II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 348

etwas Unheildrohendes liegt. Und wie nun im dritten Akte der Zu¬
sammenbruch erfolgt, Christine erfährt, daß der Mann, den sie geliebt
hat, um einer Andern willen in den Tod gegangen ist, daß er begraben
ist, ohne daß sie wenigsten: den Todten noch einmal gesehen hat, daß
zwei Tage verstrichen sind, in denen es Herr Theodor Kaiser nicht ein¬
mal der Mühe für werth gefunden hat, sie von der Katastrophe zu be¬
nachrichtigen, da wirft sie das Gefühl der Enttäuschung, der schmachvollen
Selbstentwürdigung und daneben doch wieder die unbesiegliche Liebe,
der verzweifelte Schmerz um den Mann, der ihr Alles, dem sie wenig
mehr als ein Nichts gewesen ist, völlig darnieder und treibt das arme
Mädchen zum Selbstmord. Die Kehrseite der von Herrn Theodor und
Fräulein Mizzi gepredigten Lebens= und Liebesphilosophie, die Kehrseite
der gutherzigen Schwäche ihres eigenen Vaters erscheint im Schicksal
Christinen's grell beleuchtet. Herr Th. Kaiser hat freilich auch gegenüber
den furchtbaren Seenen des letzten Aktes nur ein Wort des Vorwurfs
an Mizzi: „Das hätten Sie mir ersparen können!" — Niemand, der
etwas vom Leben unserer Großstädte weiß und gesehen hat, wird die
Möglichkeit in Abrede stellen, duß so erschütterndes Leid und so wuchtiger
Ernst aus dem Schein unbekümmerter Lebenslust erwachsen können.
Unter allen Umständen zeugt das Schauspiel von wirklichem
Talent, einer entschiedenen Belebungskraft des Einzelnen.
So, wie das Stück nun einmal ist, bleibt es von starker Wirkung.
„Dresdener Zeitung':
Eine Eigenschaft scheint allmälig abhanden gekommen xu sein, welche
den Männern die jetzt die kühle Erde deckt, zum Siege verhalf: der
Humor, der durch Thräuen lachende Humer. Befriedigt athmet man
auf, wenn man hier und da noch ein Körnlein dieses herzerquickenden
Humors findet. So war's gestern beim Beginn der „Liebelei“. Aller¬
dings legt auch Herr Schnitzler — der Mode folgend - seinem Stücke
die anspruchsvollere Bezeichnung: „Schauspiel“ bei; aber der erste Akt
ist lediglich Volksstück und zwar gutes Volksstück. Zwar werden wohl
die allzu gestrengen Moralisten an dem lustigen Treiben in dem Jung¬
gesellenheim Anstoß nehmen und es mag zugegeben werden, daß bei
den Tändeleien der jungen Leute mit ihren „Verhälinissen“ manche Si¬
tuation etwas gewagt erscheint. Aber im Ganzen pulsirt frisches,
sprudelndes Leben, das Leben eines echten Volksstücks, in diesem ersten
Akt, der durch eine geschickt eingeflochtene Episode auch die Spannung
der Zuschauer in hohem Grade erweckt. (Folgt Inhalt.) Der Gegensatz
dieser beiden Charaktere, der gleichgültigen, nur an das Heute denkenden
Mizzi und der empfindsamen, von ausopfernder Hingebung für den Er¬
korenen ihres Herzens beseelten Christine hat der Verfasser sehr glücklich
JCr T
Schwank in drei Akten v
Aufgeführt: Dresden (Residenz=T
Großer, nachhaltiger Erfolg des Josephstäl
in Wien:
Pumpuaf
Der
Operette in drei Akten
von
Julius Horst und Leo Stei
Musik von Klerander Neume
Aufgeführt: München (Gärtnerpl.=Th.), Wien.
In Vorbereitung: Berlin (Linden=Th.), Hamburg (Carl Schultze¬
Th.), Magdeburg (Wilhelm=Th.), Brannschweig (Holst=Th.), Brünn,
Beden, Prag, Graz, Olmütz, Kronstadt, Hermannstadt, Inns¬
bruck, Salzburg, Stettin (Belleone=Th.), Kassel (Sommer=Th.),
Bern, Kissingen, Würzburg.
Derr Coulisset.
Schwank in drei Akten von Blum und Toché.
Aufgeführt: Berlin (Central=Th.), Hamburg (Carl Schultze¬
Theater).
gezeichnet, ebenso wie die beiden im Grunde durchaus verschiedenen
Freunde, den leichtfertigen, ein wenig blasirten Theodor Kaiser und den
zur Schwermuth neigenden, Fritz Lobheimer. Aber — „nehmt Alles
nur in Allem“. Dann muß man zugeben, daß Schnitzler's „Liebelei“
ein von der scharfen Beobachtungsgabe des feinsinnigen Autors zeugen¬
des, beachtenswerthes Werk ist, die meisten Stücke, die uns seit dem
Beginn des Sommers die Novitätenfluth brachte, um mehr als Hauptes¬
länge überragend. Und was die Hauptsache ist! in Schnitzler scheint
das Zeug zu einem Wiederbeleber des alten guten Volksstücks zu stecken,
wenn auch seine „Liebelei“ nach einem kurzen, aber vielversprechenden
Schritt vom Wege, noch hauptsächlich in den jetzt üblichen Bahnen
wandelt. — Gespielt wurde recht brav.
„Dresdener Anzeiger“:
Hr. Rotter hat sich schon so oft, gerade im modernen Schauspiel,
als ein feinfühliger und gewandter Regisseur bewiesen, dessen Kunst mit
der stimmungsvollen Inscenirung noch lange nicht erschöpt ist, daß man
ihm die Möglichkeit, mit einem entsprechenden ständigen Personal und
mit überhaupt reicheren Mitteln zu arbeiten, nur wünschen kann.
Nach dem durchschlagenden Erfolge der Première dieses
Stückes am Sonnabend, die sich vor sehr gut besetztem Hause vollzog,
ist an einer großen Anziehungskraft dieser Aufführung auch in dem
theaterfeindlichen Sommer nicht zu zweifeln. Die Darstellung steht
durchweg auf ansehlicher Höhe, ja, sie ist in einzelnen Rollen geradezu
vorzüglich. Mit Arthur Schnitzler betritt ein moderner Dichter
die Bühne, ein Dichter; das ist der wesentlichste Eindruck des Abends
und der erfreulichste. Er will keine Moral predigen, er läßt seine Per¬
sonen nicht miteinander diskutiren. Schnitzler dichtet, d. h. er gestaltet
das Leben wie er es sieht, und da er ein starkes und gesundes Herz
besitzt — denn alle wahre Kunst ist persönlich — sieht er in den Dingen
mehr, als der, der ihnen mit vorgefaßten Problemen gegenübertritt und
daher befangen ist. Er sieht das Leben und die es bewegenden Kräfte
in seiner „Liebelei“ in einem engen Ausschnitt, aber innerhalb des¬
selben in seiner ganzen Fülle von Widersprüchen, Parallelen und Durch¬
querungen. Dabei ist er von großer Objektivität. Es genügt, die Per¬
sonen, wie sie sind, sich auskeben zu lassen, und die Konflikte wachsen
von selbst empor, ohne jede Künstelei und Schiebung. Wo tiefe Empfin¬
dung und leichtlebige Liebelei einander begegnen, ohne sich gegenseitg
zu erkennen, da ist der Konflikt schon gegeben. Er entwickelt sich all¬
mälig, seine Phrasen sind zarter und wahrer dargestellt, als sie wohl je
1 in einem Drama gezeichnet wurden, in einer mehr epischen, als drama¬

tischen Technik, aber immer fesselnd. Der eigentliche Hebel des tragischen
Effekts liegt außerhalb des Dramas, in einer Nebengeschichte, die man
nicht klar durchschaut. Auch ohne sie wäre der Ausgang nothwendig
tragisch geworden, wenn auch nicht mit der wuchtigen, in wenigen
Momenten das Ganze rückwärts hell beleuchtenden Steigerung des letzten
Aktes. Daß wir diesen Ausgang vorausahnen, das hat Schnitzler
mit feinem Takte bewirkt. Keinen Moment beirrt er uns über die Ver¬
theilung der moralischen Werthe, ohne doch je Moral zu predigen. So
entstand eine in sich abgeschlossene, runde und lebenssatte Dichtung, ein
frisch pulsirendes Stück Leben, bei dessen Anschauen der Reiz des Lebens
für uns kräftig gesteigert wird, und diese geistige und gemüthliche Er¬
höhung des Lebensbewußtseins, des frohen wie des ernsten, das ist es,
was wir vom Dichter fordern.
Nachrichten von Nah und Ver###
Bustrow, Kativor, Braunschweig (Saison=Th.),
Aachen (Stadt=Th), Constani, Mainz (Stadt=Th.), Hirschberg,
Glatz, Jauer, Lauban, Grünberg.
Gedruckte Rollen sind vorräthig.
Gebrum.
Komödie in vier Akten von Ernst Rosmer.
Aufgeführt: Berlin (Deutsches Th.), Regensburg.
In Vorbereitung: Berlin (Schiller=Theater), Berg, Breslau
(Stadt=Th.), Erfurt, Nürnberg, Posen, Wiesbaden (Residenz=Th.).