige Ohren hätte zweckmäßig anbringen
zurückzulassen; man steckt es ein und nimmt es mit, wie man jahrelang in
allen Theatern gethan. Ein Herr, dessen Name und Stand über jeden
niedrigen Verdacht erhaben sind, hat ein paar Tage lang zu seiner
völligen Verzweiflung ein Glas bei sich zuhause gehabt, das nicht sein,
sondern des Carltheaters Eigenthum war. Ahnungslos geht er von der
lieben und so anregenden Vorstellung nachhause, lustig trällernd, an
nichts Bestimmtes denkend. Nur ein fremdes Gefühl, das er sich nicht
erklären kann, stört ihn an der linken Seite, wo er das Glas trägt.
Er greift hin, zieht das Glas heraus, und schlägt sich verzweifelt an
die Stirne; denn jetzt erst besinnt er sich, daß sein Glas — nicht sein
Glas ist: Was thun? Das Theater ist längst gesperrt, er kommt so¬
bald nicht wieder hin; für einen Dienstmann ist ihm die Erklärung
der Sendung zu peinlich. Er muß warten, bis sein Diener einen halben
Tag Zeit hat, um von Währing — wo der Herr wohnt — in die
Leopoldstadt zu gehen. Und was thun die welche keinen Diener haben,
und was thut man mit denen, die absichtlich vergessen? Schwere Sache,
denn es handelt sich auch darum, jeden Eclat zu vermeiden. Wir
wollen Jauner fragen!“
Walze III.
„Herr Kornau soll nach Galizien. Die Leute machen sich
darüber lustig, und meinen,
intimere Kopfbedeckung werde
dabei schlecht — aber doch — wegkommen. Ich möchte Jedem rathen,
Herrn Kornau ruhig bei seiner Behauptung zu lassen, und wer sich's
am guten Rathe nicht genügen läßt, dem sei folgendes warnende Bei¬
spiel erzählt. Einem, der in größerer Gesellschaft Herrn Kornau's lich¬
teste Stelle mit raschem Griffe zu entdecken gewagt hatte, war von dem
schlagfertigen Komiker Rache geschworen worden. Dieser machte aber, als
hätte er die Affaire vergessen und schlug eine ganz harmlose Unterhaltung
vor. Er wollte sich als Hypnotiseur produciren, alles solle seinen Be¬
fehlen gehorchen. Es geschieht. „Schlafen Sie!“ Alles schließt die Augen
und sitzt unbeweglich. „Oeffnen Sie den Mund.“ Alles sperrt die Kinn¬
backen auf. Da schleicht Kornau zu dem vorwitzigen Entdecker, und mit
raschem Griffe weist er dem unbändig lachenden Kreise — das Kunst¬
werk des Zahnarztes des betreffenden Herrn. — Man soll und muß
mit Herrn Kornau lachen, doch nicht über ihn. Dixi et salvavi
animam meam. Womit ich mich empfehle.
Edi's Sohn.
Gerichtslaal.
Der Kampf um die Brant.
Es war ein Kampf, den der Puppenfabrikant Saul Lustig um
seine Braut auskämpfen mußte, und obendrein gegen unsichtbare Feinde.
Kaum war es jenem gutherzigen Manne, der für Bargeld und Gottes¬
lohn Männlein und Weiblein fürs irdische Leben zusammenk—oppelt,
gelungen in Sandez für Herrn Lustig etwas „Passendes“, daß heißt,
ein Mädchen mit 1500 fl. Mitgift, und vice versa für das Mädchen
aus Sandez etwas nicht minder Passendes, das heißt, den wohlsituirten
Kaufmann Saul Lustig, in Wien zu entdecken, als schon die ersten
Karten und Briefe hinausflatterten zum präsumptiven Schwiegervater,
zur Braut, zur Verwandtschaft, Bekanntschaft, zu allen möglichen und
unmöglichen Leuten von Sandez, mit gehäßigen Schilderungen der
Persönlichkeit, der Vergangeuheit und Gegenwart des Herrn Saul
Lustig und der voraussichtlichen Zukunft seiner zukünftigen Frau. Es
mochte dem erwähnten gutherzigen Manne recht schwer geworden sein,
den schlechten Eindruck dieser Karten, durch umso glühendere Verherr¬
lichungen des Herrn Saul Lustig zu paralysiren.
Aber es gelang und so sei gleich constatirt, daß die Braut aus
Sander trotz alledem und alledem glückliche Frau Lustig wurde. Das
hinderte nicht, daß nun in Wien ein wahres Schnellfeuer von Pasquillen
niederprasselte, die sich mit Herrn Lustig beschäftigten.
Wie leicht erklärlich, schnaubte Herr Saul Lustig Rache. Mit
anerkennenswerthem Fleiß sammelte er die Karten und Briefe und auf
Grund eines vergleichenden Quellenstudiums klagte er seine Cousine
Frau Rosa Dembitzer auf Ehrenbeleidigung. Frau Rosa Dembitzer
that vor dem Strafrichter des Bezirksgerichtes Leopoldstadt, Dr. Schuster
dasselbe, was jede andere an ihrer Stelle gethan haben würde, sie
leugnete. Doch Herr Saul Lustig und sein Rechtsbeistand Dr. Flax
konnten unglücklicher Weise mit einem dringenden Wahrheitsbeweis auf¬
warten. Und so bequemte sich Frau Dambitzer zu einer Ehrenerklärung,
deren Logik aus folgenden drei Hauptpunkten hervorgeht: Ich habe die
Briefe nicht geschrieben, noch veranlaßt; ich hatte keinen Grund,
solche Briefe zu schreiben oder zu veranlassen; ich werde solche Briefe
nichtmehr schreiben, noch veranlassen.
Ja aber warum wurden diese Briefe geschrieben? Zwei That¬
sachen hellen das geheimnisvolle Dunkel auf: Herr Carl Lustig hat bei
der verwitweten Frau Dembitzer 4 Jahre von ihrem Gelde gelebt, wie
sie vor Gericht erklärte und Herr Saul Lustig hat, selbstständig geworden,
seine Braut aus Sandez geholt.
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