5. Liebelei
box 10/6
— e e e e e e
om 20.MAl 1898
Goethe=Theater.
Donnerstag, 19. Mai. Gastspiel von Adele Sandrock:
„Liebelei" und „Abschiedssonper“ von Arthur Schnitzler.
Dies war wohl der größte Triumph, den die Sandrock bisher
erlebt hat! Die Leute waren fast wie toll, im ersten Stück bis
zu Thräuen ergriffen, im zweiten von übermüthigem Gelächter
geschüttelt. Und immer wieder riefen sie die Künstlerin hervor,
die an diesem Abend auf den Herzen der Zuhörer wie auf einem
Instrumente spielte, indem sie Proben der erstaunlichsten Ver¬
wandlungsfähigkeit ablegte.
Und doch zeigte dieser Abend, an dem Adele Sandrock die
Höhe ihrer Leistungskraft erklomm, schärfer und einleuchtender
als die beiden vorigen, was ihr fehlt und ewig fehlen muß. Mit
einem Wort: ihr fehlt die Heimath! Sie ist bekanntlich Holländerin
und hat sich des Deutschen erst ziemlich spät bemächtigt. In
keiner deutschen Landschaft oder Mundart ist sie heimisch. Was
man „Erdgeruch“, „Volkston“ nennt, ist ihr fremd. Aber mag sie
auch kein Lokalkolorit haben, das Menschliche,
in seiner
weitesten und edelsten Bedentung, ist ihe doch nirgends fremd.
So war denn ihre Cyristine in der „Liebelei“ gewiß ganz und
gar kein „Wiener Mad'l“, nicht in der Sprache und auch nicht
im Temperament (— jene „Spitzen“, die die Sandrock zuweilen
zeigte, sind ganz unwienerisch!
*) aber sie war dennoch mit
Leib und Seele das Geschöpf ihres Dichters, nur aus
dem besonderen wienerischen Boden in den Boden allge¬
meiner Menschlichkeit versetzt. Man konnte an Goethesche
Mädchen dabei denken, an
Klärchen, an Stella, an
Mariannen, und vielleicht am meisten an die Sesenheimer Friede¬
rike. Das war ganz das holde, einfältige, sterbensverliebte junge
Blut — möchte die durchgearbeitete Physiognomie der Künstlerin
auch Lügen strafen! Wie schlicht, wahr und innig waren alle
Bewegungen, war vor allem das beklommene Schweigen oder das
jubelnde Aufblitzen der Augen! Wie traulich wußte sie
den Kopf
die Brust des geliebten Mannes zu ####
legen, wie betreuten ihn ihre Hände an Schulter 1##.
und Arm! Und als dann zum Schluß die Botschaft kommt, nwar
daß Er, den sie mit der letzten Faser ihres Wesens geliebt hat, #
um einer Anderen willen in den Tod gegangen ist, da konnte man
sehen, wie das Gift des Todes langsam, aber mit furchtbarer
las
Gewalt in dieses blühende Leben bricht — da sah man jenes ien
Erzittern bis aufs Mark, die suchenden hilflosen Blicke, die her=u.
vorbrechenden Thräuen — und es waren echte Thräuen! Noch
als die Künstlerin hervorgejubelt wurde, war sie ihrer selbst
kaum mächtig. Sie starrte mit verweinten Augen ins Publikum,
war ganz noch Christine und wurde erst nach und nach wieder
Adele Sandrock, die k. k. Hofburgschauspielerin, die sich mit
einem Dankeslächeln verneigen konnte!
Und eine halbe Stunde später — da wirbelte ein völlig anderes
Wesen auf die Bühne, eine rothhaarige Balletratte, ein toller
fescher Kerl, strotzend und wild, die die Liebe aus Passion und
Profession betreibt! Hier kam das Holländische der Sandrock
voll zum Durchbruch: in moderner Sammetrobe, war sie eine
trunkene Nymphe von Rubens oder Jordaens. Die Gebärden groß
und breit, kräftige Eßbacken, nicht minder kräftige hinge¬
flezte Arme, und in allem ein protziges, derbgesundes,
stuhlumschmeißendes Gehabe. Der Einakter war für Berlin neu,
läßt sich aber beim besten Willen nicht erzählen. Nur soviel sei
verrathen, daß er nach der innigen und wehmuthsreichen Poesie
der „Liebelei“ als das eigens dazu ersonnene Satyrspiel wirkte,
in dem mit kecker und doch charmanter Laune alles das verhöhnt
vird, was vorher gepriesen und ernst genommen wurde.
Das Ensemble des Goethe=Theaters war in der „Liebelei“ bei
veitem besser als die beiden ersten Male, da die Sandrock spielte.
Margarethe Ruppricht war als fesche Mizi Schlager, zumal
n erste
Akt, von köstlicher Frisch
und gemüthlicher
Ruppigkeit, wienerisch vom Wirbel bis zur Zeh.
uch
Herr Wehrlin stellte mit Glück eine Wiener
#uf
e Beine. Und doch ist dies,
löbli
Inzelnen, vom Standpunkt der Regie ein schwerer Fe¬#
vesen. Wurde doch alle Einheitlichkeit des Spiels da
lichtet! Hier echtes Wiener Kolorit; dort, bei Herrn He
Bräm, halbwienerisches; bei der Sandrock und bei Her¬
zemein=deutscher Sprachton; bei Klara Wenck, aus
Ver¬
zweiflung, das unverfälschteste Berlinisch! Wärc es v.
scheidter gewesen, wie beim „Abschiedssonper“ auf jed
Iton
zu verzichten und so das Ganze zu retten?! N. X.
—
MmeF AAV
„OBSERVER
Nr. 18.
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/ Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a. —
Ausschnitt aus: Berüiner Bersencenrier
2 I. MA11898
vom
Vor den Coulissen.
Das „Goethe=Theater“ brachte uns am
Adele
Donnerstag einen Schnitzler=Abend.
[Sandrock setzte ihr Gastspiel in einem hier oft ge¬
spielten Stücke Schnitzler's und einem hier noch nie auf¬
geführten fort: in „Lrebel-ei“ und in „Abschieds¬
ssonper“ „eine Scene aus dem Anatol=Cyclus“.
Zum Bilde der Burgtheater=Tragödin haben die
beiden neuen Rollen wieder einige wesentliche Züge
beigetragen, aber die Aufgaben, in denen sie ihre
starke künstlerische Eigenart glänzen, ihre ganze Kraft
entfalten kann, hat Frl. Sandrock hier noch immer
nicht gefunden.
Daß wir es mit einer vollen, ausgereiften künst¬
lerischen Persönlichkeit zu thun haben, zeigt uns jede
Sceue, in der Frl. Sandrock auf der Bühne erscheint.
Eine sichere, in sich gefestete, bewußte darstellerische
Kraft kennzeichnet Frl. Sandrock immer und überall,
und diese ausgeprägte Intelligenz sollte uns nun in
„Liebelei“ das erste Liebesabenteuer eines empfind¬
samen, vom Leben noch unberührten gemüthstiefen
jungen wiener Mädchens verkörpern! Es war viel
feines und richtiges Verständniß im Erfassen, sehr
viel Kunst im Durchführen der Aufgabe. Das vor¬
nehmstille, zurückhaltene Wesen Christinen's, hinter
dem ein tiefes Gefühl sich birgt, war vortrefflich
gekennzeichnet, aber man spürte doch immr die Welt¬
gewandtheit, die dem ersten Zusammenstoz mit dem
Für 50 Zeitd Leben denn doch schon entwachsen und dem grünen
100
Jungen, in den angeblich ihre ganze Seele sich ver¬ese
200
senken soll, durchaus überlegen ist. In der Erscheinung, srto.
500
im Ton der kleineren, zarteren Sorma, ihremhlbar
oraus
" 1000
schwächeren Organ spiegelte sich das Wesen der
Im Ge
Christine viel treuer wieder. Man sagt, Schnitzlers# das
Abonnement
habe die Rolle ursprünglich für die Sandrock ge¬
Abonienten
schrieben, - nun, dann ist eben diese Künstlerin seit=“ den
dem ähnlichen Aufgaben entrückt. Im Schlußaet
übrigens war tiefes Empfinden in der Darstellung, es
war der gewaltsam verhaltene Aufschrei eines tödtlich
Es war die
verwundeten Gemüthes zu spüren.
Aeußerung einer vielbewegten, echütterten, schmerz¬
durchwühlten Seele. Hier war eine starke Wirkung
erreicht und ein starkes Schluchzen ging durch das
übervolle Haus. Stürmischer Beifall löste dann das
Weinen ab.
Die ganze Aufführung wird man nicht an der
Mustervorstellung des „Deutschen Theaters“ messen
dürfen. Dort ist das Stück in vielfachen Proben, mit
einer sorgsam angepaßten Besetzung zur Stütze einer
ganzen Saison herausgearbeitet worden, hier war es
für einen Gastspielabend schnell in Stand gesetzt worden,
so gut es ging. Dabei wurde das durchaus Wienerische
Stück wohl auch zu Berlinisch. Die köstlichen Ge¬
stalten, die damals Frau Giselz Schneider, Marie
Meyer schufen, sind hier nicht so rasch zu erreiche
gewesen. Die Herren Stahl, Wehrlin, Fräu###n
Rupricht thaten eben ihr Bestes für das Werk und
das sei anerkannt.
Eine ganz köstliche Probe ungewöhnlicher schau¬
spielerischer Technik bot Frl. Sandrock als Annie in
dem kleinen, einem Einacter=Cyclus zugehörigen
Stückchen „Abschieds=Souper“. Anatol hat
seine Geliebte, eine verwöhnte Tänzerin von der Oper,
zum Souper eingeladen, um ihr den Abschied zu geben,
denn er hat bereits eine Andere. Im behaglichsten
Austernschlürfen giebt nun sie ihm den Abschied, denn
auch sie ist bereits anderweitig vergeben. Und nun
erwachte in Anatol verspätete Eifersucht. Die kecke
Studie aus der Welt des Leichtsinns ist sehr hübsch
durchgeführt und Frl. Sandrock war in Maske,
Costüm, in Ton und Mienen, in der ganzen naiv¬
heiteren Verderbtheit der Typus der lustigen in Cham¬
pagner=Soupers ergrauenden Wandergeliebten. Eine
kleine, eigenartige Probe reifen schauspielerischen
Könnens, aber noch nicht die große Aufgabe, in der
sich Frl. Sandrock auf der Höhe ihrer Kunst zeigt.
J. 2.—
box 10/6
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om 20.MAl 1898
Goethe=Theater.
Donnerstag, 19. Mai. Gastspiel von Adele Sandrock:
„Liebelei" und „Abschiedssonper“ von Arthur Schnitzler.
Dies war wohl der größte Triumph, den die Sandrock bisher
erlebt hat! Die Leute waren fast wie toll, im ersten Stück bis
zu Thräuen ergriffen, im zweiten von übermüthigem Gelächter
geschüttelt. Und immer wieder riefen sie die Künstlerin hervor,
die an diesem Abend auf den Herzen der Zuhörer wie auf einem
Instrumente spielte, indem sie Proben der erstaunlichsten Ver¬
wandlungsfähigkeit ablegte.
Und doch zeigte dieser Abend, an dem Adele Sandrock die
Höhe ihrer Leistungskraft erklomm, schärfer und einleuchtender
als die beiden vorigen, was ihr fehlt und ewig fehlen muß. Mit
einem Wort: ihr fehlt die Heimath! Sie ist bekanntlich Holländerin
und hat sich des Deutschen erst ziemlich spät bemächtigt. In
keiner deutschen Landschaft oder Mundart ist sie heimisch. Was
man „Erdgeruch“, „Volkston“ nennt, ist ihr fremd. Aber mag sie
auch kein Lokalkolorit haben, das Menschliche,
in seiner
weitesten und edelsten Bedentung, ist ihe doch nirgends fremd.
So war denn ihre Cyristine in der „Liebelei“ gewiß ganz und
gar kein „Wiener Mad'l“, nicht in der Sprache und auch nicht
im Temperament (— jene „Spitzen“, die die Sandrock zuweilen
zeigte, sind ganz unwienerisch!
*) aber sie war dennoch mit
Leib und Seele das Geschöpf ihres Dichters, nur aus
dem besonderen wienerischen Boden in den Boden allge¬
meiner Menschlichkeit versetzt. Man konnte an Goethesche
Mädchen dabei denken, an
Klärchen, an Stella, an
Mariannen, und vielleicht am meisten an die Sesenheimer Friede¬
rike. Das war ganz das holde, einfältige, sterbensverliebte junge
Blut — möchte die durchgearbeitete Physiognomie der Künstlerin
auch Lügen strafen! Wie schlicht, wahr und innig waren alle
Bewegungen, war vor allem das beklommene Schweigen oder das
jubelnde Aufblitzen der Augen! Wie traulich wußte sie
den Kopf
die Brust des geliebten Mannes zu ####
legen, wie betreuten ihn ihre Hände an Schulter 1##.
und Arm! Und als dann zum Schluß die Botschaft kommt, nwar
daß Er, den sie mit der letzten Faser ihres Wesens geliebt hat, #
um einer Anderen willen in den Tod gegangen ist, da konnte man
sehen, wie das Gift des Todes langsam, aber mit furchtbarer
las
Gewalt in dieses blühende Leben bricht — da sah man jenes ien
Erzittern bis aufs Mark, die suchenden hilflosen Blicke, die her=u.
vorbrechenden Thräuen — und es waren echte Thräuen! Noch
als die Künstlerin hervorgejubelt wurde, war sie ihrer selbst
kaum mächtig. Sie starrte mit verweinten Augen ins Publikum,
war ganz noch Christine und wurde erst nach und nach wieder
Adele Sandrock, die k. k. Hofburgschauspielerin, die sich mit
einem Dankeslächeln verneigen konnte!
Und eine halbe Stunde später — da wirbelte ein völlig anderes
Wesen auf die Bühne, eine rothhaarige Balletratte, ein toller
fescher Kerl, strotzend und wild, die die Liebe aus Passion und
Profession betreibt! Hier kam das Holländische der Sandrock
voll zum Durchbruch: in moderner Sammetrobe, war sie eine
trunkene Nymphe von Rubens oder Jordaens. Die Gebärden groß
und breit, kräftige Eßbacken, nicht minder kräftige hinge¬
flezte Arme, und in allem ein protziges, derbgesundes,
stuhlumschmeißendes Gehabe. Der Einakter war für Berlin neu,
läßt sich aber beim besten Willen nicht erzählen. Nur soviel sei
verrathen, daß er nach der innigen und wehmuthsreichen Poesie
der „Liebelei“ als das eigens dazu ersonnene Satyrspiel wirkte,
in dem mit kecker und doch charmanter Laune alles das verhöhnt
vird, was vorher gepriesen und ernst genommen wurde.
Das Ensemble des Goethe=Theaters war in der „Liebelei“ bei
veitem besser als die beiden ersten Male, da die Sandrock spielte.
Margarethe Ruppricht war als fesche Mizi Schlager, zumal
n erste
Akt, von köstlicher Frisch
und gemüthlicher
Ruppigkeit, wienerisch vom Wirbel bis zur Zeh.
uch
Herr Wehrlin stellte mit Glück eine Wiener
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e Beine. Und doch ist dies,
löbli
Inzelnen, vom Standpunkt der Regie ein schwerer Fe¬#
vesen. Wurde doch alle Einheitlichkeit des Spiels da
lichtet! Hier echtes Wiener Kolorit; dort, bei Herrn He
Bräm, halbwienerisches; bei der Sandrock und bei Her¬
zemein=deutscher Sprachton; bei Klara Wenck, aus
Ver¬
zweiflung, das unverfälschteste Berlinisch! Wärc es v.
scheidter gewesen, wie beim „Abschiedssonper“ auf jed
Iton
zu verzichten und so das Ganze zu retten?! N. X.
—
MmeF AAV
„OBSERVER
Nr. 18.
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/ Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a. —
Ausschnitt aus: Berüiner Bersencenrier
2 I. MA11898
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Vor den Coulissen.
Das „Goethe=Theater“ brachte uns am
Adele
Donnerstag einen Schnitzler=Abend.
[Sandrock setzte ihr Gastspiel in einem hier oft ge¬
spielten Stücke Schnitzler's und einem hier noch nie auf¬
geführten fort: in „Lrebel-ei“ und in „Abschieds¬
ssonper“ „eine Scene aus dem Anatol=Cyclus“.
Zum Bilde der Burgtheater=Tragödin haben die
beiden neuen Rollen wieder einige wesentliche Züge
beigetragen, aber die Aufgaben, in denen sie ihre
starke künstlerische Eigenart glänzen, ihre ganze Kraft
entfalten kann, hat Frl. Sandrock hier noch immer
nicht gefunden.
Daß wir es mit einer vollen, ausgereiften künst¬
lerischen Persönlichkeit zu thun haben, zeigt uns jede
Sceue, in der Frl. Sandrock auf der Bühne erscheint.
Eine sichere, in sich gefestete, bewußte darstellerische
Kraft kennzeichnet Frl. Sandrock immer und überall,
und diese ausgeprägte Intelligenz sollte uns nun in
„Liebelei“ das erste Liebesabenteuer eines empfind¬
samen, vom Leben noch unberührten gemüthstiefen
jungen wiener Mädchens verkörpern! Es war viel
feines und richtiges Verständniß im Erfassen, sehr
viel Kunst im Durchführen der Aufgabe. Das vor¬
nehmstille, zurückhaltene Wesen Christinen's, hinter
dem ein tiefes Gefühl sich birgt, war vortrefflich
gekennzeichnet, aber man spürte doch immr die Welt¬
gewandtheit, die dem ersten Zusammenstoz mit dem
Für 50 Zeitd Leben denn doch schon entwachsen und dem grünen
100
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200
senken soll, durchaus überlegen ist. In der Erscheinung, srto.
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schwächeren Organ spiegelte sich das Wesen der
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Christine viel treuer wieder. Man sagt, Schnitzlers# das
Abonnement
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Abonienten
schrieben, - nun, dann ist eben diese Künstlerin seit=“ den
dem ähnlichen Aufgaben entrückt. Im Schlußaet
übrigens war tiefes Empfinden in der Darstellung, es
war der gewaltsam verhaltene Aufschrei eines tödtlich
Es war die
verwundeten Gemüthes zu spüren.
Aeußerung einer vielbewegten, echütterten, schmerz¬
durchwühlten Seele. Hier war eine starke Wirkung
erreicht und ein starkes Schluchzen ging durch das
übervolle Haus. Stürmischer Beifall löste dann das
Weinen ab.
Die ganze Aufführung wird man nicht an der
Mustervorstellung des „Deutschen Theaters“ messen
dürfen. Dort ist das Stück in vielfachen Proben, mit
einer sorgsam angepaßten Besetzung zur Stütze einer
ganzen Saison herausgearbeitet worden, hier war es
für einen Gastspielabend schnell in Stand gesetzt worden,
so gut es ging. Dabei wurde das durchaus Wienerische
Stück wohl auch zu Berlinisch. Die köstlichen Ge¬
stalten, die damals Frau Giselz Schneider, Marie
Meyer schufen, sind hier nicht so rasch zu erreiche
gewesen. Die Herren Stahl, Wehrlin, Fräu###n
Rupricht thaten eben ihr Bestes für das Werk und
das sei anerkannt.
Eine ganz köstliche Probe ungewöhnlicher schau¬
spielerischer Technik bot Frl. Sandrock als Annie in
dem kleinen, einem Einacter=Cyclus zugehörigen
Stückchen „Abschieds=Souper“. Anatol hat
seine Geliebte, eine verwöhnte Tänzerin von der Oper,
zum Souper eingeladen, um ihr den Abschied zu geben,
denn er hat bereits eine Andere. Im behaglichsten
Austernschlürfen giebt nun sie ihm den Abschied, denn
auch sie ist bereits anderweitig vergeben. Und nun
erwachte in Anatol verspätete Eifersucht. Die kecke
Studie aus der Welt des Leichtsinns ist sehr hübsch
durchgeführt und Frl. Sandrock war in Maske,
Costüm, in Ton und Mienen, in der ganzen naiv¬
heiteren Verderbtheit der Typus der lustigen in Cham¬
pagner=Soupers ergrauenden Wandergeliebten. Eine
kleine, eigenartige Probe reifen schauspielerischen
Könnens, aber noch nicht die große Aufgabe, in der
sich Frl. Sandrock auf der Höhe ihrer Kunst zeigt.
J. 2.—