II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 413

Liebelei
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Nr. 2477. Czernowitz, Donnerstag
hat in liebenswürdiger Weise ihre Mitwirkung zugesagt,
und wird die von ihr creirte Rolle, „Der Titiana“
spielen. Die übrigen Hauptrollen befinden sich in den
Händen der Damen Colleit, Mentzl, der Herren Schmidt.
Kernreuter, Kömle, Kaitan. Somstag nachmittags gelangt
die Oper „Faust“ bei ermäßigten Preisen zu Aufführung.
Abend 7 Uhr: Raimund's „Bauer als Millionät“,
worin das ganze Personale beschäftigt ist. Als Sonntag
Nachmittags=Vörstellung wurde die beliebte Posse „Deei
Paar Schuhe“ angesetzt. Abends 7 Uhr „Die schöne
Helene.“
Theater.
„D'rum bin ich immer gegen die sogenannten interes¬
santen Weiber. Die Weiber haben nicht interessant zu
sein; sondern angenehm. — Du mußt das Glück suchen,
wo ich es bisher gesucht und gefunden habe, dort, wo
es keine großen Scenen, keine Gefahren, keine tragischen
Verwicklungen gibt .. .“ Mit diesen und ähnlichen
Worten räth Theodor, ein junger Student, seinem
Freunde und Altersgenossen Fritz, einem Kinde reiche:
Eltern, von seinen aufregenden Liebesabenteuern zu
lassen. Er soll aufs Land, um seine Nerven zu stählen.
Die Weiber soll man nicht meiden, gewiß nicht; aber
man suche das Liebesglück dort, „wo der Beginn keine
besonderen Schwierigkeiten und das Gabe keine Quaien
hat, wo man lächeind den ersten Kuß empfängt und mit
sehr sanfter Rührung scheidet.“ Etwa so, wie Theodor
zur Modistenmizi, einem leichtfertigen, aber im Grunde
guthmüthigen Vorstadtkinde, steht. Doch es ist zu spät,
und Fritz, der vielleicht gerade jetzt das echte Liebesglück
gefunden hat, da ihm Christine die Tochter des Violin¬
spielers Hans Weiring mit ihrer ganzen Seeie ergeben
ist, muß das sträfliche Verhältnis, in welchem er zu der
Frau eines Andern gestanden, mit dem Tode büßen. Er
fällt im Duelle.
Das Stück hätte statt „Liebelei“ eigentlich „Liebe¬
leien“ heißen sollen. Fritz hat eine Liebelei mit der
Gattin eines Anderen angefangen und spielt gleichzeitig
mit Christinen, dem armen Mädchen. Er weiß nicht.
daß es echter Liebesfrühling ist, der in dem Herzen des
guten Kindes blüht, und als er endlich, von dem Gatten
seiner ersten Geliebten zum Zweikampfe gefordert, von
Christinen Abschied nimmt, da fühlt er erst, daß er hier
sein wahres Lebensglück hätte finden können. Es istzu spät.
Daneben läuft, wie zur Illustration, das harmlose
Liebesverhältnis zwischen Theodor und Mizi.
Arthur Schnitzlers „Liebelei“, ein deetactiges Schau¬
spiel, dessen Inhalt wir im Obigen kurz skigzirt haben,
verdient den Ruf, der ihm vorangeht. Der reiche Inhalt
ist auf drei kurze Acte ausgezeichnet vertheilt.
Die einzelnen Scenen haben echtes dramatisches Leben
und der Dialog fließt natürlich. Die Handluag
hat bei aller dramatischen Bewegtheit nichts Gewaltsames,
Herbeigezerrtes an sich, und der Zuschauer lebt Alles,
was auf der Bühne vorgeht, selbst mit. Auch in diesem
Stücke haben wir eine Art Vorder= und Hinteestuhe
(der eiste Act spielt in Fritzens reich ausgestattetem
Zimmer, die beiden letzten in der armseligen Wohnung
des Violinspielers), aber da fühlt man: nicht der Dichter
hat die Handlung in die Hinterstube gewaltsam verlegt, son¬
dern die Handlung hat ihn hingeführt. Jede der auftretenden
Figuren hat Leben, und die Gegensätze zwischen den ein¬
zelnen sind in kurzen Strichen meisterhaft skizzirt. Neben
den Hauptpersonen, die wir oben schon erwähnt haben,
gibt es in dem Stücke noch zwei lebenswahre Figuren:
den Vater Musicus, einen schlichten, kreuzbraven Mann,
Bukowiner Nachrichten
und Katharina Binder, die „liebe Nachbarin“, die um
das Wohl ihrer Mitmenschen besorgt ist und bis zur
Bewußtlosigkeit klatscht und — stichelt. Die Spannung
hält bis zum letzten Augenblicke an, weil die Handlung
in die Scenen und Auxtritte förmlich hineingewoben
und nicht wie es bei so vielen Stücken der Fall ist,
nur leicht aufgetragen ist. Was sich vor unseren Augen
abspielt, ist natürlich, als müßte Alles so kommen, wie
es eben kommt. Die „Liebelei“ ist ein Meisterwerk.
Das darstellende Personale wächst mit seinen höheren
Zwecken. Während das seichte Lustspiel bei uns im
Allgemeinen nicht glänzend gesvielt wird, finden gute
moverne Schauspiele tüchtige Kräfte. Die jungen Leute
(Fritz und Theodor) wurden von den Herren Beraun
und Felix mit Verständnis gespielt. Ersterer fand,
ohne sich zu überhasten, den nervösen Ton, und Letzterer
war in der ausgelassemn Laune und in den ernsten
Scenen gleich gut. An die Aussprache dis Heren
Felix muß man sich gewöhnen, um sein schau¬
spielerisches Taleni, das manchmal stark zur Geltung
kommt (wie unlängst in „Sodoms Ende“) würdigen zu
können. Frl. Brunner bewies als Christine neuerdings,
daß sie im Adagio der Liebe und im Allegro der Leiden¬
schaft gleich stark sein kann. Sehr aut hat Fil. Selli
ihre Mizi aufgefaßt und gespielt. Der laute Ton, den
diese Schauspieleria gewohnheitsmäßig onschlägt, kam ihs
diesmal vortrefflich zu statten. Nicht vergessen dürfen
wir an den Musikus des Herrn Friroheim, der das
Publicum zu ergreifen wußte, und Frl. Gartner,
die ihrer Rolle als redselige Frau Strumpfwirker
vollkommen entsprach. — Mit Befall wulde natütlich
nicht gekargt.
Da unser Publicum vor ¾ 10 Uhr nicht gerne aus
dem Theater geht, und die „Liebelei“, wie es schon mit
den meisten Liebeleien der Fall ist, nur 1½ Stunden
ausfülli, wurde als Beigabe (es war übrigens ein
Benefizabend; der des Theatersecretäts Nestle), noch
die alte lustige Operette, „Mannschaft an Bord“ ge¬
geben. In diesem Einacter unterhielten die Herren Weitz;
und Kernreuter durch ihre unwiderstehlichen Humor,
Ersterer wurde bei seinem Auftreten feeun dlich begrüßt,
da er als Administrator in dieser Saison selten dazu ge¬
kommen, war seine drastische Komik wirken zu lassen. Fil.
Pola war recht neckisch.
Ph. Ml.