II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 296

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5. L#oelel box 10/3
Nr. 19.
Die Nation.
teriellen
Theater.
Defizit
Deutsches Theater: „Liebelei“. Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Mutter:
meinen
Es ist alles nur ein Spiel. Die Wirklichkeit wird zur
das Un¬
Schaubühne, sie ist um der Kunst willen da. Rothe Ampeln
lungen,
werfen ihren Schein in verträumte Boudoirs, Seidenroben
as erste
knistern heimlich auf dem Smyrnateppich eines Garcon¬
nur die
logis, und im hellen Frühlingsmorgenschein, versteckt hinter
§ mag
Taxushecken, stehen zwei, die Waffen in der Hand, und
genwart
färben das grüne Gras zu ihren Füßen roth. Das Leben ist
hie und
bedeutungslos, die Kunst bedeutet alles, „l’art pour l’art“:
eits ge¬
„Also spielen wir Theater,
4, wenn
Spielen unsre eignen Stücke,
Klow in
Früh gereift und zart und traurig,
such die
Die Komödie unsrer Seele,
st näm¬
Unsres Fühlens Heut und Gestern,
en, den
Böser Dinge hübsche Formel.“
d, allen
Das ist die künstliche Scenerie, aus bunten schillernden
mochte.
Fetzen Wirklichkeit zusammengesetzt, in Arthur Schnitzler's
B.,
„Anatol“*), einer Scenenreihe schwermuthvollen, unstäten
Humor
40 4h.
Liebens, das um des Spieles willen da ist. Eine eigene
abe für
*
Stimmung, müde und süß, liegt wie Ambraduft darüber.
jener
Tbeater.
Und dieselbe künstliche Scenerie und dasselbe Spielen macht
Renden,
hp. Das Deutsche Theater errang gestern einen glor¬
einen Theil von Schnitzler's neuem Schauspiel „Liebelei“.
„Aufund¬
reichen Doppelsieg. Sowohl die Neueinstudierung des „Zer¬
aus, das mit Erfolg über die Bühne des Deutschen Theaters
2 Bande
brochenen Krug“ als auch die Premiere des Schauspiels
ging. Nur daß in den Kreis der spielenden Spieler — ein
hein an¬
„Liebelei“ von Schnitzler ernteten einen durchschlagenden
Gretchen tritt.
Erfolg. Der Wert der Novität nötigt uns, dieselbe eingehender
Nicht etwa eine Gestalt mit Goethe'schem Geist oder
zu besprechen, als dies in der vorgerückten Stunde, da wir diese
Fen ein
Herzen concipirt, sondern nur ein Mädchen, das das Spiel
Zeilen schreiben, möglich wäre. Wir kommen deshalb im Abend¬
gind auf
ernst nimmt und darüber zu Grunde geht. Ein Mädchen,
blatt noch einmal auf den genußreichen Abend zuxück.
„er bald
aun
das die Liebelei eines jungen Lebemannes für Liebe hält,
Nord¬
mit Lieben erwidert, und in sich zusammenbricht als sie
Theater.
endlich
Gegründet 1845.
erfährt, daß er sich für eine andere Frau erschießen lassen
mußte. Diese eine Gestalt, schlicht und wahr gezeichnet,
Cirens Reigernden
Mittwoch, den 5. Februar.
Lehrer
tritt, von einem Hauch von Wirklichkeitspoesie umweht, in das
Anfang, wenn nichts anderes bemerkt ist,
Karlstraße.
führte.
gekünstelte Milien und bildet einen Kontrast, der an sich
dramatisch wirkt. Im zweiten Akt dann geht das Schau¬
spiel in das Milien über, in dem das junge Mädchen lebt,
in das Zimmer der Musikantenwohnung, und auch dieses
Milien hat Schnitzler mit realistischer Kleinkunst in Erscheinung
treten lassen. Und ganz künstlerisch hat er die Gestalt des
r
Mädchens durch die ihres Vaters gestützt, der weitherzig
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und verzeihend sein Mädchen glücklich sehen möchte, auch
in so
wenn ihr Glück ein unerlaubtes wäre. So nimmt das Stück
istischen
in diesen Kontrasten, ganz ohne Handlung, seinen Fortgang:
eine starke Talentprobe, die ihren Erfolg doch aber wohl
zumeist der stimmungsvollen Aufführung dankte, in der
welche
Agnes Sorma, als Musikantentochter, eine überzeugende
für ihn
Gestalt schuf.
sin von
Aber es ist noch ein anderes, das dem Stück über seine
heiten,
künstlerische Bedeutung hinaus litterarisch ein eigenes Inte¬
Hensel,
irt, der
resse gibt. Wie Wirklichkeit und Spiel kontrastirt sind, so
ist die „Liebelei“ eine eigene, nicht einmal lebensunfähige
geben,
Verquickung des „l'art pour l’art“, des Schoßkindes der
eladen,
Romantik, mit dem Realismus. Das klingt barock, und
besseren
die Verbindung ist auch barock. Aber man denke an die
Bülow,
Märchen Hoffmann's und an die Komödien Ludwig Tiecks:
Eine
die Kunst hört auf, ein Spiegel der Wirklichkeit zu sein, sie
spricht
nützt die Wirklichkeit des Kontrastes halber, um sich in ge¬
ebt der
künstelter, zarter Grazie von ihr abzuheben. Wir haben den er¬
ihrung
staunlich schnellen Umschlag des Naturalismus in Roman¬
chließt
tismus erlebt: Arthur Schnitzler ist einer von denen, die
Haus
diesen Uebergang in ihrer künstlerischen Persönlichkeit ver¬
körpern. Das zu begreifen, braucht man nur den „Anatol“
neben die „Liebelei“ zu halten, oder vielleicht auch nur den
ersten Akt der „Liebelei“ neben die beiden andern.
Ernst Heilborn.
Verlag: S. Fischer, woselbst auch „Liebelei“ erschienen ist.
& Berlin. — Druck von H. S. Hermann in Berlin SW., Beuthstraße 8.
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