II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 291

Liebelei
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Die Kritik
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Berliner Premièren.

Arthur Schnitzler: Liebelei.
Bodör, ein wohlhabender junger Wiener, Student der Rechte, Reserveoffizier
in einem Dragoner=Regiment; sie, die Tochter eines kleinbürgerlichen
Musikers. Auf seiner Seite Liebelei, auf ihrer Liebe; er fällt im Duell um
eines verheiratheten Weibes willen. Diese einfache Geschichte, wie sie des
öfteren sich ereignet, nicht erst aus den. Gestern geboren und sich immer
ziemlich gleich, ist die Fabel der jüngsten Première des Deutschen
Theaters.
Ich habe den Inhalt des dreiaktigen Stückes*) absichtlich, so kurz zu¬
sammengefaßt, nur mit den paar Worten wiedergegeben; denn je einfacher,
schlichter und alltäglicher der Stoff ist, um so größere Anerkennung gebührt
dem Gestalter desselben für eine der feinsinnigsten, lebenswärmsten und wir¬
kungsvollsten Dichtungen unserer neueren Litteratur.
Ueber Schnitzler's „Liebelei“ — der Titel ist mir etwas zu leicht und
seicht — leuchten drei Sterne: die Gretchentragödie, Kabale und Liebe und
Jugend. Nicht als ob irgend eine Entlehnung stattgefunden hätte, oder wir an
eine der drei Dichtungen gewaltsam gemahnt würden, aber der frische
Blüthenduft junger sittlicher Liebe und das dunkle Todesstimmungsrauschen
sühnender Vergeltung und Strafe durchwehen auch diese Dichtung.
Die Handlung des Stückes ist äußerst einfach und klar und zugleich
aufs liebevollste in Einzelheiten durchgeführt; trotzdem kein unnütz wuchernd
Rankwerk, welches in eng= und kleinmaschigen Umschlingungen den Stamm
verdeckt und zu ersticken droht; fast kein Wort zu viel und keines zu wenig.
Der erste Akt in Fritz Lobheimers elegant behaglicher Junggesellen¬
behausung giebt in scharfen, knappen Zügen eine musterhafte Exposition. Der
Versuch des Freundes, ihn aus dem Bannkreise einer „interessanten“ Frau
zu befreien, indem er ihm die Bekanntschaft mit der Freundin seiner zeitigen
kleinen Geliebten vermittelt; das lustig=melancholische Souper à quatre, die
Katastrophe der Liebestragödie durch das Erscheinen des Rechenschaft for¬
dernden Gatten, schließlich das Scheiden der drei Gäste: des heiteren
*) Arthur Schnitzler: Liebelei. Schauspiel. Berlin, S. Fischers Verlag, 1896.