iebelei
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Theater=Berichte: Wien.
man mit Freude, wenn man auch gegen das Werk selbst
bringen, was der Dichter nur fordern kann, außer einem:
und seine Aufführung Bedenken haben darf. „Liebelei“
Jugend, echter wahrer Jugend! Und wo man in Deutsch¬
ist nicht nur der bezeichnende Titel dieses Stückes, es ist
land heute hinblickt, entdeckt man denselben Mangel an
der Inhalt der ganzen bisher von Schnitzler gepflegten
Enthusiasmus und Feuer, der die stürmischen Scenen
novellistischen Produktion. Von dem tragisch angelegten
unserer klassischen Dichtung in dialektische Erörterungen
„Sterben“ bis zur übermütig lustigen „Kleinen Ko¬
umgestaltet. Auch die Regie stand nicht auf der Höhe
mödie“ begegnen uns jene Paare, welche die Eintags¬
ihrer Aufgabe. Desto erfreulicher gestaltete sich die Auf¬
fliege der Liebe pflegen, die schnell stirbt und sich auch
führung der Medea, in der die beiden genannten Künstler
schnell wieder neu erzeugt. Und Wiener Luft und Wiener
als Kreusa und Jason sehr sympathische Leistungen
Herzen sind der Nährboden, welchem dieses kurzlebige
boten, und eine interessante Ungarin, Serena Fay, in
anmutig schwirrende Geschöpf entstammt. Aber auch
ihrem Versuche zur deutschen Bühne überzugehen, eine
hier giebt es Spielarten, wie im Wiener Lied. Das
in ihren einzelnen Teilen ganz ungleiche, stellenweise in
eine Paar trällert fröhlich das sorglose „Juche i bin im
Wort und Geberde allzufahrige, aber in manchen Mo¬
Himmel“ in die Welt hinaus, während das andere sich
menten auf ausgesprochen tragisch. Begabung deutende
in der halb echten, halb erlogenen Sentimentalität eines
Medea gab.
„Waerlbuan“ oder „Das hat ka Schiller g'schrieb'n“
Das Denkmal, das Sprottau seinem Sohne, dem
träumerisch wiegt. Diese kleine Welt ist Schnitzlers ur¬
unsterblichen Dramaturgen Laube setzte, ließ auch den
eigenstes Gebiet, das er auch in seinem Drama mit
Versuch mehrerer Bühnen, seine Stücke weniger her¬
jener vollen Sicherheit der Form, die nur intimste
vorzuholen, begreiflich erscheinen. Aber die Wieder¬
Kenntnis geben kann, beherrscht. Dabei darf er auch,
belebungsversuche, die an den „Bösen Zungen“ im Volks¬
ohne zu ermüden, die unscheinbarsten Details in dem
theater, dem „Essex“ im Raimund=Thearer, den „Karls¬
Verhältnisse zweier junger Leute Fritz Lobheimers und
schülern“ im Burgtheater angestellt wurden, bleiben er¬
Theodor Kaisers, Christine Weirings und Mizi Schlagers
folglos und der Dramatiker Laube blieb so tot, wie er
vorführen. Eines jener reizenden Soupers, in denen
war. Er hat eben nur seiner Zeit genug gethan und
das Menu die Nebensache, die Liebe und der „Hamur“
ist nichts als ein Oscar Blumenthal der Tragödie;
die Hauptfache sind, führt der erste Akt vor. Für den
Laubes Helden sind, wie Essex sagt, „Ritter von Papier“.
„Hamur“ sorgen Mizi und Theodor, die Liebe verträllern
ob sie nun Harnisch oder Frack tragen. Nur ein Genuß
das andere Paar. Christine hegt die unerfüllte Sehn¬
war damit verbunden, Frl. Barsescous Elisabeth, eine
sucht ihrem Fritz mehr sein zu können, als ein bloßes
Gestalt echt tragischen Stils, bewundern zu dürfen. Das
bald weggeworfenes Spielzeug, auch er würde der echt
Burgtheater aber fand nicht einmal den nötigen Grund¬
liebevollen Stimmung gerne Gehör geben, wenn ihn
ton und spielte in der buntesten Manier durcheinander.
nicht die „hohe Minne“ zu einer verheirateten Frau in
Das Burgtheater ist diesmal früh mit Novitäten in's
Anspruch nehmen und mit banger Sorge erfüllen würde.
Feld gerückt. Es gab das einaktige Schauspiel Giacosas:
Sie soll sich nur zu bald berechtigt zeigen: in den harm¬
„Rechte der Seele“ und das dreiaktige Drama Schnitz¬
losen Jubel schrillt die Thürglocke, der Gatte der Ge¬
lers: „Liebelei“.
liebten erscheint, blutige Rechenschaft zu fordern. Ein
Der Italiener hat sich an Ibsen den Magen ver¬
Rendezvous wird festgesetzt. Es ist aus mit der Freude,
mühsam verabschiedet Fritz die Gäste, in trübe Ahnungen
werden. In einer halben Stunde spielt sich, wie in den
versunken läßt er sich am Schreibtisch nieder. Diesem
modernen Opern, ein letzter Akt ab, zu dem die ent¬
meisterhaften ersten Akte, voll Leben und Bewegung
wickelnden Voraussetzungen sehlen. Eine Frau ist ihrem
folgen zwei schwächere in Christinens Behausung. Die
Gatten trotz ihrer Liebe zu seinem Vetter treu geblieben.
Handlung ist eigentlich erschöpt, so bringt der zweite
Ihre Briefe aber, die nach dem Selbstmord des letzteren
Akt eine Liebesscene zwischen Christine und Fritz, das
bei ihm gefunden werden, kommen in die Hand des
unsterbliche Thema: Faust in Gretchens Zimmer mit
Mannes, sie verweigert jede Aufklärung, bis er ungestüm
weicher Empfindung varirend. Eine neue Figur scheint
zu werden versucht. Dann schleudert sie ihm nicht nur
bedeutungsvoll einzutreten: Christinens Vater. Was er
die Wahrheit in's Gesicht, daß sie ihn nie geliebt, aber
spricht, ist Lebensphilosophie der niedersten Stände. Er
heute bedaure, tugendhaft geblieben zu sein, sie überhäuft
sieht dem Mädchen, dessen Lügen und Ausflüchte er
ihn auch mit Schmähungen, daß er ihre Qualen nie
durchschaut, durch die Finger und gönnt ihr das Glück
bemerkt und sich einer ungestörten Nachtruhe an ihrer
des Liebesgenusses, Ansichten, die im Munde eines
Seite erfreut, schließlich läuft sie davon, er bleibt
Vaters doch immerhin etwas Befremdendes haben
jammernd zurück, statt daß er sich freuen sollte, diesen
und ihn in bedenkliche Verwandtschaft zum alten Heinecke
Satan losgeworden zu sein. Gewiß mögen solche
in der „Ehre“ rücken. Aber gestehen wir die Wahrheit
Tragödien sich in mancher Ehe ereignen, aber ein Weib,
dieser Figur zu, so mußte der Alte auch eine diesen
das den Fall in dieser Weise diskutiert, ist ehrloser, als
Worten entsprechende Aufgabe im Stücke erhalten, er
eines, das sich hingiebt, und ein Mann, der so nieder¬
war berufen, seine Tochter von dem äußersten Schritte
trächtig vor seiner Frau bettelt, verdient sein Schicksal.
zurückzuhalten. Das geschieht nun aber durchaus nicht;
Vielleicht könnte eine Novelle mit diesen psychologischen
der dritte Akt bringt die Nachricht vom Tode des Ge¬
Spitzfindigkeiten Staat machen. — Mit Arthur Schnitzler
liebten, sie bricht in leidenschaftliche Klagen aus, daß sie
trat ein neuer Dichter in's Burgtheater, mit seinem
ihm so gar nichts gewesen, während sie ihm so alles
Stücke schlug eine neue Luft in die verdickte Atmosphäre
hingegeben, und stürzt ab, ihm nachzusterben. Und der
des gegenwärtigen Repertoires. Den Dichter begrüßt
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Theater=Berichte: Wien.
man mit Freude, wenn man auch gegen das Werk selbst
bringen, was der Dichter nur fordern kann, außer einem:
und seine Aufführung Bedenken haben darf. „Liebelei“
Jugend, echter wahrer Jugend! Und wo man in Deutsch¬
ist nicht nur der bezeichnende Titel dieses Stückes, es ist
land heute hinblickt, entdeckt man denselben Mangel an
der Inhalt der ganzen bisher von Schnitzler gepflegten
Enthusiasmus und Feuer, der die stürmischen Scenen
novellistischen Produktion. Von dem tragisch angelegten
unserer klassischen Dichtung in dialektische Erörterungen
„Sterben“ bis zur übermütig lustigen „Kleinen Ko¬
umgestaltet. Auch die Regie stand nicht auf der Höhe
mödie“ begegnen uns jene Paare, welche die Eintags¬
ihrer Aufgabe. Desto erfreulicher gestaltete sich die Auf¬
fliege der Liebe pflegen, die schnell stirbt und sich auch
führung der Medea, in der die beiden genannten Künstler
schnell wieder neu erzeugt. Und Wiener Luft und Wiener
als Kreusa und Jason sehr sympathische Leistungen
Herzen sind der Nährboden, welchem dieses kurzlebige
boten, und eine interessante Ungarin, Serena Fay, in
anmutig schwirrende Geschöpf entstammt. Aber auch
ihrem Versuche zur deutschen Bühne überzugehen, eine
hier giebt es Spielarten, wie im Wiener Lied. Das
in ihren einzelnen Teilen ganz ungleiche, stellenweise in
eine Paar trällert fröhlich das sorglose „Juche i bin im
Wort und Geberde allzufahrige, aber in manchen Mo¬
Himmel“ in die Welt hinaus, während das andere sich
menten auf ausgesprochen tragisch. Begabung deutende
in der halb echten, halb erlogenen Sentimentalität eines
Medea gab.
„Waerlbuan“ oder „Das hat ka Schiller g'schrieb'n“
Das Denkmal, das Sprottau seinem Sohne, dem
träumerisch wiegt. Diese kleine Welt ist Schnitzlers ur¬
unsterblichen Dramaturgen Laube setzte, ließ auch den
eigenstes Gebiet, das er auch in seinem Drama mit
Versuch mehrerer Bühnen, seine Stücke weniger her¬
jener vollen Sicherheit der Form, die nur intimste
vorzuholen, begreiflich erscheinen. Aber die Wieder¬
Kenntnis geben kann, beherrscht. Dabei darf er auch,
belebungsversuche, die an den „Bösen Zungen“ im Volks¬
ohne zu ermüden, die unscheinbarsten Details in dem
theater, dem „Essex“ im Raimund=Thearer, den „Karls¬
Verhältnisse zweier junger Leute Fritz Lobheimers und
schülern“ im Burgtheater angestellt wurden, bleiben er¬
Theodor Kaisers, Christine Weirings und Mizi Schlagers
folglos und der Dramatiker Laube blieb so tot, wie er
vorführen. Eines jener reizenden Soupers, in denen
war. Er hat eben nur seiner Zeit genug gethan und
das Menu die Nebensache, die Liebe und der „Hamur“
ist nichts als ein Oscar Blumenthal der Tragödie;
die Hauptfache sind, führt der erste Akt vor. Für den
Laubes Helden sind, wie Essex sagt, „Ritter von Papier“.
„Hamur“ sorgen Mizi und Theodor, die Liebe verträllern
ob sie nun Harnisch oder Frack tragen. Nur ein Genuß
das andere Paar. Christine hegt die unerfüllte Sehn¬
war damit verbunden, Frl. Barsescous Elisabeth, eine
sucht ihrem Fritz mehr sein zu können, als ein bloßes
Gestalt echt tragischen Stils, bewundern zu dürfen. Das
bald weggeworfenes Spielzeug, auch er würde der echt
Burgtheater aber fand nicht einmal den nötigen Grund¬
liebevollen Stimmung gerne Gehör geben, wenn ihn
ton und spielte in der buntesten Manier durcheinander.
nicht die „hohe Minne“ zu einer verheirateten Frau in
Das Burgtheater ist diesmal früh mit Novitäten in's
Anspruch nehmen und mit banger Sorge erfüllen würde.
Feld gerückt. Es gab das einaktige Schauspiel Giacosas:
Sie soll sich nur zu bald berechtigt zeigen: in den harm¬
„Rechte der Seele“ und das dreiaktige Drama Schnitz¬
losen Jubel schrillt die Thürglocke, der Gatte der Ge¬
lers: „Liebelei“.
liebten erscheint, blutige Rechenschaft zu fordern. Ein
Der Italiener hat sich an Ibsen den Magen ver¬
Rendezvous wird festgesetzt. Es ist aus mit der Freude,
mühsam verabschiedet Fritz die Gäste, in trübe Ahnungen
werden. In einer halben Stunde spielt sich, wie in den
versunken läßt er sich am Schreibtisch nieder. Diesem
modernen Opern, ein letzter Akt ab, zu dem die ent¬
meisterhaften ersten Akte, voll Leben und Bewegung
wickelnden Voraussetzungen sehlen. Eine Frau ist ihrem
folgen zwei schwächere in Christinens Behausung. Die
Gatten trotz ihrer Liebe zu seinem Vetter treu geblieben.
Handlung ist eigentlich erschöpt, so bringt der zweite
Ihre Briefe aber, die nach dem Selbstmord des letzteren
Akt eine Liebesscene zwischen Christine und Fritz, das
bei ihm gefunden werden, kommen in die Hand des
unsterbliche Thema: Faust in Gretchens Zimmer mit
Mannes, sie verweigert jede Aufklärung, bis er ungestüm
weicher Empfindung varirend. Eine neue Figur scheint
zu werden versucht. Dann schleudert sie ihm nicht nur
bedeutungsvoll einzutreten: Christinens Vater. Was er
die Wahrheit in's Gesicht, daß sie ihn nie geliebt, aber
spricht, ist Lebensphilosophie der niedersten Stände. Er
heute bedaure, tugendhaft geblieben zu sein, sie überhäuft
sieht dem Mädchen, dessen Lügen und Ausflüchte er
ihn auch mit Schmähungen, daß er ihre Qualen nie
durchschaut, durch die Finger und gönnt ihr das Glück
bemerkt und sich einer ungestörten Nachtruhe an ihrer
des Liebesgenusses, Ansichten, die im Munde eines
Seite erfreut, schließlich läuft sie davon, er bleibt
Vaters doch immerhin etwas Befremdendes haben
jammernd zurück, statt daß er sich freuen sollte, diesen
und ihn in bedenkliche Verwandtschaft zum alten Heinecke
Satan losgeworden zu sein. Gewiß mögen solche
in der „Ehre“ rücken. Aber gestehen wir die Wahrheit
Tragödien sich in mancher Ehe ereignen, aber ein Weib,
dieser Figur zu, so mußte der Alte auch eine diesen
das den Fall in dieser Weise diskutiert, ist ehrloser, als
Worten entsprechende Aufgabe im Stücke erhalten, er
eines, das sich hingiebt, und ein Mann, der so nieder¬
war berufen, seine Tochter von dem äußersten Schritte
trächtig vor seiner Frau bettelt, verdient sein Schicksal.
zurückzuhalten. Das geschieht nun aber durchaus nicht;
Vielleicht könnte eine Novelle mit diesen psychologischen
der dritte Akt bringt die Nachricht vom Tode des Ge¬
Spitzfindigkeiten Staat machen. — Mit Arthur Schnitzler
liebten, sie bricht in leidenschaftliche Klagen aus, daß sie
trat ein neuer Dichter in's Burgtheater, mit seinem
ihm so gar nichts gewesen, während sie ihm so alles
Stücke schlug eine neue Luft in die verdickte Atmosphäre
hingegeben, und stürzt ab, ihm nachzusterben. Und der
des gegenwärtigen Repertoires. Den Dichter begrüßt
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