II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 278

al
Liebelei
3. B4
heatersaison 1895/96.
sht, die verstimmt, und giebt seiner
ie Unsicherheit. „Das Glück im
Stoff wie Ibsens „Frau vom Meere“
Mitterwurzer mitspielt, gewiß ein
seinen Eindruck nicht verfehlt. Wer
wird immer bedächtiger den Kopf
daß Wirklichkeit und Wirkung nicht
ander fortwährend im Wege stehn.
gleichlich stärkern Erfolg hatte, als
keere“, die unvergleichlich tiefer und
ringt, so beweist das nur, wie viel
blikum äußere Wirkung im Werth
udermann, dieser wichtige Etappen¬
wicklung, braucht weder nach rechts
h nach links hin den Naturalisten
hut, ist ein weiseres und andächtigeres
Pulsschlag der menschlichen Herzen,
mTheatereffekt wird. Er hält den
b die Uhr, aber er zählt meistens
richtigen Pulsfühlens, nicht das
interessiren. Wäre unsre Hofbühne
men, unmittelbar nach „dem Glück
vom Meere“ auf ihr Repertoir zu
s deutsche Epigonenstück ein Schlüssel
hen „Mysteriums“ geworden, ein
dunklen Pforte vielleicht zerbrochen
Lessingtheater müssen wir wieder
heater suchen, wenn wir bei den
Saison bleiben wollen. Und hier,
tte des Alltagsrealismus, dürfen wir
sche Land erheben. Die Verbindung
promittirend, Ludwig Fulda her.
fall, der Gottfried Kellers würdig
wyler schrieb. Berlin W. wird auf
lagen. Unsre zweibeinigen Kultur¬
m Boden, ein Wildling aber aus
ächst mächtig hervor. Kommerzien¬
hnen Umsturz gegen Recht, Sitte,
Proletarier unter der kleinen Insel¬
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Die Berliner Theatersaison 1895/96.
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gemeinschaft hergestellt hat. Es wird also bei Fulda etwas ver¬
kehrte Welt gespielt Unsre sittlich n und sozialen Zustände werden
durch Kontrast beleuchtet. Schon im Kontrast liegt Komik. Aber
da Fulda den Kontrast nicht ernst gerug genommen hat, versagt auch
die Komik. Fulda hoffte tändelnd, tängelnd dieses Ziel zu erreichen,
und der gewaltige Stoff schlug seinen Bearbeiter, der eine zu
dürftige Phantasie daran gewendet hatte und ihm mit Theater¬
mittelchen beizukommen vermeinte. Der sonst so feine und geist¬
reiche Dichter hätte bei mehr Selbstkritik diese schwächliche Arbeit
bei Seite legen sollen, früher bei Seite legen sollen, als es das
Publikum thai.
Ungleich respektabler steht Adolf Wilbrandt mit „dem
Meister von Palmyra“ da, obgleich auch seine Kraft das hohe
Ziel nicht erreichte. Wilbrandt rührt an die Urfrage alles Seins,
an die Frage um Tod und Leben. Der Meister von Palmyra,
erfolgreich als Feldherr wie als Künstler, will ewig leben. Von
überirdischen Mächten wird ihm dieser Wunsch gewährt, bis dem
einstigen Günstling des Glückes das Dasein zur Last wird und er
selber den Tod zur Erlösung herbeiruft: ein Ahasverus, der aber
nicht den unsterblichen Fluch einer Schuld trägt, sondern der von
edler Geisteshöhe herab am eignen Schicksal erkennen muß, daß
der Werth des Daseins nicht in der Dauerhaftigkeit eines Einzel¬
wesens liegt, sondern gleichsam von Seele zu Seele wandert, und
daß der besondre Mensch nur als nothwendiges Glied einer un¬
endlichen Kette Geltung hat. Dieser Gedanke ist zugleich flach
und tief. Die künstlerische Ausgestaltung hat zwischen beiden die
Wahl. Wilbrandt hält sich ungefähr in der Mitte zwischen tief
und flach. Dem Meister von Palmyra, dem fünf Menschenalter
beschieden sind, um an der eignen Person seinen Irrthum zu er¬
kennen, steht en fünfeiniges Frauenwesen gegenüber, das fünfmal
stirbt und sich fünfmal erneut. Während der Meister selbst ein theo¬
retischer Begriff geblieben ist, hat der Dichter dieser von Körper
zu Körper wandernden Seele viele menschlichen Reize gegeben.
Während der durch die Ereignisse schreitende Geist des Todes eine
spekulative Allegorie geblieben ist, wirken diese fünf Erscheinungen
ein und desselben Wesens, diese Symbole des ewigen Kreislaufs
von Werden und Vergehn, fast alle real innerhalb eines gehobnen
Stiles, den die schöne Verssprache bezeichnet. Da Agnes Sorma
dieser Fünfeinigkeit liebliche Gestalten lieh, so ließ sich unser Publikum
durch das Mittelmaß der edel und wirksam vorgetragnen Weisheit