Liebelei
5. Snene a.
box 10/4
Max-Kurianner
Ausstellung, grosse Rotunde. Eigenen Suspuee.
Berlin
IN. 37, Saarbrückerstr. 5. Telephon VII, 4096.
London. New-Vork.
Paris.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Breidee
Hamburg.
4%
Thalia=Theater.
Zum Benesiz für Frl. Lotte Witt: „Liebelei“, — Schahspiepin 3 Aften
von Arthur Schnitzler.
Wenn man den Titel dieses Schauspiel liest, so liegt die Vemuthung
hahe, daß uns der Dichter in die Welt des Oberflächlichen und Seichten
führen will, unter Menschen, deren Wesen die Bildung nicht erhöht
und vertieft, sondern abgeplattet und gleichgültig gemacht hat,
die ihren
sodaß aus großen und starken Empfindungen,
Träger beherrschen, Scheinempfindungen und Empfindelelen
worden sind, die man zu beliebigem Gebrauch am Schnürchen!
hat. In dieser Welt, wo aus Gefühlen kleine Nervenerregungen, aus
energischem Wollen kleinliche Gelüste, aus Liebe Liebelei geworden ist,
dürfte aber ein ernsthaftes Schauspiel unmöglich sein. Denn wo die
Ursachen klein und unbedeutend sind, da müssen es auch die Wirkungen
sein, und aus lächerlichem Plunder kann man kein Götterbild formen.
Dem Titel „Liebelei“, — es ist jetzt an der Tagesordnung, den Dramen
abstrakte Titel zu geben — widerspricht also die Gattungsbezeichnung
„Schauspiel“. Man sollte meinen, daß durch Liebelei nur ein Lustspiel,
vielleicht mit stark satirischem Beigeschmack, oder eine Posse gefüllt
werden könnte. Aber dieser Titel ist ebenso wenig prägnank,
wie alle anderen abstrakten Titel; richtiger würde es schon heißen,
„Liebelei und Liebe“, denn nur dadurch, daß sich in den
Kreis der Leichtsinnigen und Leichtfertigen Jemand mischt, der echter
und unverfälschter Liebe fähig ist, wird die Sache ernsthaft und nach
dem ersten Akte ein zweiter und dritter überhaupt möglich. Dem
dramatischen Fortschreiten jedoch wird durch die bereits im ersten Akte
völlig abgeschlossene, und mit liebevollster Detailmalerei ausgeführte
Charakterzeichnung eine starke Beschränkung auferlegt, deren Bruch im zweiten
und dritten Akt nicht ganz wahrscheinlich wirkt. Vielleicht lag es auch
die Leidenschaftsausbrüche und der,
an der Darstellung, daß
wie es scheint, tragische Schluß des letzten Aktes nicht „als
nothwendige Folge der gegebenen Situationen und Charaktere
wirkten und geradezu lächerlich zu werden drohten. Die Schwächen
dieses Stückes dürfen aber nicht abhalten, seine hohen Vorzüge anzu¬
erkennen: die natürliche, leicht fließende, und mit zierlichen Pointen
reich ausgestattete Diktion, die der Natur mit großer Sorgsalt
abgelauschte Miniaturmalerei bei allen Figuren und das Geschick,
mit dem der Dichter auch bei einer stagnirenden Handlung
immer noch zu fesseln weiß. Arthur Schnitzler gehört zu der Schule
Ibsen's und Hauptmann's; er erstrebt, wie alle „Modernen“, den Schein
äußerster Lebenswahrheit. Er geht aber darin zu west und verletzt das
Gebot klarer Verständlichkeit, die vom Kunstwerk überall gefordert werden
muß. Die Motive der Handelnden würden leichter begriffen werden,
wenn sie ihre Motive deutlicher kundgäben. Dem Dichter und seinen
Personen muß ein Gott gegeben haben, zu sagen, was sie leden
und überhaupt erleben; Räthsel errathen ist ebenso wenig die Aufgabe
des Zuschaners, wie es die Aufgabe des Dichters ist, Gelegenheit zu
Mißverständnissen zu geben. So klar und dentlich z. B. der erste Akt
zunächst erscheint, so sieht man doch später, daß man sich in manchen
Stücken geirit hat. Christine erscheint im ersten Akt durchaus nicht von
so abgrundtiefer Innerlichkeit, wie sie sich später darstellt. Ein Mädchen,
das, wie es scheint, in den Tod geht, als sie bemerkt, daß sie sich an
einen Unwürdigen weggeworfen hat, mußte nach unserer Ansicht schon
von vornherein anders auftreten und anders gezeichnei sein. Doch wie;
greisen der Angabe des sehr einfachen Inhalts vor.
Fritz Lobheiner, ein reicher älterer Wiener Student, ist ein junger
Elegant wie alle andern, vielleicht ein wenig tiefer angelegt und ernst¬
hafter denkend, als der Durchschnitt, aber im Großen und Ganzen ein
Mann der holden Mittelmäßigkeit, in der sein Freund Theodor Kaiser
bereits gänzlich versunken und versumpft ist. Die beiden jungen Herren
haben Geld und Langeweile. Um Beides los zu werden, sind Liebeleien
ein gutes Mittel. Der Ernsthaftere von Beiden hat zwar zugleich, wie
er meint, eine große Leidenschaft für eine verheirathete Frau, aber diese
noble Passion ist für einen Mann von seiner Natur wohl nur ein noblerer
Zeitvertreib und ein solcher, der seiner Eitelkeit etwas mehr schmeichelt, als
die Liebelei, die er mit Christine, der Tochter des Violinspielers Weiring
auf Zureden seines Freundes Theodor anfängt, angeblich, um sich von
seiner „großen Leibenschaft“ zu kurtren, in Wahrheit aber wohl deshalb,
weil ihn auch das ehebrecherische Verhältniß langweilt. Im ersten Akt
wird uns nun ein gemüthliches Beisammensein von vier Personen auf
der „Bude“ des Herrn Fritz Lobheimer mit aller Kunst einer virtnosen
Kleinmalerei geschildert. Fritz Lobheimer empfängt seine Christine, und
Theodor Kaiser, wohl auch ein Student in höheren Semestern, hat seine
kleine Freundin Mizi Schlager mitgebracht. Die beiden Letzten sind lockere
Vögel mit gleichem Gesieder, zur ernsthaften Liebe nicht geschaffen, sondern
nur zur leichtfertigen Liebelei. Christine dagegen zeigt sich bereits hier
von einer andern Seite, aber wie gesagt nicht in dem Maße, daß man ihr
ranüaten Abend des
5. Snene a.
box 10/4
Max-Kurianner
Ausstellung, grosse Rotunde. Eigenen Suspuee.
Berlin
IN. 37, Saarbrückerstr. 5. Telephon VII, 4096.
London. New-Vork.
Paris.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Breidee
Hamburg.
4%
Thalia=Theater.
Zum Benesiz für Frl. Lotte Witt: „Liebelei“, — Schahspiepin 3 Aften
von Arthur Schnitzler.
Wenn man den Titel dieses Schauspiel liest, so liegt die Vemuthung
hahe, daß uns der Dichter in die Welt des Oberflächlichen und Seichten
führen will, unter Menschen, deren Wesen die Bildung nicht erhöht
und vertieft, sondern abgeplattet und gleichgültig gemacht hat,
die ihren
sodaß aus großen und starken Empfindungen,
Träger beherrschen, Scheinempfindungen und Empfindelelen
worden sind, die man zu beliebigem Gebrauch am Schnürchen!
hat. In dieser Welt, wo aus Gefühlen kleine Nervenerregungen, aus
energischem Wollen kleinliche Gelüste, aus Liebe Liebelei geworden ist,
dürfte aber ein ernsthaftes Schauspiel unmöglich sein. Denn wo die
Ursachen klein und unbedeutend sind, da müssen es auch die Wirkungen
sein, und aus lächerlichem Plunder kann man kein Götterbild formen.
Dem Titel „Liebelei“, — es ist jetzt an der Tagesordnung, den Dramen
abstrakte Titel zu geben — widerspricht also die Gattungsbezeichnung
„Schauspiel“. Man sollte meinen, daß durch Liebelei nur ein Lustspiel,
vielleicht mit stark satirischem Beigeschmack, oder eine Posse gefüllt
werden könnte. Aber dieser Titel ist ebenso wenig prägnank,
wie alle anderen abstrakten Titel; richtiger würde es schon heißen,
„Liebelei und Liebe“, denn nur dadurch, daß sich in den
Kreis der Leichtsinnigen und Leichtfertigen Jemand mischt, der echter
und unverfälschter Liebe fähig ist, wird die Sache ernsthaft und nach
dem ersten Akte ein zweiter und dritter überhaupt möglich. Dem
dramatischen Fortschreiten jedoch wird durch die bereits im ersten Akte
völlig abgeschlossene, und mit liebevollster Detailmalerei ausgeführte
Charakterzeichnung eine starke Beschränkung auferlegt, deren Bruch im zweiten
und dritten Akt nicht ganz wahrscheinlich wirkt. Vielleicht lag es auch
die Leidenschaftsausbrüche und der,
an der Darstellung, daß
wie es scheint, tragische Schluß des letzten Aktes nicht „als
nothwendige Folge der gegebenen Situationen und Charaktere
wirkten und geradezu lächerlich zu werden drohten. Die Schwächen
dieses Stückes dürfen aber nicht abhalten, seine hohen Vorzüge anzu¬
erkennen: die natürliche, leicht fließende, und mit zierlichen Pointen
reich ausgestattete Diktion, die der Natur mit großer Sorgsalt
abgelauschte Miniaturmalerei bei allen Figuren und das Geschick,
mit dem der Dichter auch bei einer stagnirenden Handlung
immer noch zu fesseln weiß. Arthur Schnitzler gehört zu der Schule
Ibsen's und Hauptmann's; er erstrebt, wie alle „Modernen“, den Schein
äußerster Lebenswahrheit. Er geht aber darin zu west und verletzt das
Gebot klarer Verständlichkeit, die vom Kunstwerk überall gefordert werden
muß. Die Motive der Handelnden würden leichter begriffen werden,
wenn sie ihre Motive deutlicher kundgäben. Dem Dichter und seinen
Personen muß ein Gott gegeben haben, zu sagen, was sie leden
und überhaupt erleben; Räthsel errathen ist ebenso wenig die Aufgabe
des Zuschaners, wie es die Aufgabe des Dichters ist, Gelegenheit zu
Mißverständnissen zu geben. So klar und dentlich z. B. der erste Akt
zunächst erscheint, so sieht man doch später, daß man sich in manchen
Stücken geirit hat. Christine erscheint im ersten Akt durchaus nicht von
so abgrundtiefer Innerlichkeit, wie sie sich später darstellt. Ein Mädchen,
das, wie es scheint, in den Tod geht, als sie bemerkt, daß sie sich an
einen Unwürdigen weggeworfen hat, mußte nach unserer Ansicht schon
von vornherein anders auftreten und anders gezeichnei sein. Doch wie;
greisen der Angabe des sehr einfachen Inhalts vor.
Fritz Lobheiner, ein reicher älterer Wiener Student, ist ein junger
Elegant wie alle andern, vielleicht ein wenig tiefer angelegt und ernst¬
hafter denkend, als der Durchschnitt, aber im Großen und Ganzen ein
Mann der holden Mittelmäßigkeit, in der sein Freund Theodor Kaiser
bereits gänzlich versunken und versumpft ist. Die beiden jungen Herren
haben Geld und Langeweile. Um Beides los zu werden, sind Liebeleien
ein gutes Mittel. Der Ernsthaftere von Beiden hat zwar zugleich, wie
er meint, eine große Leidenschaft für eine verheirathete Frau, aber diese
noble Passion ist für einen Mann von seiner Natur wohl nur ein noblerer
Zeitvertreib und ein solcher, der seiner Eitelkeit etwas mehr schmeichelt, als
die Liebelei, die er mit Christine, der Tochter des Violinspielers Weiring
auf Zureden seines Freundes Theodor anfängt, angeblich, um sich von
seiner „großen Leibenschaft“ zu kurtren, in Wahrheit aber wohl deshalb,
weil ihn auch das ehebrecherische Verhältniß langweilt. Im ersten Akt
wird uns nun ein gemüthliches Beisammensein von vier Personen auf
der „Bude“ des Herrn Fritz Lobheimer mit aller Kunst einer virtnosen
Kleinmalerei geschildert. Fritz Lobheimer empfängt seine Christine, und
Theodor Kaiser, wohl auch ein Student in höheren Semestern, hat seine
kleine Freundin Mizi Schlager mitgebracht. Die beiden Letzten sind lockere
Vögel mit gleichem Gesieder, zur ernsthaften Liebe nicht geschaffen, sondern
nur zur leichtfertigen Liebelei. Christine dagegen zeigt sich bereits hier
von einer andern Seite, aber wie gesagt nicht in dem Maße, daß man ihr
ranüaten Abend des