II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 290

Liebelei
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Die Berliner Theatersaison 1895/96.
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wurden mit dem eiteln Abschiedsgastspiel des Virtuosen und
Reklamekünstlers Friedrich Haase hingetrödelt. Vorher wie
nachher starben noch halb im Mutterleib völlig unmögliche
Leistungen, wie Schumacher=Malkowskys „Hungerloos“. Der
Erfolg des Herrn Skowronnek gereicht dem Hoftheater mehr zum
pekuniären als geistigen Vortheil, und vergebens fragt man nach
dem Einfluß jenes literarischen Beiraths, der vor Jahresfrist unter
namhaftester und kompetentester Führung eingerichtet wurde. Dieser
Beirath dient wohl nur, um abgelehnten Autoren ein schick¬
liches Trosteswort zu spenden. Denn für die aufgeführten Stücke
und für die ganze Zusammensetzung des Repertoirs kann der
Vorsitzende des Lesecomités, Professor Erich Schmidt, unmöglich
die Verantwortlichkeit tragen. An die Lebrunschen Zeiten des Wallner¬
theaters, aus dem u. A. L'Arronges, „Doktor Klaus“ siegessicher
zur Hofbühne übergegangen ist, erinnert auch der Entschluß, in einem
Biergarten im Thiergarten eine Filiale aufzuthun. Es giebt jetzt
auch königliche Schauspiele bei Kroll, und wenn das brauchbare
Künstlerpersonal für zwei Bühnen an einem Abende nicht ausreicht,
so werden hüben wie drüben aus unbrauchbarem Künstlerpersonale
die Lücken gestopft. Diese Methode hat einst den armen Direktor
Lebrun an den Rand auch des materiellen Abgrunds geführt.
Künstlerisch hat sie sein Theater vernichtet. Vestigia terreant! Wenn
schon die subventionslosen Privatdirektionen mit allem Fleiß und
Schweiß drauf bedacht sein müssen, ihren ungeheuren Ausgaben¬
etat zu decken und so das Theaterunternehmen auf die blanke
Geschäftsseite zu legen, so wird für das Kunstinstitut des Kaisers
die Parole umso dringlicher: Noblesse oblige! Diese Noblesse aber
verpflichtet nicht zur Abführung von Sümmchen ans Hausmini¬
sterium, sondern zur Pflege der nicht geschäftlichen Kunst und zur
ästhetischen Erziehung des reichshauptstädtischen Publikums.
Ich könnte namentlich aus dem überreichen Repertoir des
Lessingtheaters noch dies oder jenes, auch von ganz bekannten Autoren
wie Paul Lindau, Felix Philippi, Fedor v. Zobeltitz, erwähnen.
Auch im Neuen Theater, dessen beste diesjährige Leistungen die Gast¬
spiele der Wiener Burgtheatergrößen Baumeister und Sonnen¬
thal sowie die Chansonetten der Judic waren, hat sich manch ein
strebsamer Autor versucht. Aber — diese Todten ruhen so sanft. Wir
wollen sie nicht wecken.