II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 453

Liebelei
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Ausschnitt
Nr. 15
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Ausschnitt aus: Berliner Tageblatt
vom 4 1838
Adele Sandrock ab gestern im Goethe=Theater vor
P.
einem überfüllten und im kantesten Beifall unermüdlichen Hause zwei
Wiener Rollen in zwei Stücken von Arthur Schnitzler. Ihr!
Stiet erneute nme wieder die schon gesonnenen Eindrücke. Man fäst
nur bestätigt, daß sie eine Künstlerin ersten Ranges sei, die so bedeutend
ist, daß sie ihre Rollen ganz falsch, mit herrischer Verachtung des vom
Antor gewünschten Gebildes nehmen konn und dech immen die Macht über
die Gemüther behält. Diese Christine ir Schnitzlers „Liebelei“
ist ein kleines verliebtes Wiener Mädel ohne alle Ahnung ven dem
Ernst der Dinge und schon ganz und gur glücklich, wenn sie nur ihr
Köpfchen an Fritze. Schulter legen kann. Sie will nur geliebt und
geherzt sein, sonst nichts. Sie hat nur einen Lebensbrang: das
hat nur einen Gott: das ist der
ist die Liebe; sie
dem sentimentalen Klavierspiel,
halbgrüne Student wit
1 Ein bischen tiefer und innerlicher als der Durchschnitt ist sie wohl.!
1 Das zeigt der Schluß, der Kraihen laßt. daß sie um ihrer Liebe
willen sogar ben Sprung in die Donau wagen könnte. Agnes!
1 Sorma, mit ihrem warmen Herzen und ihrer lachenden Weltlust.
hat damals im „Deutschen Theater" das Verliebtsein gewiß an¬
muthiger gegeben, ganz wie der Wiener Dichter Christinchen gesehen
haben mag. Adeie Sandrock aber dichtete sich ihre Christine
noch einmal für sich. Streng und groß, im Blick schon!
einen Schatten des kommenden tragischen Ereignisses, schreiler
####e einher. Ihr ganzes Talent ist ja auf das Kritische gestellt; kein)
1 Ton liegt ihr besser als der des Hohnes; ihre „Francillon“ hatte;
etwas von der Erinnye an sich. So wächst sie auch als Christine weir!
über das Maß der Rolle hinaus. Wie eine finstere Anklägerin stehr!
sie da: „oh, ihr jammervollen Männer, die ihr nur liebelt wo wir
lieben! Oh, ihr verruchten sozialen Justände, die ihr zwei Herzen;
nicht zusammen kommen laßt, die doch zusammen gehören.“ In dieser;
Für
Gtils, in buesem hohen geistigen Standpunkt log der de¬1
#ängstigende Reiz ihres Spiels. Und dann noch in etwas Anderem,
rein Aeußerlichem, was aber den moralischen Inhalt erst
klar macht, weil es ihm die rechte Form giebt. Das ist die wunder¬
volle Vorsicht ihres Spiels. Ihr langsames Vorbereiten der großen sas
en
Abon Augenblicke ist unübertrefflich. Sie könnte immer mehr geben als sie
Abon wirklich giebt, dem Besuv gleich, der zumeist nur irch einen Rauch¬
rrom des verzehrinde Zeuer des Inneren verrath. Aberzwenn erl
So war auch die Schlußszene der Sa#### von einer
Tubbricht
Wuth und Gluth, die alles niederwarf.
Die Wiener Schauspielerin wurde in der ###belei“ von den
Herren Stahl, Wehrlin und Helmuth=Bram und von
Fräulein Rupricht sehr gut unterstützt¬
In dem folgenden Einakten Abschiedssonper — ebenfalls
onSchnitzler aus eiem Anatolehklus .— halfen ihr Herr.
Bira und Herr Grunmald. Das Stückchen ist eine kleine liebens¬
würdige Frechheit. Ein Lebemann will seiner Balletdame den Ab¬
schied geben. Ihm fällt es schwer, das letzte Wort zu sprechen. Aber
es kommt garnicht dazu. Denn sie selbst, viel kuragirter als er, giebt
ihm ihrerseits den Laufpaß, weil sie einen Anderen gesunden hat.
Man mochte der Sandrock beinahe böse sein, daß sie ihrer Christine
der himmlischen Liebe, die irhische Liebe Annies folgen ließ. Das war ein
bischen Virtnosenthum, nur um zu zeigen, was alles man spielen
kann. Und sie spielt das kleine Laster mit der Naivetät einer Ver¬
#necenhatt die Lauta
nfeits pan 4n## und Mosorsteht, sohr amnsant.
über das könne viele andere auch und vielleicht noch humordoller.
Wir wüßten and#re Nollen für sie: Medea, Sappho und Aehnliches.
Wie es heißt, wird die die Hero spielen, vorher aber die „Eva“ vos¬
Nichard Boß und zwar am nächsten Dienstag.
al
Ausschnitt aus Norddenische al'demeine Ztg.
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vom
G. Z. Frl. Sandrock hat am Mittwoch und Donners¬
tag ihr Gastspiel am Goethe=Theater mit einem Erfolge
fortgesetzt, den man märchenhaft nennen kann. Sowohl in der
Vorstellung von „Maria Stuart“ wie in Schnitzlers.
„Liebelei“ und „Abschiedssouper“ war das Haus aus¬
verkauft, und ausverkaufte Häuser im Goethe=Theater am
Schluß der Saison: das sind drei Dirge, die man erlebt
haben muß, um sie zi glauben. Und wie sich das für ein
ausverkauftes Haus zlemt, war der Beifall an beiden Abenden
stürmisch, „frenetisch“. Wir sind so ketzerisch, diesem Erfolge
einfach rathlos gegenüber zu stehen, da wir seine Berechtigung
absolut nicht einsehen können. Ist es der Reiz des Auswärti¬
gen, ist es der Wunsch, die in letzter Zeit so viel genannte
Künstlerin persönlich kennen zu lernen, der so zahl¬
wir wissen
reiche Besucher in dieses Theater zieht
es nicht: aber irgend eine starke Suggestion ist hier
wirksam und besticht das gesunde Urtheil. Es ist nöthig,
das zu sagen, denn es ist ein Unrecht gegen unsere heimischen
Künstler, eine Fremde so über Gebühr zu feiern. Wir nehmen
uns also die Freiheit zu gestehen, daß Fräulein Sandrocks Maria
Stuart uns als eine durchaus nicht hervorragende Leistung er¬
scheint. Das Organ der Darstellerin, das in der Mittellage so
süßen Wohllauts fähig ist und die denkbar reichste Modulation
verspricht, versagte im Affekt durchaus: es klang heiser, keifend,
unedel in der Gartenszene, und es ließ durchaus den Klang
edlen, hoheitsvollen Stolzes vermissen im ersten Akte bei der
wundervollen Erwiderung auf Burleighs Eröffnungen. Es ist
#0 möglich, obgleich uns von kundigen Leuten das Gegentheil
100 versichert ist, daß Fräulein Sandrock mit einer augenblicklichen
200 Heiserkeit zu kämpfen hatte. Wir bemerkten im ersten Akte,
500 daß sie einige Male einen Hustenreiz zu unterdrücken versuchte.
1000 Ein anderer Mangel ihrer Maria aber ist sicher nicht auf das
naugenblickliche Indisposition zurückzuführen, der Mangel an jen
Wir sind keinen Augenblick das Gefühl
Abonnen Innerlichkeit.
####nerlos geworden, einer Virtuosin der Ausdrucksmittel,
einer genauen Berechnung der Wirkung statt dem unmittel¬
baren Ausdruck einer erlebten Empfindung gegenüberzustehen.
Tritt man an diese Maria mit dem allein erlaubten Me߬
stabe heran, ob dieser Ton, diese Geste, dieser Accent aus der
Situation und aus dem jeweiligen Seelenzustande heraus er¬
klärlich und berechtigt ist, so wird man mit Erstaunen wahr¬
nehmen, wie oft Fräulein Sandrock um der augenblicklichen
Wirkung willen das oberste künstlerische Gebot der inneren
der Angelpunkt
aber ist
Wahrheit verletzt. Hier
für die Beurtheilung einec schauspielerischen Dar¬
bietung: Alles Andere mag subjektio sein, hier is
ein objektives Moment für die Kritik. Uns verletzt es aufs
Tiefste, wenn wir inmitten eines anscheinend unmittelbaren
ien,
Gefühlsausbruchs einer kühl ausgeklügelten Nüan
und daran läßt es Fräulein Sandrock nicht fel
wenn sie dem oherflächlichen Beurtheilen
erscheint. Ein selbstsicheres „qualis artifé
sammten Persönlichkeit, das aber ist
stlerischen Wirkung auf den empfängliche
,daß der Mangel an Junerlichkeit i 16
istine Weiring in Schnitzlers#e
Darbietung des Gastes am Himmelfagtstage,
sonders störend hervortritt. Ein junges? ädchen, des zum ersten
Male mit der ganzen Kraft ihres reichn, weichen Gemüthes
ihr Geliebter sei im
liebt, und das nun erfährt,
eine andere Frau,
im Duell um
Duell gefallen,
ohne intensives Mitempfinden
ein solches Mädchen
Erlebens darzustellen,
tiefen seelischen
des ganzen
ist ein Unding. Fräulein Sandrock führte wohl eine lange
Reihe von Ausdrucksmitteln vor, deren virtuose Beherrschung
Bewunderung verdient, sie zitterte, sie raste, sie weinte vor
Allem, so wie wir bisher noch keine Darstellerin haben weinen
sehen, und es ist ganz natürlich, daß eine beinahe in Wein¬
krämpfen liegende Frau nicht gleichgültig läßt, aber eines ist
sicher: die Christine Weiring Schnitzlers wird ihren Empfin¬
dungen einen weniger kunstvollen, aber dafür unendlich viel
wahreren Ausdruck geben. Und dann d rf doch auch nicht ver¬
schwiegen werden, daß die äußere Ersc enung des Gastes nicht
Lenden
mehr zur Verkörperung dieses
9#,
Mädchens paßt. — Die zweite Rolle## Abonds w#r die
Balleteuse Annie in Schnitzlers gewagtem Einakter
„Abschiedssouper“, der dem Zyklus „Anatol“ entnommen
Anatol
ist (3. Auflage, S. Fischers Verlag, Berlin).
ist ein sehr interessanter Typus aus der modernen Wiener
Gesellschaft: ein blasirter Lebemann mit der raffinirtesten Ge¬
aften immer
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