II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 115

eie Nebenfache zn sein. Sie ärgert sich nur
di
darüber, daß er im Duell für eine Andere gefallen ist, und
ließ
daß er ihr nicht einmal geschrieben oder etwas zum Andenken ge¬
Tite
schickt hat! Unwillkürlich denkt man an Frau Marthe's Ausruf:
bere
„Was, kein Schaustück, kein Geschmeide?“ Hier hätte sich der echte
Sein
Dichter zeigen müssen.
draf
Aber noch ein anderer, noch viel wichtigerer Einwand gegen
nach
die „Liebelei“ drängt sich dem Zuschauer auf. Die tragische Wendung die
des Stückes wird nämlich keineswegs dadurch herbeigeführt, das Car¬
Fritz sein Verhältniß zu Christine nicht ernsthaft nimmt und es sehr
blos als eine „Liebelet“ auffaßt, während sie ihm ihr ganzes Herz
aber
geschenkt hat und mit wahrer, tiefer Liebe an ihm hängt. Seine
Frä¬
„Liebelei“ mit Christine steht mit der Ursache seines Todes und der
behe
dadurch herbeigeführten Verzweiflung Christinen's in gar keinem
Ber!
Zusammenhange. Damit aber fällt das ganze Stück, dessen Thema
das
doch offenbar sein sollte, zu zeigen, was für Unheil aus den „Liebe¬
gewi
leien“ entstehen kann.
Pub
Die Aufführung, sonst in fast allen Partien glänzend, litt unter
hera
einem schweren Besetzungsfehler. Wie kann Frl. Sandrock die

Christine spielen, das „blühende“ Geschöpf? Christine muß vor allen
Dingen jung und frisch sein, wie die Schlager=Mizzi, ihre Freundin
Durch eine entsprechende Christine würde das ganze Stück ein
anderes Gesicht bekommen haben. Fräulein Sandrock sah aus wie
25.
Mizzi's Mutter, nicht wie ihre Freundin. Aber auch ihre Kunst ließ
im (
sie in der Verzweiflungsscene im Stiche. Das waren nicht die Töne,
die aus dem Innern kommen, das war nicht Wahrheit, sondern
Komödianterie. Vortrefflich war Fräulein Kallina als Mizzi.] glüc
So viel Natürlichkeit, so viel Humor; es fehlte nur ein wenig Dem= und
perament. Als Strumpfwirkersfrau gab Fräulein Walbeck wieder' pa:
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kein ein wahres Cabinetsstück. Solche Rollen spielt ihr Niemand nach Quartet
iht Die Herren Kutschera und Zeska gaben die beiden Studen¬
und zwi
ten sehr gut. Man konnte da sehen, was für eine ausgezeichnete Kraft
Diensta
irmdie Burg an Herrn Kutschera gewonnen hat. Zeska's Humor war
28. Jär.
dienur etwas zu zahm. Den alten Weiring adelte Herr Sonnenthal,
halb 8
ihr so daß man die Gesunkenheit dieses „Vaters“ eigentlich gar nicht merkte.
demnäch
Herr Mitterwurzer wirkte als in's Haus gefallener Nächer seiner
lde
täten. 7
Ehre komisch, und das sollte er doch wohl nicht.
en
handlun
Das einactige Schauspiel „Rechte der Seele“ von
Composi
en[Giacosa macht mit seiner ausgeklügelten Dialectik einen sehr
Fratze
en unbehaglichen Eindruck. Ein Ehemann zermartert sich den Kopf dar¬ allen C.
ci= über, ob seine Frau den Freund, der sich als ihr unerhörter Ver=Im Ra
ehrer erschossen hat, nicht doch geliebt habe und dadurch bringt er
en
„Mein
die gequälte Frau zu dem Geständnisse, daß es wirklich so ist. Daß
Schil
=Isie nun dem Manne die Schuld durau zuschiebt und sich als die
Niese
ser bekannte „unverstandene“ Frau gerirt, das macht sie keineswegs Aufführ:
en sympathischer. Der Ehemann ist ein recht jämmerlicher Geselle, der
Nachmitt
von einem Extrem in's andere fällt. Herr Hartmann schien
wird „P
nicht recht zu wissen, was er mit ihm anfangen soll. Frau Hohen= zum erst
fels bot als Frau ihre ganze Kunst auf. Daß das Stück nichtlein Ba
schroffer abgelehnt wurde, ist nur ihr Verdienst.
Die
5

Liebelei
box 10/1
#. I. Snnae
#
E 6
S . Se
Gau.
P# Min
Wiener Theater.
Zwei Wiener Dramatiker sind in der vergangenen
Woche auf die Bretter gesprungen, der eine hat sich
gar das Hofburgtheater erobert. Arthur Schnitzler
ist vielleicht auf dem Wege, ein Dramatiker zu werden,
einstweilen liegt seine Straße noch weit ab vom Burg¬
theater, wenn es ihm auch gelang, daß dieses zu ihm
kam. „Liebelei“ ist künstliche Verwienerung des
Pariser Liebelebens. Grisetten, in Wiener Dialekt
getaucht, studirende Lebeknaben mit Commis=Manieren,
das sind die Figuren, mit denen der Autor tändelt.
Nichts wahr Erschautes, nur Schnitzelwerk und
Theatermache, eine Gesellschaft von Treibhauspflanzen
mit sorgfältig zerrauften Charakteren. Papa Musicus
predigt die Lehre, ein liebelnder Galan von der
Straße sei für ein Mädchen, für sein Mädchen mehr
werth als ein dauerhafter Strumpfwirker. Das klingt,
das verblüfft, aber es ist nur frisirte Trivialität,
Realismus mit dem coquetten Stirnlöckchen. Die Kunst
der kleinen Effecte ist dem Verfasser der „Liebelei“
Ei¬
wohlbekannt, das machte es der Gemeinde von Jung¬
Wien auch möglich, das Stück mit gefälligem Beifall zu
4#
begrüßen. Die virtuose Darstellung durch die Damen#
[Sandrock und Kallina, die Herren Sonnen=
thal, Mitterwurzer u. s. w. half nach Kräften
dazu. Aber es war doch kein Dichtererfolg, nur ein
Erfolg der — Dichtelei.