Nr. 8.
Gegenwart.
fort¬
Dramatische Aufführungen.
lten
doch
Liebelei. Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
ten¬
(Deutsches Theater. — Der Thron seiner Väter. Lustspiel in vier
icht
Hötel zum
Akten von Fedor v. Zobeltitz. (Lessing=Theater.)
en!
Freihafen. Schwank in drei Akten von G. Feydeau. Residenz¬
sitt¬
Theater.)
en.
dig
Bereits in einer Einakterfolge „Anatol“, davon Reicher vor drei
den
oder vier Jahren den Berlinern ein Häppchen zu kosten gab, hat Arthur;
sern
Schnitzler die Poesie des modernen Wiener Cavalierthums bunt und
zu
graziös aufblühen lassen. Es waren das hübsch schillernde Sächelchen,
sge¬
erfüllt von jenem frechen und zugleich seinen Humor, der den Donau¬
rufe
phäaken eigen ist, wenn sie über ihr Verhältniß zum Weibe philosophiren,
den
ein Humor, der von asiatischen Elementen so wenig frei ist wie von
fort
decadenter Gedankenblässe. Die Haupt=Typen aus dem „Anatol“, den
ihre
leichtfertigen Bummellebemann, der es wirklich nicht bös meint, und
des
das gutgewachsene Wiener Vorstadibalg hat Schnitzler auch in sein neues,
am Deutschen Theater mit Erfolg gegebenes Schauspiel hinübergenommen,
Die
ja, er hat sie „wörtlich abgeschrieben“. Doch siegte er nicht Dank ihnen,
den
sondern Dank der armen, kleinen Christine, dem süßen, stillen Ge¬
hiet
schöpfe, das die erste Liebe so unnennbar selig macht und das noth¬
auf¬
wendig zu Grunde gehen muß, sobald sie erkennt, daß der Liebste nicht
gen
ihr allein gehört und einer Andern mehr als ihr zu opfern im Stande
ähe¬
Dandet wußte solche Mädchenblumen mit köstlicher, mit reifer und
ist.
ein¬
doch keuscher Kunst zu zeichnen; von ihm hat Herr Schnitzler mehr als
11
von der Wirklichkeit, der laut gepriesenen I, gelernt.
urf
Ter Vorgang, um den sich das Blüthengewinde seelischer Schilde¬
rungen rautt, ist einfach genug. Herr Fritz, dem es an Geld und Zeit¬
Dr.
nicht mangelt, amüsirt sich mit dem Töchterchen eines alten Theater¬
chen
musicus: erst hatte er nur ganz flüchtiges Getändel im Sinne, aber
ns¬
allmälig, als er die Reinheit und die rührende, innere Lieblichkeit des
ver¬
Mädchens aus dem Volke erkennt, als er die Süße ihrer jungfräulichen
rn,
eidenschaft kostet, fesselt es ihn enger an sie. Er ist in der weichen
gs¬
Sumpfluft dieser leichtfertigen Stadt Wien aufgewachsen, die, ob sie gleich von
en!
politischen und socialen Kämpfen wilder als irgend eine andere Groß=
stadt der alten Welt zerrüttet wird, noch immer als das Paradies lebens¬
lustiger junger Leute der Gesellschaft gelten darf. Sein Vergnügen war
eine
ihm allweil höchstes Gesetz: wie dem wackeren Heinrich Heine genügte
ihm, um etwaige moralische Katerideen niederzuschlagen, ungefähr das
#uch
Bewußtsein, nirgendwo der Erste gewesen zu sein. Denn die jungen
Leute Wiens ähneln nicht im Geringsten dem Gajus Cäsar. Währends
er Christine caressirt, hängt er noch, widerwillig zwar und voller Be¬?
denken, in den Banden einer stolzen Ehefrau. Sein persönliches Peche
will es, daß der Gebieter des schönen Dämuns hinter das G’spusi#—
Skommt und ihn im Duell niederknallt. Christine, die die Gewißheit des
Todes ihres Geliebten und die Gewißheit, daß er sie getäuscht und
verraten hat, nicht ertragen kann, stürzt sich aus dem Fenster ihrer
Dachstube.
Es giebt einen dramatisch unsemein wirksamen Augenblick ein dem
as,
Stücke, das ist die Scene, in der der betrogene Ehemann in die aus¬
gelassene kindisch=frivole Lustigkeit der vergnügten jungen Leut' ein¬
ier,
bricht, finster, drohend und doch vollendet vornehm die Nemesis im
ich
modischen Gewand des Gentlemans aus der Inneren Stadt. Daß dieser
inn
Auftritt einen so starken Effect hervorbrachte, dies auf der Bühne un¬
Ein
säglich oft dagewesene, persönliche Eingreifen des rachesuchenden Gemahls,
liefert einen starken Beweis für Schnitzler's theatralische Begabung, für
in:
sein Vermögen, durch das kunstvolle Betonen und Entwickeln der be¬
tellt
gleitenden Umstände Alltägliches bedeutsam, groß, tragisch zu machen.
Wenn es ein Programm und ein Ziel des Realismus in der Literatur
anz
giebt, dann liegt es in dieser Forderung umschlossen.
ers
Zum Erstaunen fein ist die Kunst des Antors, Christinens Liebe
und ihr verborgenes Glück von immer neuen Seiten zu beleuchten, das
ine
Treiben und Wollen aller Anderen ausschließlich zur Erklärung und
Entfaltung ihres Charakters zu benutzen. Der Verfasser des „Anatol“
elt.
ist ein viel zu wienerisch=wiziger Kopf, als daß er sich damit begnügen
zer
könnte, nur Dichter zu sein, sich ganz der Seelensynthese zu widmen.
Er geistreichelt etwas Erkleckliches zusammen und philosophirt wie ein
vir
Dumas vom Alsergrund, aber sehr geschickt sind diese Apereus und
Bonmots dahin gestellt, wo die innere Handlung Ruhepunkte verlangt.
abt
So entrollt sich langsam, in gedämpften Farben und matten Tönen,
dabei doch voll Frische und Lebenswahrheit, das Schicksal der kleinen,
iß!
stillen Vorstadtprinzessin. Das Frühlingsglück, das ihr geworden, ihre
uneingestandene Furcht, es müsse vergehen, wie es gekommen ist, alle
n:
die lieben Schmerzen und Freuden magdlicher Leidenschaft; dann der
vir
aufkeimende Argwohn, die wachsende Angst und schließlich, als Alles ent¬
schieden ist, das Erwachen der schweigsamen Aengstlichen, die nun plötz¬
nit
lich erschütternde Worte für ihr Weh findet und volle Klarheit über ihr
hlt
zertrümmertes Leben — das ist mit Dichterhand geschaffen, mit Dichter¬
sinnen ausgedacht. Holdseligste, allerpersönlichste Lyrik vergoldet dies
Trauerspiel, das doch in reifer Objectivität, ein rundes Kunstwerk,
seinesgleichen unter den Schöpsungen der Jüngeren sucht.
Schnitzlers Begabung allzu hoch anzuschlagen und ihm eine rasch
aufsteigende, künstlerische Laufbahn zu prognostieiren, wäre bei alledem
vom Uebel. Die „Liebelei“ bringt eigentlich nur eine originale und
dementsprechend auch ursprünglich wirkende Figur: den Vater Christinens,
Nr. 8.
Die Gegenwart
den morschgewordenen Alten, der so viel von des Lebens Bitternissen
heiten, von
erfahren hat, daß er seinem zärtlich geliebten Kinde das bischen Jugendglück
kaum ein
nicht mißgönnen mag, es ihr in seiner Schwäche und Haltlosigkeit auch
Beziehung
nicht verwehren könnte. Den übrigen Personen des Stückes sind wir
aus dem #
ausnahmslos schon begegnet, wenn nicht bei andern Dichtern, so doch
läßt sich vo
bei Schnitzler selbst. Er gewinnt ihrem Wesen auch keine neuen Seiten
im „Hôtel
ab, seine Eigenart erschöpft sich in der lievevollen, eist= und poesie¬
lbstv
reichen Schilderung des Zuständlichen. Er ist kein Zeichner, er ist ein
Maler. Ganz zweifellos hätte er seinem Stoffe machtvollere, ergreifendere
Conflicte entwachsen lassen können, aber über gefährliche Tiefen gleitet
er, der sich der Grenzen seines Könnens wohl bewußt ist, mit leichtem,
weltmännischem Lächeln fort. Rauheiten und Roheiten, die der große
Seelenkünder nicht hätte vermeiden dürfen, tauchen in diesem Liede aus
Moll nirgends auf; nur ihre Gespenster schauen manchmal secundenlang
hinein. —
Hoffnungen an das Erstlingswerk eines Autors zu knüpfen, der
nicht gleich einen scharfgeschnittenen Charakterkopf und das Gepräge ur¬
eigensten Geistes zeigt, ist ohnehin ein gefährliches Unterfangen. Welche
Erwartungen hefteten sich nicht an den ersten Schritt, den Fedor
v. Zobeltitz auf die Bretter that! Freilich war er kein junger Mann mehr,
als er sein „Ohne Geläut“ aufführen ließ, freilich hatte er sich schon
in Familienblättern und andern Talentmordanstalten einigermaßen aus¬
geschrieben, aber dennoch verdiente sein Wurf hohen Respect — wenn
auch nicht achtzehn Augen, so lagen doch sicher über zwölf da! Leider
wurde das Stück, das neben dem Premièren=Erfolg eine ziemlich gute
Presse gehabt hatte, mit einer Fixigkeit wieder abgesetzt, die überall
sonst, nur im Lessing=Theater nicht, verblüfft hätte. Und Herr
von Zobeltitz war geneigt, an dem materiellen Mißerfolge weniger dem
bei fremden Autoren allzu ungeduldigen Herrn Director als sich selber
Schuld zu geben.
So schied er denn vom literarischen Schauspiel, und schrieb eine
Lustspiel genannte Posse. Aber die Moser und Schönthan sind Kerle
von einer ganz eigenen Rasse; wer's ihnen nachmachen will, muß mit
Kotzebue näher verwandt sein als es der Verfasser des „Thrones seiner
Väter“ ist. Und auch diese nahe Verwandtschaft mit Kotzebue ist eine
Gottesgabe. Wer die fingerfertige Possentechnik nicht mit auf die Welt
bringt, der kriegt sie nie. Herr v. Zobeltitz hat im Schweiße seines An¬
gesichtes zwei nicht üble Akte ausgetüftelt und hat so lange an ihnen
herumgefeilt, bis sie, oberflächlich betrachtet, die lüderliche Gewandtheit
seiner Vorbilder ganz gut imitirten. Dann jedoch ging ihm der Athem
aus und das um so mehr, als er durchaus den Abend füllen und vier
Aufzüge liefern wollte. Die Mär von Christian XXVIII., Graf von
Hegenau=Samst, der auch Freiherr von Brasewitz und zur Linden ist,
läßt sich deßhalb Anfangs ganz ersteulich an. Für den jungen Erb¬
herrn, den der Tod des ehrwürdigen Monarchen von Hegenau zur
Thronfolge beruft, handelt es sich darum, ob er wirklich Jemand von
Gottes Gnaden werden oder lieber der Souveränität en
und sein
Trudchen, die bloß Comtesse ist beirathen wille
rdas
Heerscheramt antritt, ist Trudchen ihm uuehenhüf
d er
kann sie höchstens zur linken Hand heirathen,
irchaus nich
der in seiner Art auch stolz
dingung zugeben wird. Christian XXVIIIen
und läßt die Krone fahren, und das ist u
als im letzten Akte ohnehin ein Telegramn
Preußen Hegenau annectirt hat. Der Geisteskampf des
Thronerben, der Scepter und Trauring abwägt, wird mit gute
durchgesochten, und von wirklicher Komit erfüllt ist die Scene, in der C
stian sich des Anblicks eines echten zukünftigen Unterthanen erfreuen
darf: seines neuen Burschen, der daheim dem Schlächtergewerbe obliegt.
Da sich um den Thron Hegenau's wie um Lippe zwei Linien zanken,
da sich zahlreiche Schmarotzer, Streber und Kleber, hastig an den neuen
Fürsten herandrängen, da ferner das gesammte Officiercorps die bevor¬
stehende Duodezallmacht des guten Kameraden freundschaftlichst ironisirt,
Christian sogar selber Bedeutendes in der Verspottung seiner neuen
Würde leistet, so ergiebt sich allerhand witzelndes, liberales Geplauder,
das man im Parkett gern anhörte, so seicht es war und so wenig funkel¬
nagelnen die Scherze anmuteten. Doch reichte entweder die satirische
Kraft des Autors nicht hin den Gegenstand behend genug zu wenden,
oder der Stoff war wirklich nicht ausgiebig genug — kurz und gut, Herr
v. Zobeltitz sah sich genöthigt, im weiteren Verlauf der Sache weder
kurz noch gut zu sein. Einigermaßen amüsant darf vielleicht noch die
derbe Verspottung der Friedensliga und ihrer ältlichen Vorsitzenden ge¬
nannt werden, die sich im Garnisonstädtchen aufgethan hat und Chri¬
stian XXVIII., der ganze 28 Mann Contingent stellen muß, in beweg¬
lichen Worten den Segen sofortiger Abrüstung darlegt. Was aber
sonst noch an komischen Sitnationen im Stücke vorkommt, bringt den
Zuhörer in die verzwe####e Situation; eine mehrfach gestörte Whist¬
#r schließlich in den Stall getrieben werden,
partie, deren Theilr
und zwei trübselige ? utpaare — außer Christian und Trude — sind
mir noch in besonders unangenehmer Erinnerung.
Das Residenz=Theater hat mit seinem neuesten Schwanke, dem
„Hôtel zum Freihafen“ aus der verwegenen Feder Georges Feydeau's,
beträchtlich mehr Glück gehabt. Feydeau ist berufen, den alternden Bisson
abzulösen, obgleich er nicht entfernt über die satirische Kraft des Mannes
der Familie Pont=Biquet verfügt; er sucht ihn und alle Vorgänger durch
Hanlonkomik wildester Art zu übertrumpfen. Auch durch sexuelle Frech¬
sch
bloß
geben, de
Zügen al
ings m
Gegenwart.
fort¬
Dramatische Aufführungen.
lten
doch
Liebelei. Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
ten¬
(Deutsches Theater. — Der Thron seiner Väter. Lustspiel in vier
icht
Hötel zum
Akten von Fedor v. Zobeltitz. (Lessing=Theater.)
en!
Freihafen. Schwank in drei Akten von G. Feydeau. Residenz¬
sitt¬
Theater.)
en.
dig
Bereits in einer Einakterfolge „Anatol“, davon Reicher vor drei
den
oder vier Jahren den Berlinern ein Häppchen zu kosten gab, hat Arthur;
sern
Schnitzler die Poesie des modernen Wiener Cavalierthums bunt und
zu
graziös aufblühen lassen. Es waren das hübsch schillernde Sächelchen,
sge¬
erfüllt von jenem frechen und zugleich seinen Humor, der den Donau¬
rufe
phäaken eigen ist, wenn sie über ihr Verhältniß zum Weibe philosophiren,
den
ein Humor, der von asiatischen Elementen so wenig frei ist wie von
fort
decadenter Gedankenblässe. Die Haupt=Typen aus dem „Anatol“, den
ihre
leichtfertigen Bummellebemann, der es wirklich nicht bös meint, und
des
das gutgewachsene Wiener Vorstadibalg hat Schnitzler auch in sein neues,
am Deutschen Theater mit Erfolg gegebenes Schauspiel hinübergenommen,
Die
ja, er hat sie „wörtlich abgeschrieben“. Doch siegte er nicht Dank ihnen,
den
sondern Dank der armen, kleinen Christine, dem süßen, stillen Ge¬
hiet
schöpfe, das die erste Liebe so unnennbar selig macht und das noth¬
auf¬
wendig zu Grunde gehen muß, sobald sie erkennt, daß der Liebste nicht
gen
ihr allein gehört und einer Andern mehr als ihr zu opfern im Stande
ähe¬
Dandet wußte solche Mädchenblumen mit köstlicher, mit reifer und
ist.
ein¬
doch keuscher Kunst zu zeichnen; von ihm hat Herr Schnitzler mehr als
11
von der Wirklichkeit, der laut gepriesenen I, gelernt.
urf
Ter Vorgang, um den sich das Blüthengewinde seelischer Schilde¬
rungen rautt, ist einfach genug. Herr Fritz, dem es an Geld und Zeit¬
Dr.
nicht mangelt, amüsirt sich mit dem Töchterchen eines alten Theater¬
chen
musicus: erst hatte er nur ganz flüchtiges Getändel im Sinne, aber
ns¬
allmälig, als er die Reinheit und die rührende, innere Lieblichkeit des
ver¬
Mädchens aus dem Volke erkennt, als er die Süße ihrer jungfräulichen
rn,
eidenschaft kostet, fesselt es ihn enger an sie. Er ist in der weichen
gs¬
Sumpfluft dieser leichtfertigen Stadt Wien aufgewachsen, die, ob sie gleich von
en!
politischen und socialen Kämpfen wilder als irgend eine andere Groß=
stadt der alten Welt zerrüttet wird, noch immer als das Paradies lebens¬
lustiger junger Leute der Gesellschaft gelten darf. Sein Vergnügen war
eine
ihm allweil höchstes Gesetz: wie dem wackeren Heinrich Heine genügte
ihm, um etwaige moralische Katerideen niederzuschlagen, ungefähr das
#uch
Bewußtsein, nirgendwo der Erste gewesen zu sein. Denn die jungen
Leute Wiens ähneln nicht im Geringsten dem Gajus Cäsar. Währends
er Christine caressirt, hängt er noch, widerwillig zwar und voller Be¬?
denken, in den Banden einer stolzen Ehefrau. Sein persönliches Peche
will es, daß der Gebieter des schönen Dämuns hinter das G’spusi#—
Skommt und ihn im Duell niederknallt. Christine, die die Gewißheit des
Todes ihres Geliebten und die Gewißheit, daß er sie getäuscht und
verraten hat, nicht ertragen kann, stürzt sich aus dem Fenster ihrer
Dachstube.
Es giebt einen dramatisch unsemein wirksamen Augenblick ein dem
as,
Stücke, das ist die Scene, in der der betrogene Ehemann in die aus¬
gelassene kindisch=frivole Lustigkeit der vergnügten jungen Leut' ein¬
ier,
bricht, finster, drohend und doch vollendet vornehm die Nemesis im
ich
modischen Gewand des Gentlemans aus der Inneren Stadt. Daß dieser
inn
Auftritt einen so starken Effect hervorbrachte, dies auf der Bühne un¬
Ein
säglich oft dagewesene, persönliche Eingreifen des rachesuchenden Gemahls,
liefert einen starken Beweis für Schnitzler's theatralische Begabung, für
in:
sein Vermögen, durch das kunstvolle Betonen und Entwickeln der be¬
tellt
gleitenden Umstände Alltägliches bedeutsam, groß, tragisch zu machen.
Wenn es ein Programm und ein Ziel des Realismus in der Literatur
anz
giebt, dann liegt es in dieser Forderung umschlossen.
ers
Zum Erstaunen fein ist die Kunst des Antors, Christinens Liebe
und ihr verborgenes Glück von immer neuen Seiten zu beleuchten, das
ine
Treiben und Wollen aller Anderen ausschließlich zur Erklärung und
Entfaltung ihres Charakters zu benutzen. Der Verfasser des „Anatol“
elt.
ist ein viel zu wienerisch=wiziger Kopf, als daß er sich damit begnügen
zer
könnte, nur Dichter zu sein, sich ganz der Seelensynthese zu widmen.
Er geistreichelt etwas Erkleckliches zusammen und philosophirt wie ein
vir
Dumas vom Alsergrund, aber sehr geschickt sind diese Apereus und
Bonmots dahin gestellt, wo die innere Handlung Ruhepunkte verlangt.
abt
So entrollt sich langsam, in gedämpften Farben und matten Tönen,
dabei doch voll Frische und Lebenswahrheit, das Schicksal der kleinen,
iß!
stillen Vorstadtprinzessin. Das Frühlingsglück, das ihr geworden, ihre
uneingestandene Furcht, es müsse vergehen, wie es gekommen ist, alle
n:
die lieben Schmerzen und Freuden magdlicher Leidenschaft; dann der
vir
aufkeimende Argwohn, die wachsende Angst und schließlich, als Alles ent¬
schieden ist, das Erwachen der schweigsamen Aengstlichen, die nun plötz¬
nit
lich erschütternde Worte für ihr Weh findet und volle Klarheit über ihr
hlt
zertrümmertes Leben — das ist mit Dichterhand geschaffen, mit Dichter¬
sinnen ausgedacht. Holdseligste, allerpersönlichste Lyrik vergoldet dies
Trauerspiel, das doch in reifer Objectivität, ein rundes Kunstwerk,
seinesgleichen unter den Schöpsungen der Jüngeren sucht.
Schnitzlers Begabung allzu hoch anzuschlagen und ihm eine rasch
aufsteigende, künstlerische Laufbahn zu prognostieiren, wäre bei alledem
vom Uebel. Die „Liebelei“ bringt eigentlich nur eine originale und
dementsprechend auch ursprünglich wirkende Figur: den Vater Christinens,
Nr. 8.
Die Gegenwart
den morschgewordenen Alten, der so viel von des Lebens Bitternissen
heiten, von
erfahren hat, daß er seinem zärtlich geliebten Kinde das bischen Jugendglück
kaum ein
nicht mißgönnen mag, es ihr in seiner Schwäche und Haltlosigkeit auch
Beziehung
nicht verwehren könnte. Den übrigen Personen des Stückes sind wir
aus dem #
ausnahmslos schon begegnet, wenn nicht bei andern Dichtern, so doch
läßt sich vo
bei Schnitzler selbst. Er gewinnt ihrem Wesen auch keine neuen Seiten
im „Hôtel
ab, seine Eigenart erschöpft sich in der lievevollen, eist= und poesie¬
lbstv
reichen Schilderung des Zuständlichen. Er ist kein Zeichner, er ist ein
Maler. Ganz zweifellos hätte er seinem Stoffe machtvollere, ergreifendere
Conflicte entwachsen lassen können, aber über gefährliche Tiefen gleitet
er, der sich der Grenzen seines Könnens wohl bewußt ist, mit leichtem,
weltmännischem Lächeln fort. Rauheiten und Roheiten, die der große
Seelenkünder nicht hätte vermeiden dürfen, tauchen in diesem Liede aus
Moll nirgends auf; nur ihre Gespenster schauen manchmal secundenlang
hinein. —
Hoffnungen an das Erstlingswerk eines Autors zu knüpfen, der
nicht gleich einen scharfgeschnittenen Charakterkopf und das Gepräge ur¬
eigensten Geistes zeigt, ist ohnehin ein gefährliches Unterfangen. Welche
Erwartungen hefteten sich nicht an den ersten Schritt, den Fedor
v. Zobeltitz auf die Bretter that! Freilich war er kein junger Mann mehr,
als er sein „Ohne Geläut“ aufführen ließ, freilich hatte er sich schon
in Familienblättern und andern Talentmordanstalten einigermaßen aus¬
geschrieben, aber dennoch verdiente sein Wurf hohen Respect — wenn
auch nicht achtzehn Augen, so lagen doch sicher über zwölf da! Leider
wurde das Stück, das neben dem Premièren=Erfolg eine ziemlich gute
Presse gehabt hatte, mit einer Fixigkeit wieder abgesetzt, die überall
sonst, nur im Lessing=Theater nicht, verblüfft hätte. Und Herr
von Zobeltitz war geneigt, an dem materiellen Mißerfolge weniger dem
bei fremden Autoren allzu ungeduldigen Herrn Director als sich selber
Schuld zu geben.
So schied er denn vom literarischen Schauspiel, und schrieb eine
Lustspiel genannte Posse. Aber die Moser und Schönthan sind Kerle
von einer ganz eigenen Rasse; wer's ihnen nachmachen will, muß mit
Kotzebue näher verwandt sein als es der Verfasser des „Thrones seiner
Väter“ ist. Und auch diese nahe Verwandtschaft mit Kotzebue ist eine
Gottesgabe. Wer die fingerfertige Possentechnik nicht mit auf die Welt
bringt, der kriegt sie nie. Herr v. Zobeltitz hat im Schweiße seines An¬
gesichtes zwei nicht üble Akte ausgetüftelt und hat so lange an ihnen
herumgefeilt, bis sie, oberflächlich betrachtet, die lüderliche Gewandtheit
seiner Vorbilder ganz gut imitirten. Dann jedoch ging ihm der Athem
aus und das um so mehr, als er durchaus den Abend füllen und vier
Aufzüge liefern wollte. Die Mär von Christian XXVIII., Graf von
Hegenau=Samst, der auch Freiherr von Brasewitz und zur Linden ist,
läßt sich deßhalb Anfangs ganz ersteulich an. Für den jungen Erb¬
herrn, den der Tod des ehrwürdigen Monarchen von Hegenau zur
Thronfolge beruft, handelt es sich darum, ob er wirklich Jemand von
Gottes Gnaden werden oder lieber der Souveränität en
und sein
Trudchen, die bloß Comtesse ist beirathen wille
rdas
Heerscheramt antritt, ist Trudchen ihm uuehenhüf
d er
kann sie höchstens zur linken Hand heirathen,
irchaus nich
der in seiner Art auch stolz
dingung zugeben wird. Christian XXVIIIen
und läßt die Krone fahren, und das ist u
als im letzten Akte ohnehin ein Telegramn
Preußen Hegenau annectirt hat. Der Geisteskampf des
Thronerben, der Scepter und Trauring abwägt, wird mit gute
durchgesochten, und von wirklicher Komit erfüllt ist die Scene, in der C
stian sich des Anblicks eines echten zukünftigen Unterthanen erfreuen
darf: seines neuen Burschen, der daheim dem Schlächtergewerbe obliegt.
Da sich um den Thron Hegenau's wie um Lippe zwei Linien zanken,
da sich zahlreiche Schmarotzer, Streber und Kleber, hastig an den neuen
Fürsten herandrängen, da ferner das gesammte Officiercorps die bevor¬
stehende Duodezallmacht des guten Kameraden freundschaftlichst ironisirt,
Christian sogar selber Bedeutendes in der Verspottung seiner neuen
Würde leistet, so ergiebt sich allerhand witzelndes, liberales Geplauder,
das man im Parkett gern anhörte, so seicht es war und so wenig funkel¬
nagelnen die Scherze anmuteten. Doch reichte entweder die satirische
Kraft des Autors nicht hin den Gegenstand behend genug zu wenden,
oder der Stoff war wirklich nicht ausgiebig genug — kurz und gut, Herr
v. Zobeltitz sah sich genöthigt, im weiteren Verlauf der Sache weder
kurz noch gut zu sein. Einigermaßen amüsant darf vielleicht noch die
derbe Verspottung der Friedensliga und ihrer ältlichen Vorsitzenden ge¬
nannt werden, die sich im Garnisonstädtchen aufgethan hat und Chri¬
stian XXVIII., der ganze 28 Mann Contingent stellen muß, in beweg¬
lichen Worten den Segen sofortiger Abrüstung darlegt. Was aber
sonst noch an komischen Sitnationen im Stücke vorkommt, bringt den
Zuhörer in die verzwe####e Situation; eine mehrfach gestörte Whist¬
#r schließlich in den Stall getrieben werden,
partie, deren Theilr
und zwei trübselige ? utpaare — außer Christian und Trude — sind
mir noch in besonders unangenehmer Erinnerung.
Das Residenz=Theater hat mit seinem neuesten Schwanke, dem
„Hôtel zum Freihafen“ aus der verwegenen Feder Georges Feydeau's,
beträchtlich mehr Glück gehabt. Feydeau ist berufen, den alternden Bisson
abzulösen, obgleich er nicht entfernt über die satirische Kraft des Mannes
der Familie Pont=Biquet verfügt; er sucht ihn und alle Vorgänger durch
Hanlonkomik wildester Art zu übertrumpfen. Auch durch sexuelle Frech¬
sch
bloß
geben, de
Zügen al
ings m