II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 472

Liebe
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vom 5 - JUl 1898
— Man schreibt uns ans Berlin, 3. Juli: Fräulein
Hansi Niese, die lustige und originelle Wiener Soubrette, die
jetzt mit dem früher Graselli'schen Ensemble die Berliner im
Thalia=Theater erheitert, wollte ihnen partout einmal ernst kommen.
Sie trat daher heute in einer von der Sommer=Direction Janus
im Residenz=Theater veranstalteten Mittagsvorstellung zum Besten
leidender Bühnenkünstler als Christine in Schnitzler's herbem
Schauspiel „Liebelei“ auf. Die ausgezeichnete Künstlerin hat damit
zwar allerdings den Beweis geliefert, daß sie auch ernsten
Charakter=Rollen gewachsen ist und wirklich tragische Töne anzu¬
schlagen versteht. Wer sie aber in dem darauf folgenden „Abschieds¬
Souper“ desselben Verfassers sah und dann hörte, welche aus¬
gelassenen Töne ursprünglichsten Humors sie anzuschlagen versteht,
wird ihr nur rathen können, sich mit dem Rufe zu begnügen, ene
geniale Wiener Sonbrette zu sein.
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vom 5— JUl. 1898
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Theater und Musik.

G. Z. Frl. Niese hat mit ihrer Christine in Schnitzlers
1„Liehelei“, die sie am Sonntag in einer Wohlthätigkeits¬
Matinée des Residenz=Theaters spielte, bewiesen, daß sie mehr
kann, als lachen und lachen machen, daß sie auch Thränen
vergießen und zu Thränen rühren kann, mit einem Worte:
daß sie eine ganze und echte Künstlerin ist. Cine von jenen
glücklichen Darstellerinnen, die nicht den langen Weg durch
Kunst zur Natur zurückzulegen brauchen, sondern bereits be¬
sitzen, was andere mühsam erringen mussen, und nur noch
nöthig haben, der Natur durch ein wenig Kunst zu Hülfe zu
kommen. Denn technisch war die Christine Frl. Nieses noch
mancher Verbesserung, manchen Ausgleichs fähig. Das
noch nicht
Organ ist
geeignet, alle Modulationen
der Leidenschaft fügsam
wiederzugeben, aber was
will das sagen gegenüber der hinreißenden Wahrheit
=dieser Leidenschaft. Fraulein Niese sucht nicht lange nach dem
richtigen angemessenen Ton, denn sie geht vollständig in ihrem
Spiele auf, und daher trifft sie immer den rechten Ton, bleibt
immer wahr, gestaltet immer aus der Situation heraus. Wie
kalt ließ Fräulein Sandrock mit all ihren glänzenden Mitteln,
und wie mächtig ergriff Fräulein Niese mit ihrer un¬
gekünstelten Art. All die bange Stimmung, die vom ersten
Akte an über den Szenen liegt, all de
ahnungsvolle
Empfinden, das in dem liebenden Herzen des armen Mädels
kein rechtes Glück aufkommen läßt, und all die hingebende
Zärtlichkeit, die in den wenigen Augenrlicken des Alleinseins
Far 5 mit dem geliebten Manne überwältigend aus ihr hervor¬
10 bricht und sie Welt und Menschen vergessen läßt, und¬
20 endlich der maßlose Schmerz, in dem sich die lange,
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50 bange Spannung löst: wie wunderbar echt und ergreifend
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klang das Alles aus jenem Munde, der uns sonst nur lachend!
schelmische, kecke Kouplets sang! Es ist gewiß der Wunsch
Abonn
den
Vieler, daß Fräulein Niese es nicht bei diesem einen Auftreten
Abonn
als Christine läßt, und daß die Vorstellung recht bald noch
einmal wiederholt wird. Auch sonst konnte sich diese wohl
sehen lassen. Namentlich Herr Jarno als Theodor, Herr!
Marx als alter Weiring und Frau Pagay (Frau Binder)
waren vortrefflich. Herr Reusch (Fritz) war etwas eintönig,
und Fräulein Wirth als flotte Schlager=Mizi traf nicht
immer den Ton des leichtlebigen, allzeit vergnügten Mädels.
Ihre Lustigkeit war zu nervos, zu bewußt, zu sehr gespielt.
Ganz unmöglich war Herr Froböse als gekränkter Gatte.
In „Abschiedssouper“, das auch diesmal wieder auf
„Liebelei“ folgte — im ersten Stück die Liebelei, wie sie sein
kann, im zweiten, wie sie sein soll, eine Liebelei nach dem
Herzen der Schlager=Mizi — war Fräulein Niese ganz das
Mädchen, an dem ein Anatol wohl einige Zeit Gefallen finden
kann. Ein flottes Ding von unglaublicher Urwüchsigkeit,
naiv und schlau zugleich, immer zum Lachen geneigt und ernst¬
haft verliebt im Grunde nur in den „Schampus“ und die
Austern. Keinen Augenblick war sie ordinair, was Schnitzler
an einer Stelle übrigens seltsamer Weise vorschreibt, sondern
eben nur vollständig formlos. Herr Jarno war ein flotter,
aber doch nicht der richtige Anatol, wie man ihn sich nach der
Lektüre des Buches vorstellt: ein Genußmensch mit raffinirt
usgebildeten Sinnen, in Allem immer noch Aesthetiker und,
otz aller Blasirtheit, noch genußfähig.