II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 414

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5. Le

Kurtheater Berg. Das gestern vor aus¬
verkauftem Hause zum erstenmal zur Aufführuung ge¬
langte dreiaktige Schauspiel Liebelei von Arthur
Schnitzer zeigt das ernste Streben feines-Verfassers,
der —Leichtfertigkeit, wie sie das moderne Gesell¬
schaftsleben der Großstadt zeitigt, Gemütstiefe und
Herzensreinheit gegenüberzustellen. Zwei vornehme
junge Lebemänner, Fritz Lobheimer und Theodor
Kaiser, haben mit zwei Mädchen aus dem Volke,
Christine Weiring und Mizi Schlager, Beziehungen
so viele andere vorher,
angeknüpft, die, wie
lich ein vorübergehendes Vergnügen für die
ed
jungen Herren bedeuten sollen. Während die
Modistin Mizi, ein echtes, leichtlebiges Wiener
Kind, mit dem gleisgesinnten Liebhaber Theodor
Kaiser den übersämenden Becher der Lebens¬
freuden genießt, faßt die gemütvoll veranlagte, tief
empfindende Christige eine #nnige Herzensneigung zu
Fritz Lobheimer, zer abep ereits in den Fesseln einer
verheirateten Fras schmächtet. Auch auf den jungen
Lebemann bleibtsdie Zuneigung eines reinen Mädchen¬
herzens nicht olne Einfluß er besitzt aber nicht mehr
die moralische Kraft, das unzürdige Verhältnis abzu¬
schütteln — und so säht er denn als ein Opfer seiner
Schwäche ins Duell Wit“ dem eifersüchtigen Gatten
seiner Geliebten. Furchtbar stürmt nun die Ent¬
täuschung auf die arme Christine ein, als sie
den Tod des von ihr heißgeliebten Mannes
und den Grund des Duells erfährt. Weder inständige
Bitten ihres greisen Vaters, des Violinspielers Hans
Weiring, noch vernünftige Zureden ihrer „lebensklugen“
Freundin Mizi und ihres Galans Theodor können die
Aermste trösten. Sie stürmt hinaus, um nie wieder¬
zukehren. Abgesehen von der am Schluß etwas gewalt¬
sam in die Handlung gezogenen Selbstmords=Andeutung
und einigen unnötigen Längen in den Liebesscenen
bietet das Stück eine sehr lebensvolle Studie aus dem
modernen Gesellschaftsleben dar. Die Sprache bewegt
sich durchweg in gefälligen Formen. Die Hauptrolle der
Christine lag in den Händen von Klara Rabitow, welche
dieselbe mit warmer Empfindung und dramatischer Kraft
durchführte. Mizi Schlager wurde infolge Erkrankung von
Helene Schüle durch Martha Clemens dargestellt, die
den gutmütigen Leichtsinn der „feschen“ Wienerin in Er¬
scheinung und Spiel sehr gut zum Ausdruck brachte.
Die beiden jungen Lebemänner fanden in Direktor
Brandt und Gustav Schwab tüchtige Vertretung;
Eugen Heiske schuf in der Rolle des alten Violin¬
spielers Weiring eine anziehende Charakterfigur, und
Rudolf Biebrach spielte die kleine Rolle des be¬
leidigten Ehegatten mit vornehmem Takt. Fanny
Schlögell als Strumpfwirkersgattin wirkte durch
ihre humorvolle Darstellung weiblicher Geschwätzigkeit
sehr ergötzlich. Das Stück wurde mit großem Inter¬
esse aufgenommen und die Darsteller mit Beifall aus¬
Szeichnet. Der Aufführung der Rovität war das ein¬
aktige Lustspiel Endlich von Otto Girndt voraus¬
gegangen, dessen harmloser Humor viele Heiterkeit er¬
regte. Als Dursteller der Hauptrollen zeichneten
Georg Batelt und Frieda Runge aus.
Theater-, Musik= u. Kunstnachrichten.
B.F., Gastspiel des Hofburgtheater¬
ensembles. Es war eine glückliche Idee der Hof¬
burgschauspieler, einen Wiener Dichter, dessen Meesie¬
a aus demselben Boden hervorsprießt, in welchem die
Kunst der Gäste wurzelt, in ihr Repertoire aufzu¬
nehmen. Der lebhaftere Besuch, den gestern das
Volkstheater aufwies, bezeugte den Darstellern auch
das stärkere Interesse, welches man ihnen als Inter“
preten Arthur Schnitzlers entgegengebracht hat. Der
Verlauf des Abends rechtfertigte das besondere Ver¬
inclusive
Für 50 z trauen, welches das Publicum in die Aufführung der
Porto.
100 „Liebelei“ setzte, um so mehr, als sich die Darstellung
Zahlbar
erst durch die Fährlichkeiten einer hastigeren Vorbe¬
200
reitung, die auf einen plötzlichen Entschluß zurückzu“] im Voraus.
500
1000
führen ist, zu einer packenden, das Innerste hnitte ist das
erschütterden Wirkung durchzuarbeiten wußte. Na-j steht es den
Im
mentlich der dritte Act, der von den Schleiern der ndern.
Abonnemel
Abonnenter
Flüchtigkeit vollständig befreit war, griff mit voller
enthaltend die
r Morgen¬
Der Tragik durch und entfesselte begeisterte Beifallsstürme.
Inhaltsanj Frl. Clemens, welche als Christine eine Gestalt jjener Zeitung“)“
blütter schmiegsamer Junigkeit und blüthenfrischer Schönheit haftliche Lek¬
verkörperte, fand im letzten Acte mit überzeugender e Mittheil
wodurch e
des In¬
Kraft den Uibergang von der wimmernden Aengst¬
werden in
lichkeit zum heftigen Schmerze, der in wilden Tönen
das Recht des Herzens fordert. Wir lernten an diesem
Abende die vielseitige Individualität der Künstlerin,
die als Annie im „Abschiedssouper“ wiederum durch die
Keckheit und kichernde Beherztheit der Halbweltdame
überraschte, so recht schätzen und dürfen ihr an diesem
Abend die Palme des Erfolges besonders zuerkennen. Die
jungen Leute wurden von den Herren Wilhelm de
Grach und Otto Treßler dargestellt; ersterer war
augenscheinlich von einer Indisposition behindert,
welche indeß den warmen Grundton des sympathischen
Wesens zum Durchbruch kommen ließ. Herr Treßler
bot als Theodor ein Meisterstück an launiger Beweg¬
lichkeit, die in behenden Strichen ein kernfestes Cha¬
rakterbild entwarf. Herr Conrad Löwe bot als
Hans Weiring eine der besten Leistungen,
die wir von ihm während des Gastspieles zu
seben bekamen. Sein Spiel athmete eine beseelte
Wärme, die mit dem Fortschreiten der Handlung an
Ausdruck gewann und in der letzten Scene in einer
überwältigenden Erregung verzitterte. Die Mizzi
Schlager war einer heimischen Kraft, Frl. Tberese
Schrodt, anvertraut und die begabte Schau¬
spielerin führte sich mit ihrer wohl pointirten Dar¬
stellung im Großen und Ganzen glücklich in das
Eusemble ein, wenn auch die Grenzen des intimen
Bildes des Oefteren zu Gunsten einer derberen
Wirkung verschoben wurden. Dagegen kann!
der Katharina Binder der Frau Angelica Frey
volles Lob gespendet werden. Im „Abschiedssouper“
arbeiteten neben Frl. Clemens die Herren Paulsen
und Heine die Pointen des fein geschliffenen
Dialoges mit Temperament und Laune heraus
und verhalfen der bis ans Raffinement grenzenden
Milieustudie zu einem würzigem Heiterkeitserfolge¬
Die Zuschauer waren in der animirtesten Stimmung
und jubelten die Wiener Gäste den ganzen Abend
hervor. Für Frl. Clemens hatte sich eine Blumen¬
spende eingefunden.
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