II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 116

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Thater=Berichte: Wien.
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Zärtlichkeiten in Worte umprägt, waren von außer¬
Wien.
ordentlicher Wärme des Gefühles und gewissermaßen
Die ersten Wochen der Spielzeit sind kaum vorüber
das Echo einer in der Tiefe verborgenen slammenden
und schon drängen sich die kleinen und großen thea¬
Leidenschaft, die nur zu leicht in verheerenden Gluten
tralischen Ereignisse, sodaß man auf ein ungewöhnlich
ausbrechen kann. Während andere Darsteller aus dem
reiches Jahr schließen darf. Die äußerlich für Wien
Romeo der ersten Akte einen bleichen und brütenden
wichtigste Begebenheit ist die Eröffnung eines neuen
Melancholiker machen, hält ihn Herr Wiecke in frischeren¬
Theaters, das zugleich die älteste Vorstadtbühne der
und heiteren Farben. Er verbreitet damit über die
Residenz ist. Aber wer sollte das winklige unwohnliche
ersten Liebesscenen ein sonniges Licht, das um so eigen¬
Karl=Theater in den behaglichen, lichtdurchfluteten Räumen
artiger wirkt, als wir die dunkeln Schatten, die es ver¬
wiedererkennen, die uns verwöhnten Theaterbesuchern
nichten werden, schon voraussehen. Der Umschlag der¬
selbstverständlich und unentbehrlich geworden sind? Und
Stimmung wirkt um so erschütternder, das ganze Bild
„wie sich's wandelt Außen, wandelt es sich Innen“
gewinnt an Farbe und Leben. Das Gemälde der
Director Jauner hat in der Inscenierung der neuen
Leidenschaft empfängt seinen höchsten Reiz durch die
Operette Suppés „Das Modell“ sich wieder als der erste
Keuschheit der Empfindung, die Herr Wiecke über das¬
Bühnentechniker der Gegenwart erwiesen, der nicht nur
Ganze zu breiten weiß. Der Künstler hat einen starken
die todten Massen des Chors zu beleben, sondern auch
Zug zum Heldenspieler in sich. So erfaßt er auch in
jede Einzelfigur in ihren Eigentümlichkeiten heraus¬
seinem „Don Carlos“ mit besonderer Energie den Helden
zuarbeiten, jedem Wort den entsprechenden Ton zu ver¬
und läßt den weichmütigen Schwärmer, so viel, als es
leihen versteht. Es grenzt an die Hexerei, was dieser
die Rolle nur gestattet, in den Hintergrund treten. Er¬
Künstler in wenigen Wochen hervorzuzaubern gewußt.
spielt den jugendlichen Brausekopf mit heißem, leicht¬
Und seine Sorgfalt galt dem Schwanengesang eines der
aufwallendem Blute, aber doch männlich genug, um die
sechtesten Wiener Künstler, von dessen Nachlaß noch manche
Bitte an den Vater, ihm Flandern und ein Heer an¬
(Generation von Musikern zu zehren haben wird. Selten
zuvertrauen, nicht als Aberwitz erscheinen zu lassen.
zhaben noch seine Weisen so frisch, seine Rhythmisierung
Durch diese Auffassung macht der Künstler die Freund¬
so lebendig geklungen, wie in diesem Werk. Es ist, als
schaft einer so gereiften und in sich abgeklärten Natur
ob der todte Meister uns den Abschied noch schwerer
wie Posa zu Don Carlos erst begreiflich. Dabei ver¬
empfinden lassen wollte. In einer bis auf die kleinsten
lieren die Seenen mit der Königin und mit der Prin¬
Rollen tadelloser Vorführung errang die Operette einen
zessin Eboli nicht an innerer Wayrscheinlichkeit. Sie
stürmischen Erfolg, den selbst der Text nicht zu beein¬
enthüllen nur die von der Raserei verzweifelter Liebe
trächtigen vermochte. Das beste Zeugnis für die Musik. Denn
in ihrem Wesen bedrohte Heldenseele, deren besseres
diese in einem unmöglichen Italien und mit unmöglichen
Teil die Liebesleidenschaft zu vernichten auf dem Wege¬
Operetten=Menschen spielende Handlung wird an Lang¬
ist. Aber nicht genug, daß Herr Wiecke durch seine kernigere
weiligkeit nur durch die unsägliche Gemeinheit der Witze
Auffassung den Helden interessanter zu machen versteht.
überboten, wie sie an einer ersten Bühne nicht geduldet
Eine Auffassung macht noch keinen Künstler. Es genügt
werden sollten. Möge es Jauners Bestreben werden,
nicht sie mit Treue und Energie durchzuführen; die
auf derartige Zuthaten künftig zu verzichten. Er hat
Mittel müssen ihr entsprechen und in dem Ganzen Geist
dieselben wahrlich nicht nötig.
und Empfindung in der angedeuteten Richtung lebendig
Die andern Privattheater frischten zunächst ältere
werden. Wie nun der Künstler ausführt, was Ergebnis
Bühnenwerke in dankenswerter Weise auf. Unter dem
eines feinfühligen Raisonnements ist, das ist eine schau¬
Zeichen ihrer Schutzpatrone eröffnete das Raimund¬
spielerische That von hervorragender Bedeutung und vor¬
Theater mit dem unsterblichen „Alpenkönig und Men¬
allem fort und fort ein Beweis eines gediegenen und
schenfeind“, das Volistheater mit Anzengrubers „Alten
gebildeten künstlerischen Geschmackes, wie er Künstlern
Wienern“, die seit Jahren in Wien nicht mehr gegeben
von dem Alter Herrn Wieckes selten eignet. Nach diesen
worden waren. Der echte gemütvolle Ton siegte diesmal
über die Schwäche der Handlung und Erfindung, die
„Götz“, Schiller in den „Karlsschülern“ hier nicht zu
schauspielerische Leistung Martinellis trug das Ihrige
reden, sieht man der ferneren Thätigkeit des Künstlers
zur freundlichen Aufnahme bei. Eine ungewohnt rege
an unserer Hofbühne mit großen Erwartungen entgegen,
Thätigkeit entfaltete diese Bühne in Ergänzung ihres
und man darf in seinem Engagement schon jetzt einen
klassischen Repertoires, dem neuerdings auch ein Abend
wichtigen Gewinn für unser Ensemble erblicken. Auf
in der Woche zu volkstümlichen Preisen eingeräumt
einige andere neue Kräfte dieses Ensembles werden wir
erscheint. Mit Frl. Wachner und dem neuen Liev¬
bei sich bietender Gelegenheit noch des näheren einzu¬
haber Herrn Christians wurde „Romeo und Julie“.
gehen haben. Zu ihnen zählt u. a. auch ein aus Berlin
ausgenommen. Frl. Wachner, in der Balkonscene von
zu uns gekommener Künstler, Herr Deutsch, der einen
hinreißender Anmut, verlor sich leider in leere Decla¬
Teil des durch den Weggang und Tod der Herren
mation und eintöniges Jammern, sichtlich niedergehalten
Schubert und Löber frei gewordenen komischen
durch ihren Partner, der seinen Romeo halb in den
Faches zu übernehmen haben wird und bereits in den
frischen Tönen Kainz', halb in der nachlässigen Conver¬
Verband der Hofbühne eingetreten ist, ohne daß seine
sationsmanier Bonns angelegt hatte und von seinen
bisherigen Leistungen zu besonderen Hoffnungen Anlaß
schönen Mitteln wenig Gebrauch zu machen wußte. Es
gäben.
Teonh. Tier.
(Schluß folgt.)
stimmt trübe, zwei junge, entschieden höchst talentvolle
Leute in dieser Liebestragödie zu sehen, die Alles mit¬

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