II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 269

ieb
5. Lasselei
box 10/3
Die Berliner Theatersaison 1895/96.
488
menschliches menschlich, Ueberirdisches irdisch erscheinen kann. Im
Irdischen, Menschlichen, Sinnlichen aber ist diese Gesellschaft, die
unversehrt auch im neuen Theaterjahr zusammenhalten soll,
unvergleichlich und wird sich nur noch selbst übertreffen, wenn
demnächst die beiden lebendigsten Schauspieler des Lessingtheaters,
Sauer und Frau v. Pöllnitz, auf die Nachbarbühne übertreten. Zur
Ergänzung dieser wahren Schutztruppe für modern=realistische
Kunst wären auf anderen Theatern Berlins höchstens noch ein
halbes Dutzend wirklicher Menschendarsteller zu haben. Wenn
diese Wenigen noch hinzuträten, so wäre ein einseitiges Ideal deutscher
Schauspielkunst innerhalb des Weichbildes der Reichshauptstadt
schon jetzt zu erlangen. Auf dem Wege zu diesem Ideal lagen
bereits die Aufführungen von Rosmers „Tedeum“, Schnitzlers
„Liebelei“, Halbes „Lebenswende“, Heimanns „Weiberschreck“, und,
schon am Ziel, die Meistervorstellungen von Hirschfelds „Müttern“
und Hirschfelds dramatischer Studie „Zu Hause“.
Fast alle diese Stücke laufen in der Bahn dessen, was man
neuerdings als Tragikomödie zu bezeichnen pflegt. Diese Dichter
gehn von der Ansicht aus, daß des Lebens ungemischte Freude
keinem Sterblichen zu Theil ward. Aber sie suchen auch nicht das
ungenischte Leid. Gerade auf die Mischung kommt es ihnen an.
In der Mischung selbst, im Quantum der Ingredienzen, sind sie,
#e nach ihrem Stoffe, verschieden. Schnitzler läßt ein lebenslustig
beginnendes Spiel mit Todesernst enden, bei Hirschfeld und Halbe
wird das Glück des Einen durch die Resignation des Andern er¬
kauft, bei Rosmer scheucht zuletzt ein heller Sonnenschein die
Schatten der Lebensnoth. Für diese Art Dichtung hört der Gegen¬
satz von Komisch und Tragisch auf, was freilich keine Erfindung
unserer Revolutionäre ist. Alle echten Humoristen, von Homer
bis Gottfried Keller und Theodor Fontane, dichteten jenseits jenes
Gegensatzes. Nur das deutsche Drama der letzten hundert Jahre,
soweit es den Theatern zugänglich wurde, quälte sich, durch Schillers
Pathos einerseits, durch die Sottise der Bretterfabeikanten andrer¬
seits verführt, an jenem Gegensatz ab. Reine Trauerspiele und
reine Lustspiele wird es nach wie vor, wird es geben, so lang'
auf der Welt auch nur für kurze Stunden die Brust des Menschen
ganz voller Trauer ist oder ganz voller Lust. Aber noch gewöhn¬
licher ist es, daß aus ein und demselben Auge die bittre wie
die süße Thräne quillt. Daher werden sich nicht an jenen Gegen¬
satz, sondern an diese Mischung vornehmlich solche Dichter halten,
ers
gute Peter Kron mit
Tedeum aufführen will
rigkeiten dazu kommt. 2
werden von Andern üb
und ist Kind geblieben
wirklichen Welt kennt