Liebelei
5.— box 10/4
222
Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin J., Poststrasse 29. Telephon V. 1227.
Paris.
London.
New-York.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Ztg. für Hinterpommer
Stolp
7.5.96
unglückliches Vaters nicht wieder zurücklehrt. Was
wi uns wohl diese Fabel lehren oder veranschau¬
Stolp, den 7. März 1896.
lichen? Nichts, sie ist nur um ihrer selbst willen
* Theaten (Liebelzi, von Athur Schnitzler.)
da, mithin zeigt sie blos ein Stückchen romantisch
Die junge Witiey Schulg zu welcher Schnitzter ge¬
angehauchten Lebens ohne jede Idealität. Die
hört, behauptet, die #thealen Bahnen des früheren
Sprache des Stückes ist ja edel, die Etapfindung
Schauspiels im Gsgensatze „zür modernen Realistik
echt und warm, aber es fehlt der Pulsschlag höhe¬
eingeschlagen zu bben. Insosern sie von grellen
rer Weltanschauung, die Handlung bleibt auf der
Realitätseffekten äbsieht swollen wir ihr dies gern
Erde kleben. Zur äußeren Ausstattung ist zu be¬
zugestehen, doch fst hiermit allein doch noch lange
merken, das die eigentliche Handlung sich hinter den
nicht der Zweck „idealen“ Strebens auf der Bühne
Coulissen abspielt und auf der Bühne durch minu¬
erreicht. Dieses richtet sich vielmehr darauf, durch
tiöse Detailmalerei ersetzt ist, welche die allerdings
Verkörperung einer erhabenen „Idee“ den Zuschauer
fesselnden Gespräche beleben soll. Von den Schau¬
in seinen Anschauungen zu veredeln. Und da müs¬
spielern führte Herr Walther seine Rolle des al¬
sen wir schon fragen, was ist denn in der „Liebelei“
ten, zärtlichen und so ins Unglück geratenen Mu¬
eigentlich die Idee, mit welcher der Verfasser auf
sikanten Weiring am besten durch. Dessen Tochter.
sein Publikum einwirken will? Etwa der Gegen¬
wurde von Frl. Blanche recht natürlich gespielt,
8
satz der echten, tiefen Liebe zur oberflächlichen Spie¬
nur im letzten Akt hätte die seelische Aufregung die¬
lerei? Sollte dies der Fall sein, so ist dem Ver¬
ses Mädchens sich noch mehr in den Mienen, nicht
fasser die Lösung der Aufgabe ziemlich vorbeige¬
blos in den Augen, ausprägen können. Frl. Bauer
glückt. Diese aufopfernde Liebe der jungfräulichen
gab die leichtsinnige, mit einem Körnchen Gutmü¬
Heldin des Stückes, welche aber nicht einmal unan¬
tigkeit durchsetzte Modistin Mizi ohne Fehl, wobei
taftet bleibt, kann unmöglich versittlichend und
sie den Wiener Dialekt wie Herr Sandory, The¬
eredelnd auf den Zuschauer wirken, höchstens Be¬
odor, gleich der Muttersprache handhabte. Herr
dauern über das arme Geschöpf in ihm hervorru¬
Lang war sehr gut als Fritz Lobheimer, der durch
fen. Man vergleich= den Inhalt: Zwei flotte
sein unbesonnenes, unmora#'sches Leben die Kata¬
Kavaliere empfangen in der Junggesellenwohnung
strophe heraufbeschwör und das Fehlsame seines
des einen den Besuch zweier Mädchen, einer feschen,
Handelns zu spät reuevoll erkennt. Herr Ludwig
leichtfertigen Konfektioneuse und eines unschuldigen,
spielte die kurze Episode des namenlosen, fremden
jungen Dinges, der Tochter eines alten Musikan¬
Herrn, des betrogenen und Rechenschaft fordernden
ten. In die fröhliche Gesellschaft fährt einer Boube
Gatten vorzüglich. Frl. Umainski, Katharine
gleich ein fremder Herr, um Rechenschaft von dem
Binder, hat sich noch immer nicht den Fehler un¬
Inhaber der Wohnung für den Verrat zu üben,
deutlichen Sprechens abgewöhnt. Das Haus war leer.
den letzterer durch geheime Anknüpfung eines ver¬
Am Dienstag wird zum Benefiz für Frl.
botenen Verhältnisses mit der Gattin des ersteren
Blanche Marlitts „Goldelse“ gegeben werden.
begangen hat. Die fatale Aussprache endet mit
einer Forderung, welche den Tod des Frevlers
im Duell am ander Tage zur Folge hat. Als
seine Geliebte, das oben erwähnte bisher unbeschol¬
tene Mädchen, welches aber auch schnell noch diese
Eigenschaft verlieren uß, nach 3 Tagen den Zu¬
sammenhang erfährt, stürzt sie zum Grabe des Er¬
schossenen, von welchem sie nach den Worten ihrer¬
5.— box 10/4
222
Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin J., Poststrasse 29. Telephon V. 1227.
Paris.
London.
New-York.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Ztg. für Hinterpommer
Stolp
7.5.96
unglückliches Vaters nicht wieder zurücklehrt. Was
wi uns wohl diese Fabel lehren oder veranschau¬
Stolp, den 7. März 1896.
lichen? Nichts, sie ist nur um ihrer selbst willen
* Theaten (Liebelzi, von Athur Schnitzler.)
da, mithin zeigt sie blos ein Stückchen romantisch
Die junge Witiey Schulg zu welcher Schnitzter ge¬
angehauchten Lebens ohne jede Idealität. Die
hört, behauptet, die #thealen Bahnen des früheren
Sprache des Stückes ist ja edel, die Etapfindung
Schauspiels im Gsgensatze „zür modernen Realistik
echt und warm, aber es fehlt der Pulsschlag höhe¬
eingeschlagen zu bben. Insosern sie von grellen
rer Weltanschauung, die Handlung bleibt auf der
Realitätseffekten äbsieht swollen wir ihr dies gern
Erde kleben. Zur äußeren Ausstattung ist zu be¬
zugestehen, doch fst hiermit allein doch noch lange
merken, das die eigentliche Handlung sich hinter den
nicht der Zweck „idealen“ Strebens auf der Bühne
Coulissen abspielt und auf der Bühne durch minu¬
erreicht. Dieses richtet sich vielmehr darauf, durch
tiöse Detailmalerei ersetzt ist, welche die allerdings
Verkörperung einer erhabenen „Idee“ den Zuschauer
fesselnden Gespräche beleben soll. Von den Schau¬
in seinen Anschauungen zu veredeln. Und da müs¬
spielern führte Herr Walther seine Rolle des al¬
sen wir schon fragen, was ist denn in der „Liebelei“
ten, zärtlichen und so ins Unglück geratenen Mu¬
eigentlich die Idee, mit welcher der Verfasser auf
sikanten Weiring am besten durch. Dessen Tochter.
sein Publikum einwirken will? Etwa der Gegen¬
wurde von Frl. Blanche recht natürlich gespielt,
8
satz der echten, tiefen Liebe zur oberflächlichen Spie¬
nur im letzten Akt hätte die seelische Aufregung die¬
lerei? Sollte dies der Fall sein, so ist dem Ver¬
ses Mädchens sich noch mehr in den Mienen, nicht
fasser die Lösung der Aufgabe ziemlich vorbeige¬
blos in den Augen, ausprägen können. Frl. Bauer
glückt. Diese aufopfernde Liebe der jungfräulichen
gab die leichtsinnige, mit einem Körnchen Gutmü¬
Heldin des Stückes, welche aber nicht einmal unan¬
tigkeit durchsetzte Modistin Mizi ohne Fehl, wobei
taftet bleibt, kann unmöglich versittlichend und
sie den Wiener Dialekt wie Herr Sandory, The¬
eredelnd auf den Zuschauer wirken, höchstens Be¬
odor, gleich der Muttersprache handhabte. Herr
dauern über das arme Geschöpf in ihm hervorru¬
Lang war sehr gut als Fritz Lobheimer, der durch
fen. Man vergleich= den Inhalt: Zwei flotte
sein unbesonnenes, unmora#'sches Leben die Kata¬
Kavaliere empfangen in der Junggesellenwohnung
strophe heraufbeschwör und das Fehlsame seines
des einen den Besuch zweier Mädchen, einer feschen,
Handelns zu spät reuevoll erkennt. Herr Ludwig
leichtfertigen Konfektioneuse und eines unschuldigen,
spielte die kurze Episode des namenlosen, fremden
jungen Dinges, der Tochter eines alten Musikan¬
Herrn, des betrogenen und Rechenschaft fordernden
ten. In die fröhliche Gesellschaft fährt einer Boube
Gatten vorzüglich. Frl. Umainski, Katharine
gleich ein fremder Herr, um Rechenschaft von dem
Binder, hat sich noch immer nicht den Fehler un¬
Inhaber der Wohnung für den Verrat zu üben,
deutlichen Sprechens abgewöhnt. Das Haus war leer.
den letzterer durch geheime Anknüpfung eines ver¬
Am Dienstag wird zum Benefiz für Frl.
botenen Verhältnisses mit der Gattin des ersteren
Blanche Marlitts „Goldelse“ gegeben werden.
begangen hat. Die fatale Aussprache endet mit
einer Forderung, welche den Tod des Frevlers
im Duell am ander Tage zur Folge hat. Als
seine Geliebte, das oben erwähnte bisher unbeschol¬
tene Mädchen, welches aber auch schnell noch diese
Eigenschaft verlieren uß, nach 3 Tagen den Zu¬
sammenhang erfährt, stürzt sie zum Grabe des Er¬
schossenen, von welchem sie nach den Worten ihrer¬