II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 110

Liebelei
5. Jn in enen K.
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social Hilflose, und das Einzige, was uns bleibt, ist, unsere Ohnmacht
mit einiger Würde zu tragen.
Vor einigen Jahren wurde bekanntlich in England eine bürger¬
liche sociale Vereinigung unter dem sonderbaren Namen der Fabier ge¬
gründet. Vielleicht würde das Wort minder willkürlich gewählt er¬
scheinen, wenn man es auf Fabius Maximus Cunctator, den berühmten
Zauderer, beziehen dürfte. Die Wartenden! Das ist ja in der That
der tiefere Sinn der englischen „Fabians“ und mancher ihr nach¬
gebildeten Verbindung, das ist auch der Sinn des Wiener socialwissen¬
schaftlichen Bildungsvereines als Institution, wenn auch vielleicht nicht
die Meinung der Mehrzahl seiner Mitglieder, und das muß der Sinn
Warten im Bewußtsein, daß für uns vorläufig kein anderes Programm
möglich ist, warten, nicht müßig und passiv, sondern lernend, beobachtend
und uns selbst erziehend warten und indessen im Einzelnen so viel Gutes
wirken, als die Gelegenheit erlaubt. Kämpfen wir immerhin für Re¬
formen im Bereiche unseres Standes, sei es auch nur vorbereitend, nicht
herbeiführend; gehen wir, obwohl keine Socialisten, politisch mit den
Socialisten, ohne mit unserem Beistand sonderlich wichtig zu thun;
arbeiten wir im Sinne der Volksaufklärung und inneren Mission, ohne
darauf übermäßigen Werth zu legen, üben wir nach Vermögen Wohl¬
thätigkeit, ohne von derlei viel zu erwarten. Unser Hauptziel aber sei,
uns selbst zu rüsten mit Wissen, Einsicht und Kraft, um bereit zu sein,
wenn einmal die Stunde kommt und uns alle in die Schranken ruft,
um dann überzeugtes Bekenntniß ablegen zu können, nicht mit großen
Worten in kleinen Collegenversammlungen, sondern mit dem Einsatz
unseres ganzen Wesens vor einer werdenden Welt.
Es ist das keine glänzende Rolle; aber nicht die Rolle macht den
Mann, sondern die Art, sie auszufüllen. Wir sehen den Idealtypus des
jungen Akademikers von morgen vor uns: voll unermüdlichen, warm¬
herzigen Interesses an allen Erscheinungen des modernen Lebens und
voll thatkräftiger Sympathie für seine Opfer, aber unbestechlich in Em¬
pfindung und Urtheil, unabhängig nach unten wie nach oben, nach links
wie nach rechts, seinen Weg gehend, ohne auf Dank oder Beifall zu
rechnen, unempfindlich gegen Hohn und Verdächtigung und collegialen
Terrorismus, aber auch frei von Meinungsstolz und anmaßender Selbst¬
sicherheit, emporgehalten durch eine einzige innere Befriedigung, das Be¬
wußtsein seines tiefen Ernstes und der Reinheit seiner Motive. Vermißt
man dabei das schöne jugendliche Feuer und die auflodernde, manchmal
auch liebenswürdig irrende Phantasie? Es ist die Schuld der Zeit,
wenn ihre Jugend — alt werden muß.
Oesterreichisches Theater.
Vom Repertoiremachen.
Wenn aus der Vermehrung der Theater Wiens Ersprießliches er¬
wachsen soll, muß eine gründliche dramatische Arbeitstheilung durchgeführt
werden. Das Revertoire der einzelnen Theater kann sich nur von einer