II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 494

Zweites Blatt.
Bremer
General=Anzeiger.
Nr. 290.

denen sie in Berührung kommen, ernst, während
frau, die im zweiten Akt auftritt. Daß das Stück kleinen, u
Bremer Stadt-Theater.
Theodor und Mizzi leidenschaftslose Naturen sind,
auf Wiener Boden erwachsen ist, iverhehlt sich gab ein
Gastspiel Sorma:
die das Leben genießen, aber einer vollensuirgends; das giebt sich an seinen liebenswürdigen Stelle ab
Freude, einer großen Liebe nicht fähig sind. Menschen ebenso, wie an vielen kleinen Zügen kund.
hätte
„Liebelei“. „Esther“.
Nun hat Schnitzler sehr fein das stärkere Wiener Freude an Musik klingt in dem Stück
wenig m
Agnes Sorma in Bremen! Was dieser
Temperament den beiden Frauen zugewiesen undlwieder, und auch dem Kahlenberg wird ein, wenn
B
Name heute für eine Zauberkraft besitzt, das
dadurch unterscheiden sie sich wieder von den auch flüchtiger Blick gegönnt. Es ist eine lebens¬
Vorau
bewies die gestrige Vorstellung unseres Stadt¬
Männern. Während Fritz seine Liebesgeschichten volle Schöpfung, die Schnitzler mit seiner „Liebelei“
in der Fr
theaters. Das Haus war bis zum letzten Platz zu ernst nimmt, wie ihm Theodor in leichterer geschaffen hat, dem Leben mit der Kraftdes Künstlers
konnte,
gefüllt, die Stimmung festlich, und die liebe Lebensauffassung vorwirft, wird er von einer nachgebildet. Freilich wird ein wenig viel theoretisirt Probe ih
Künstlerin ward ebenso herzlich willkommen
Liebe doch nicht so ganz erfüllt, wie Christinesin dem Stück: so theoretisiren Fritz und Theodor[Lindiko
geheißen, wie ihr während des ganzen Abends
und legt doch nicht seinen ganzen Lebensinhalt über die Liebe, der alte Weiringer über die Jugendsals Hama
Theilnahme und Beifall beschieden waren.
hinein, wie das Mädchen. Mann und Frau werden
in ihrem Verhältniß zur Lebensfreude, und Schatten Seite stau
Diesen Beifall wußte sie auch dem Schauspiel
wieder einmal in den scharsen Gegensatz gestellt,
einer solchen Analysirungslust fallen auch auf
„Liebelei“ des jungen Wiener Dichters Arthur
der in ihren Naturen begründet ist. Und ebenso Christine. Statt reiner Empfindung giebt sie
Schnitzler (zuzuführen, welches sie als erste
fein und lebenswahr sind Theodor und Mizzi ge=manchmal Auseinandersetzungen, die mehr dem
unserem Publikum bekannt machte. Man sagt ja
des
zeichnet, deren Liebe von leichterem Schlage Dichter gehören, als dieser aus einfachen Empfin¬
wohl, daß die Bremer und Bremerinnen den
Die da
und mit
dem hohen Namen Liebe kaum
dungen zusammengesetzten Mädchennatur.
Schöpfungen moderner Dichter gegenüber bisher
hältnißmä
mehr zu
benennen ist; sie wechselt rasch
eine gewisse kühle Reservirtheit bewahrt haben, wie
Die Christine in die Welt der Bretter zu ge=ragendsten
mit ihren Gegenständen, ohne tiefere Eindrücke zu leiten und sie von neuem zu blühendem Leben Wiedergab
sie überhaupt gern darauf hinweisen, daß Neues
empfangen, und die Frau, die ihr Leben und ihre
und Fremdes bei ihnen nicht leicht Eingang finde.
zu erwecken, ist eine Aufgabe für Frau Sorma, llegentlich
rasch auf einander folgenden Neigungen so kühl
die so recht für ihre künstlerische Individualitätslichen
Gestern war nun von dieser Zurückhaltung betrachtet, wie Mizzi, ist noch um einige Nüancen
nichts zu spüren. Mag
geschaffen ist. Sie gab der Rolle vor allem den
leider nur
sein, daß leichtfertiger und roher in ihrem Empfinden,
die Gastin eine so beredte und überzeugende
Zug, der die Grundlage jeder Christinen¬
Der Kasin
als der Mann. Es ist von vornherein klar,
Darstellung bilden muß, eine holde und
Interpretin des Stückes war, mag dessen
Programn
daß ein Verhältniß, wie das zwischen Theodor
Werk selbst mit seiner einfachen Lebenswahrheit
keusche Mädchenhaftigkeit. An diesem Kinde zusammen
und Mizzi ebenso rasch gelöst werden wird, wie
und erschütternden Tragik rasch gesiegt haben,
hat die Welt mit trüben Eindrücken noch nicht ermüdende
es geschlossen ist und tragische Verwickelungen
gerührt, diese Seele hatte bisher keine Unreinheit Inhalt ni
jedenfalls übte es eine ungemein starke Wirkung nicht zuläßt; wohl aber werden Menschen wie
aus und siegte auf der ganzen Linie.
Christine und Fritz durch ihr Liebesleben auf das getrübt. Es war der höchste Verdienst der Dar=sprächen.
Arthur Schnitzler ist trotz seines weichen
stellung Agnes Sormas, daß sie eine solche Per=gramm di
stärkste beeinflußt, und aus ihm entspringen ihre
Empfindens dichterisch keine konziliante Natur;
sönlichkeit glaubhaft vor uns erstehen lassen[Goetz, d
Schicksale im Leben und in der Dichtung. Es
alle seine Werke drängen zu gewaltsamer Ent¬
konnte, die uns rührend und lieb mit schickten F
wiederholt sich in der „Liebelei“ im kleineren der
scheidung, und Todesurtheile unterzeichnet er mit
einem Blick anschaute, in dem noch nichts würdigen,
ewige Gegensatz zwischen Faust= und Mephistopheles¬
rascher Hand. Auch die „Liebelei“, das nach
Wissendes liegt. Und doch können diese Augen, Inhalt
Naturen, die auf den leichtlebigen und der Liebe
einigen höchst feinen kleineren Arbeiten seinen
die Frau Sormas wirksamstes äußerlich=innerliches die Hörer
und sanften Gefühlen günstigem Boden Wiens
Namen zuerst einem größeren Publikum bekannt
Hülfsmittel sind, so beredt sprechen und alle Ge=erste Satz
verpflanzt und von einem Wiener Dichter nach
machte und nun ziemlich spät seinen Wegnach Bremen
fühle der Liebe und des Schmerzes deut=Durchführ
seiner Anschauung und seinem Erleben neu gestaltet
gefunden hat, drängt von Anfang an konsequent
licher und feiner nüanzirt zum Ausdrucksrief das
werden; es fehlt auch nicht das holde Grethchen,
einem traurigen Ausgang zu. Schon von der
bringen. Die Steigerung der Angst bis
„Intermez
und Mizzi bildel zu Christine denselben Kontrast
ersten Szene an liegt über dem Stück eine schwere,
zu dem Moment, wo die entsetzliche Gewißheit! Theil des
platter Lebensnüchternheit, wie Martha Schwert¬
wehmuthsvolle Stimmung und lastet mit banger
ihr klar wird, war von Stufe zu Stufe organisch was in
lein zu Grethchen.
Ahnung und drückender Angst auf den beiden
entwickelt, und das Leiden Christinens griff zuletzt geschrieben
Hauptpersonen. Mit wenigen, leicht andeutenden
Daß die Persönlichkeiten des Schauspieles im hart an unsere Seele. Dagegen gab Frau Sormas Opus all
vollen Licht des Tages vor uns stehen, und
daß
und doch die Situation rasch erhellenden Worten
in den Momenten des Alleinseins vor der An Selbst
legt uns der Dichter sofort klar, worum es sich
wir ihnen bis auf den Grund der Seele zu Katastrophe für unser Gefühl ein wenig zu viel, weder
schauen vermögen, daß uns ihr ganzes Leben,
handelt. Fritz Lobheimer, ein in sorgenloser
wielund die nagende Sorge schien uns in ihrem gleich, noch
Existenz dahinlebender Student, der, wie esles sich auch vor dem Beginn des Stückes ab=Ausdruck zu stark unterstrichen zu sein;lich dahin
scheint, nicht etwa erst in den ersten Semestern, gespielt hat, klar wird, und alles menschlich wahrses war nicht mehr ganz die einfache Symphoni
sondern vor dem letzten Examen steht, ist vor uns erscheint, das ist die große Kunst des Cbristine, die uns vorher so erfreut hatte. Dielden bewäh
einer verheiratheten Frau durch nahe Be=Dichters. Was an äußeren Ereignissen in das Stück Ausbrüche starken leidenschaftlichen Schmerzes O. Pfitzn
ziehungen verbunden und hat so nebenbei das hineinspielt, ist gering; der Werth und die Machtlleiden ein wenig durch das nicht sehr kräftige wünschen
Herz eis jungen Mädchens aus dem Volk des Stückes liegt in der künstlerischen Gestaltung Organ, das größeren Anstrengungen nicht stand
Anerkennu
gewonnen. Seine ganze Leidenschaft gehört jener und Ausmalung seiner Persönlichkeiten, liegt in hält. Jedenfalls aber hat uns Frau Sorma mit
herrlicher
Frau, die ihn ungemein interessirt, über die er der großen Kunst, eine todesbange Stimmungihrer Christine eine Gabe geboten, die einer großen poesievoller
nachdenkt, und die ihm „dämonisch“ erscheint, selbst über die heiteren Szenen zu verbreiten, eine Menschendarstellerin würdig ist.
in ähnlic
die fortwährend gesteigert wird,
während Christine Weiring, die Tochter eines Stimmung,
Das von Herrn Burchard geschickt in Szene[ Smeta
schließlich all die traurigen
Violinspielers in einer Theaterkapelle, für ihn nicht bis sich
gesetzte Schauspiel fand auch sonst eine würdige Dichtung
Ahnungen verwirklichen und Christine die
mehr bedeutet, als ein Zerstreuungs= und Ab¬
Vertretung. Herr Carl als Fritz hätte der Philh
furchtbare Nachricht erhält, daß Fritz im
lenkungsmittel. Für Christine aber, die sich dem
dieser mit Wärme und Frische dargestellten Komponist
flotten hübschen Jungen in erster heißer Liebe hin¬
Duell gefallen ist — für eine Andere. Jetzt entlädt Rolle noch einen Zug von leichter Blasirtheit
sich aus
sich ihre lange zurückgehaltene Leidenschaft in geben
gegeben hat, ist er der Einzige, den sie je geliebt
war
er
müssen;

fast zu wickelnden
einem Ausbruch schmerzlichster Verzweiflung, die
hat und lieben wird. Im gehört sie mit Leib und
gesund für diesen Schwüchling. Daß Herr Carl Heimath.
Seele, für Gegenwart und Zutunft — das sagt sie und
dadurch so zehrend, so niederbeugend wirkt, weilssich am Klavier nicht auf das Spiel hinter der Ausführun
das glauben wir ihr auch —, denn solche hohe Christine fühlt, wie wenig sie im Leben dieses
Szene zu verlassen braucht, sondern selbst der in beson
Mannes bedeutet hat, obwohl Fritz vor seinem
und große Liebe ist eins mit der Treue, und wie
Töne Meister ist, sei mit Anerkennung erwähnt. Die Wirk
Todesgange wohl erkannt und gefühlt hat,
sie den Menschen ganz erfüllt, so entspringt auch
Ein munterer Theodor war Herr Marlow,würde übr
sein Schicksal aus ihr und führt, wenn die Lebens¬
wo er sein Glück gefunden hätte, wenn wenn er auch mit einigen Pointen seiner Rolle die Akustik
umstände sich hindernd in den Weg stellen, sicher
ihm noch Zeit zum Glück vergönntnoch eine größere und vom Dichter beabsichtigte einem Uebe
Und da nach dem
worden wäre.
zum Unglück, zur Katastrophe.
Wirkung erzielen könnte. Wenn Herr Carlshätte. Im
Diese Exposition entwickelt sich in der Wohnung Tode des Geliebten, der ihrer nicht würdig war,garnicht wienerisch sprach, und die anderentirte sich
des Fritz in einem Gespräch mit seinem Freunde
auch ihr Leben keinen Werth mehr hat, stürzt sie Darsteller, einschließlich Frau Sorma, denser hatie
Theodor. Der Dichter hat in diesen beiden
hinweg und wir glauben dem Vater, der in tiefstem Dialekt nur andeuteten, was immer besser ist, alslund sehr
jungen Männern ebenso zwei Charaktere kon¬
Kummer die Worte spricht: „Sie kommt nicht ihn mangelhaft zu sprechen, so war Frl. Starkvon M#
wieder.“
trastirt, wie in der Christine und ihrer Freundin
als Mizzi urwienerisch in Wesen und Worten. Der dami
Mizzi Schlager. Fritz und Christine nehmen
Diese Kunst der Menschenschilderung zeigt auch Herr Burchard fand als Papa Weiringer verdient, de
ihr Schicksal schwer und die Menschen, mit Christinens Vater und ebenso die Strumpfwirkers=warme Töne. Herr Dr. Manning in der vortrefflich