II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 227

Liebele
5. L-1 box 10/3
Berliner Börsen=Zeitung Nr. 59.
mehr Leben gegeben. Die Scenerie entbehrte jeder
einen
ergeben, so hätte das Schicksal trotz allem bösen
cher¬
Stimmung: Das Schillertheater (Parquet: 1 Mk.!)
Willen sie nicht Herrn Sidney Masters finden lassen.
hat im vorigen Jahre dem Kleistschen Lustspiel
sein
Denn sie trafen sich in einem vegetarischen Speisehaus
ein Interieur geschaffen, das nach einem Genrestück
it zu
in Oxfordstreet und ließen die Behauptung der
der Niederländischen Schule copirt zu sein schien.
im
Verfechter der Pflanzenkost, daß die letztere den
Auch hat man dort den Kleist nicht so grausom ge
aben.
Menschen ruhig und überlegt mache und den
kürzt und ein flotteres Tempo genommen. — Die
ab¬
Flammen der Leidenschaft keine Nahrung zuführe,
Zusammenkoppelung: „Zerbrochener Krug“ und
ilung
gründlich zu Schanden werden. Er stellte sich bei der
„Liebelei“ zeugt übrigens nicht von einem sehr wähle¬
Bohnensuppe selbst vor und war beim Grünkohl bis
rischen Geschmack!
in die Ohren in sie verliebt. Er sagte, daß er Jung¬
P. Ln.
geselle sei und bei einer ebenso alten wie reichen, also
ine¬
doppelt verehrungswürdigen Tante lebe, und sie im
Im Lessing=Theater wird „Comtesse Guckerl“
festen Vertrauen darauf, daß Pflanzenkost den Menschen
am nächsten Sonntag als Nachmittags=Vorstellung
ittels
nicht nur körperlich, sondern auch sittlich gesund er¬
ends
zu ermäßigten Preisen zur Aufführung gelangen. Der
halte, glaubte Alles, selbst die alte reiche Tante, die
Vorverkauf für diese Vorstellung findet ohne Berech¬
bekanntlich nie existirt, sondern nur ein Fabelwesen ist.
nung von Vormerkgebühren täglich an der Vormittags¬
Nier
Das war im August, und schon im September machte
kasse statt.
er seinen formellen Antrag, den er durch einen hübschen
Im Friedrich=Wilhelmstädtischen Theater
ir die
Brillantring unterstützte. Letzterer vermochte zwar nicht
hat „Der Hungerleider“ bis jetzt sters volle Häuser
iner
die Zufriedenheit von Frl. Hutley, genannt Lutina, zu
erzielt. Für Herrn Hamm, den Darsteller der Titel¬
därti¬
erringen, da sie von einem veritablen Verlobungsring
rolle, haben die Autoren ein neues Couplet geschaffen,
voraussetzte, daß die Steine in Form zweier Herzen
Bild¬
das Herr Han n in der morgenden Vorstellung zum
angeordnet seien. Eine bange Ahnung sagte ihr,
ligen.
ersten Maie singen wird.
daß man mit einem Ring, wie dem von Masters ge¬
schenkten, sich zwar verloben, aber nimmermehr ver¬
uppe:
Im Central=Theater hat gestern bei voll¬
heirathen könne. Da er aber in Zukunft durch andere
chauß
ständig ausverkauftem Hause die 150. Aufführung der
angemessene Geschenke den Beweis zu erbringen ver¬

Repertoireposse „Eine tolle Nacht“ stattgefunden. Das
ette, suchte, daß er sie und ihre Vorzüge zu würdigen wisse,
Publicum bereitete dem Director, den Darstellern, den
= beruhigten sich ihre Bedenken und — es ging, wie es
Antoren und dem Capellmeister Ovationen in Hülle
in solchen Fällen recht häufig zu gehen pflegt. Veie
und Fülle.
sie dann eines Tages krank darniederlag, besuchte er
Die Andrausche Vandeville=Posse „Madame
sie theilnahmsvoll und da er ihre Ringe auf ihrem
Suzette“ begeht am Freitag im Adolph Ernst¬
Nachtkasten unbehütet sah, nahm er sie an sich und —
Theater das Jubiläum der 75. Aufführung.
versetzte sie für 50 Pfd. Sterl. Die arme Miß Hutley
sollte nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Ge¬
hnen:
Hans Oldens neues fünfactiges Schauspiel
schmeide für immer einbüßen. Nach einiger Zeit
von
„Helene“ ist von Herrn Intendanten Prasch für das
eine
erhielt sie einen Brief von Masters, worin er für
Berliner Theater, sowie von Herrn Angelo Neumann
immer Lebewohl sagte, da er nach Afrika ginge; denn
inder.
für das Deutsche Landes=Theater in Prag zur Auf¬
er habe eingesehen, daß sie beide mit einander
nden.
nicht glücklich werden könnten. Wie sie das las,
malt,
Das Philharmonische Orchester veranstaltet
ngel¬
fiel sie in Ohnmacht und zwar, obwohl sie in der
Bild
Provinz erste Rolle spielte, in eine echte oder doch so
heute einen Beethoven=Abend. Zur Aufführung ge¬
langen: Pastorale, Sinfonie D-dur, Serenade für
ein
naturalistisch gespielte, daß sie sich einen Arm und ein
Violine, Bratsche und Cello, Ouverturen „Coriolan“
un¬
Bein brach und neun Monate im Spital liegen mußte.
und „Fidelio“, Fuge aus dem C-dur-Quartett.
Als sie wieder hergestellt war, forschte sie ein wenig
Lusch¬
nach dem Verbleib des Treulosen und erfuhr, daß er
Heute Abend 7½ Uhr findet im Saal Bech¬
in Chiswick lebe, verheirathet und Vater von vier
ings¬
stein das Concert von Helene Opitz und Didric.
Kindern sei. Von einer alten reichen Tante war weit
tritt
Ostemann und in der Singakademie, 8 Uhr, der
und breit keine Spur. Da griff sie zur letzten Zuflucht
dem
Liederabend von Edith Bagg unte Mitwirkung von
getäuschter Herzen, sie brachte die Klage wegen Bruchs
bräu,
Walther Bachmann, Pianist, statt.
des Eheversprechens ein. Sie erzählte dem aufmerk¬
sam lauschenden Richter den Roman ihres Herzens in
ürdig
Im Verlage von Karl Köhler (Charlottenburg)
epischer Breite, ohne dabei langweilig zu werden, und
d des
hat der als Componist flotter Tänze und Chansons
brachte als Zeugen nun ihren Arzt und den Brief
s be¬
hier schon seit längerer Zeit vortheilhaft bekannte Capell¬
mit, in dem Masters ihr blutenden Herzens Lebewohl
unister des Apollo=Theaters, Herr Paul Lincke, einen
sagt, weil er sich ihrer nicht würdig fühle. Das
Venus=Walzer, eine Polka (die „Polka=Freun¬
genügte dem Richter und er sprach ihr eine Ent¬
din“ betitelt) und einen Apollo=Marsch erscheinen
schädigung von 8000 Mk. zu.
lassen. Alle drei Compositionen können in ihrer
oceß
frischen, ungesuchten Melodik als eine angenehme Be¬
slau
reicherung des modernen Tanz=Repertoirs gelten und
weiter
werden daher unserer clavierspielenden Welt eine will¬
Kunst und Wissenschaft.
kommene Beute sein. Ein ganz besonders glücklichen
Deutsches Theater. Dienstag, den 4. Fe¬
Wurf hat Herr Lincke mit der obigen Polka gethan,
hatte
4
bruar. Neu einstudirt: „Der zerbrochene Krug.
ischen
in deren kecken Rhythmen in der That Straußisches
Lustspiel in einem Aufzuge von Heinrich v. Kleist.
1858)
Blut zu pulsiren scheint.
Hierauf zum ersten Male: „Liebelei“. Schau¬
neral¬
— In der Jannar=Sitzung des Vereins der Musik¬
spiel in drei Acten von Arthur Schnitzler. Regie:
Neisse,
Herr Hachmann.
lehrer und Lehrerinnen zu Berlin behandelte Herr
ingen.
William Wolf in einem ausführlichen Vortrag ein bei
Nach schweren Niederlagen endlich wieder ein Sieg
e Ehe¬
früherer Gelegenheit schon kurz von ihm besprochenes
im Deutschen Theater, und ein großer und ehrlich ge¬
ultate
Thema: Eine Umarbeitung des Textes der
wonnener Sieg! Nach jedem Act rief einstimmiger
Frafen
„Zauberflöte“ deren Plan er entworfen und zum
Beifall, den kein Mißton störte, den stattlichen
# von
Theil ausgeführt hat. Hr. W. führte zunächst die
blonden Mann vor die Rampe, der das tragische
üheren
Gründe aus, die eine solche Umarbeitung dringend er¬
Idyll geschrieben, in dem das Ewig=Menschliche
jungs¬
wünscht machen. Diese Gründe drängen sich fast
eine so rührende Sprache spricht. Nächst der „Ju¬
that¬
jedem Hörer auf, sie werden aber durch die einge¬
gend“ hat die moderne Literatur nichts gleich Lieberes
klagte
wurzelte Gewohnheit verschleiert und bei einem
und Ergreifenderes geschrieben, und gleicher Stim¬
ohnes
mungszauber in Gewitterschwüle durchwebt die Scenen, Theil des Publicums, nämlich bei den Frei¬
ig der
da die alte und ewig neue Tragödie vom „Verhältniß“
maurern, auch dadurch abgeschwächt, daß sie in
1887,
der „Zauberflöte“ ein der Freimaurerei gewidmetes
sich abspielt. Und da sich von diesem Schauspiel, das in
wand,
Heiligthum verehren und daher auch die Einzelheiten
seinem Geure fast vollendet dasteht, noch Einiges mehr re¬
ber in
des Textes, selbst die fehlerhaftesten, lieb gewonnen
den läßt, was man füglich um die mitternächtige Stunde
gegen¬
nicht so rasch sagen kann, so möchte ich das morgen thun.
haben. Die großen und bei der Herrlichkeit des musi¬