II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 198

Liebele
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3. Mescher
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Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin C., Poststrasse 29. Telephon V, 1227.
Paris.
New-York.
London.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Llg. Aig.
Königsberg i. Pr.
hat, besteigt den=Thron von England. „Richard II.“ ist ein vore
wiegend politisches Stuck und behandelt Fragen, die
Shakespeares Zeiten gerade so wie in unseren Tagen die Ge¬
müther bewegt haben. Regierende Fürsten haben ein Bibelwort
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aus dem Korintherbrief für sich in Auspruch genommen und
19. Februar.
sprechen von einem Gettesgnadenthum, von dem sie behaupten,
„Liebelei“ von
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daß es eine besondere Erleuchtung mit sich bringe und sie von
otel zum Freihafen“.
aller irdischen Gewalt unabhängig mache. Mit dieser mystischen
Saus=Göne. — „Der
Vorstellung erhöhen sie das Ansehen der Krone
in
Theater.
den Augen des Volkes und übernehmen dadurch vor Gotti?
rien Shake¬
die Verantwortung, das Glück ihrer Unterthauen in rastloser
voit dem größten
Arbeit fördern zu wollen.
Unglucklich werden aber die Fürsten,
ken Schicksale der
welche sich auf den göttlichen Ursprung ihres Amtes berufen und
wurde zuerst von
W0
trotzdem bei ihren Regierungshandlungen an die Stelle von
ine
g erfaßt und zur
Einsicht und Gerechtigkeit bloße Willkür und Lanne treten
derung erkannten
ches.
lassen. Sie verstehen nicht mehr was dem Lande noth thut und
Shakespeares von
beschleunigen nur ihren Fall, indem sie nach den Sternen blicken,
Nach den Mißerfolgen, die das Dautsche Theater
igste zusammen¬
um Weisheit zu erspähen.
mit „Florian Geyer“ von Kayptmann und „Lebens¬
lden selbst wieder
Ein solcher Monarch ist Shakespeares zweiter Richapd am¬
wende“ von Max Halbe (erlebt hatz ist ihm der Erfolg
Die ewigen Gesegze.
Ende des vierzehnten Jahrhunderts. Er ist eine schönd ritter¬
mit einem kürzeren dreiakti Stück
Del
wieder
erkörpern. Als
liche Erscheinung, ein Mann von nicht gewöhnlichen Geistesgaben,
zurückgekehrt. Der Verfasser Stucks ist ein junger Wiener,
aber hochfahrend, durch Schmeicheleien verdorben, unfählg einen
Arthur Schnitzle
r, der Sohn eines bekannten Arztes
anderen Willen als den seinigen gelten zu lassen. Alk sein
und—selbst von Beruf Mediziner, wovon er aber wohl
Vetter und Nachfolger auf dem Thron, Heinrich Bolingbroke,
wenig Gebrauch macht. Als er mit seiner einigermaßen
gegen ihn zu Felde zieht, versäumt Richard das „Nothwen¬
üppigen Erscheinung, seinem blonden Vollbart und seiner
digste und beruft sich nur auf das Unantastbare, der Majestät,
naturlichen Haltung vor den Vorhang des Deutschen Theaters
um bald darauf von der Höhe seines Königsbewüßtfeins in die
gerufen wurde, schien er uns mit seinen vierunddreißig Jahren
Tiefe kleinlicher Verzweiflung zu stürzen. So muß er vor seinem
so recht ein Bild der Wiener Lebensfreudigkeit zu sein. Wienerisch
ehrgeizigen und entschlossenen Vetter zurücktreten, der sich mit der
ist auch sein ganzes Stück, in dem eine heiße Sinnenluft weht
Krone als Heinrich IV. auch das von seinem Vorgänger mi߬
und das freie Liebesverhältniß eine poctische Verherrlichung er¬
brauchte Gottesgnadenthum erobert. Es ist erstannlich zu be¬
fährt, wie sie ihm in Norddeutschland nicht beschieden ist. In
obachten, mit welcher Unbefangenheit, mit welchem weiten histori¬
Bezug auf Frische der Empfindung kann man „Liebelei“ mit der
schen Blick diese Fragen von Shakespeare behandelt wärden sind.
„Jugend“ von Halbe vergleichen. Aber Schnitzler geht doch
Es will uns manchmal scheinen, als ob er beim Niederschreiben
seinen eigenen persönlichen Weg und es ist mehr als wahrschein¬
dieser Tragödie geahnt habe daß es auch in späteren Zeiten
lich, daß er durch eigene schmerzliche Erfahrungen zu seinem
Herrscher wie z. B. Friedrich Wilhelm IV. geben würde, in denen
Werk angeregt worden ist. Er führt uns zwei junge Leute
sich die Mischung von Geist und Religiosität, monarchischem
aus besseren Ständen vor, die noch nicht so weit sind.
Selbstgefühl und Verzagtheit genan so wie bei Richard II. wiederholen
um eine Ehe eingehen zu können und sich
indessen mit
würde. Das alles ist von dem unvergleichlichen Briten in großartigen
flüchtigen Neigungen behelfen. Der eine liebt eine frühere
historischen Bildern ausgeführt worden. Am Eingang des Stücks
Modistin der andere die Tochter eines Violinspielers vom
steht das glänzende Turnier zwischen dem jungen Bolingbroke
Josephstädter Theater. Aber die jungen Männer und die
und dem Herzog von Norfolk. Es wurde im Berliner Schau¬
Mädchen sind sehr verschiedenen Temperaments. Theodor Kaiser
spielhause ganz wundervoll zur Anschauung gebracht. Beide
und seine Mizi nehmen das Leben von der heiteren Seite. Sie
Kämpfer saßen hoch zu Roß mit riesigen Lanzen in strahlenden
sind jung, darum küssen sie sich. Sie sind glücklich, darum fragen
Rüstungen, die Pferde mit schweren farbigen Seidendecken be¬
sie nicht was später werden soll. Er schwarmt nicht für die so¬
hängt. Hierzu der König mit seinem Gefolge, die Ritter unde genannten, interessanten, sondern nur für die angenehmen Frauen
Damen auf besonderen Tribünen, ferner ein unabschbares Ge= und die Modistin bietet ihm alles, wonach er Verlangen trägt.
wimmel von Mannschaften, Knechten. Pagen, Hofnarren, Leuten Sie selbst zwitschert wie ein Kanarienvogel und denkt nicht daran