Liebele1
5. Sennenn
box 10/7
Theater umd Mulik.
ss Münchner Schauspielhaus. Gestern Dienstag
spielte Adele Sandrock die „Ehristine“ in Schnitzlers
„Liebelei“ und die „Annie“ in der famosen Szene aus
dem Anatol=Cyklus desselben Autors, „Abschieds¬
souper“. — Christine und Annie — ein Gegensatz, wie
man ihn großer sich nicht denken kann. Nur eine große
Künstlerin oder eine große Virtuosin vermag in beiden
Rollen zu triumphiren. Und daß die Sandrock wahrhaft
die geniale Künstlerin ist, von der wir solches erwarten
durften, das bewies sie gestern. Zuerst in dem wehmüthig¬
heiteren Schauspiel „Liebelei". Eine einfache, maien¬
zarte duftige Liebesgeschichte, deren Mittelpunkt die
Christine, ein süßes, blondes Mädel, bildet. Eins von
jenen köstlich bescheidenen Blümchen auf dem weiten
Anger des Daseins, die, wenn einmal die Liebe über sie
ihre Sonnenstrahlen ausgießt, aufblühen, märchenschön,
über Nacht, blühen und duften und — vergehen beim
ersten rauhen Hauch, der über sie hinweht... Dieses
Musikertöchterlein nun, das eine große, erste Liebe tödtet,
weil es zu tiefgründig ist, um den großen ersten Schmerz
zu verwinden — dies wunderbare Geschöpf mit den
Veilchenaugen und Kirschenlippen und der guten, goldenen
Seele wurde von Adele Sandrock verkörpert. Es war ein
Gebilde aus Meisterhand und Meisterherzen. Nicht das
kleine, stille Wiener Mädel, das man erwartete. Die
Sandrock enthielt sich des Dialekts und sie nahm
dadurch ihrer Christine wie dem Stück selbst einen
der wesentlichsten Grundtöne, der nicht so leicht
durch etwas Anderes zu ersetzen war. Sie aber er¬
setzte es doch und durch das Beste, was sie bieten
konnte: durch den Zauber ihrer eigenen Persönlichkeit.
Durch ein ergreifendes Spiel, durch eine Ein
die ich monumental nennen möchte, fürchtete ich
werden. Eine Einfachhei
suns erklingen und erzittern macht,
s Herzens fluthend
nK
macht.
naufth
e
ne verzie
redete etwe
Wammsi
t mit dem ungest
dem heißen Begeh
Thränen immer
Frage der armen ver
ich ihm denn?!“ wird auf
ock zu einer erschütternden,
gegen Jene, die mit ewige
erständnißlos über di
Genuß. W
ann muß mn
en. A
mit dem K
in Weib auf der
e, still, in sich v
Kaum,
daß es sich bewegt. Nur die Seele spricht, die
gen reden
— die Worte wandeln sich in eine erschütternde Symphonie
der Liebe und des Leids ... In diesem dritten Akt wuchs mit
der Sandrock auch unser vortrefflicher Wallner zu wahrhaft
erhabener Größe empor. Sein alter Musikus ist eine künst¬
lerische Leistung ersten Ranges. Fräul. Bré als die leicht¬
lebige, gedankenleichte Mizi Schlager traf den Cha¬
rakter und Ton dieser neben der Christine köstlichsten
Figur des Schauspiels meisterlich. Ausgezeichnet war
auch Herr Steck als Theodor, recht gut Herr Röhl
als Fritz und Fräulein Enzinger als Katharine. Ihr würde
nur noch ein wenig mehr Dialekt anzuempfehlen sein. Der
Unbekannte des Herrn Sturm würde bedeutend mehr ge¬
wirkt haben, wenn er ihn nicht zu theatralisch aufgefaßt
hätte. Waxum schrie er wie ein Othello? Es ist ebenso un¬
wahrscheinlich wie unwirksam. Gerade eine eisige Ruhe,
die wie der Hauch des Todes mit dem Unbekannten zur
Thüre hereinkommt, macht die Figur zu dem, was sie sein
soll: zur Nemesis. — —
Und nun das „Abschieds¬
sauper"! Man kennt ja die kleine Sache: Eine Ballerine,
die ihrem unbequem gewordenen Liebhaber den Abschied
gibt. Und diese Ballerine — die herbe, ernste Sandrock!?
Sie kam, aufgedonnert, eine echte Theaterprinzessin mit
50 Mark Gage, herein —: das war nicht mehr die
Sandrock, das war eine ganz, ganz andere Künstlerin,
eine Humoristin allerersten Ranges und ein kecker
Schalk dazu. Wie sie das gab: eine „von's Ballet“ mit all'
den Allüren der Coulissenratie, die auch zuweilen, wenn's
die „Kunst“ allein nicht mehr thut, auswandert, um jene
Cafés zu bevölkern, in denen die Jennesse Dorée — keinen
Cfaé trinkt; frech und gefräßig, eitel und lüstern; lüstern
nach Allem: nach Gold, Sekt, Austern . .. Eine Mischung
von Cynismus, Dummheit und goldenem Humor. Und
das verkörperte die Sandrock mit einer — ich muß das ab¬
genützte Schlagwort gebrauchen — Verve, einer Drastik in
Mimik und Spiel, die wahre Stürme von Heiterkeit ent¬
fesselten. So ist im Schauspielhaus noch nicht gelacht wor¬
den, wie gestern! Die Herren Stock und Sturm standen
ihrer Partnerin wacker zur Seite. Aber der jubelnde Bei¬
fall, der gar nicht mehr enden wollte, galt wohl ausschlie߬
lich Fräulein Sandrock, die Herrscherin und Meisterin in
den zwei Reichen der Kunst zugleich ist: in Tragik und
Humor!
5. Sennenn
box 10/7
Theater umd Mulik.
ss Münchner Schauspielhaus. Gestern Dienstag
spielte Adele Sandrock die „Ehristine“ in Schnitzlers
„Liebelei“ und die „Annie“ in der famosen Szene aus
dem Anatol=Cyklus desselben Autors, „Abschieds¬
souper“. — Christine und Annie — ein Gegensatz, wie
man ihn großer sich nicht denken kann. Nur eine große
Künstlerin oder eine große Virtuosin vermag in beiden
Rollen zu triumphiren. Und daß die Sandrock wahrhaft
die geniale Künstlerin ist, von der wir solches erwarten
durften, das bewies sie gestern. Zuerst in dem wehmüthig¬
heiteren Schauspiel „Liebelei". Eine einfache, maien¬
zarte duftige Liebesgeschichte, deren Mittelpunkt die
Christine, ein süßes, blondes Mädel, bildet. Eins von
jenen köstlich bescheidenen Blümchen auf dem weiten
Anger des Daseins, die, wenn einmal die Liebe über sie
ihre Sonnenstrahlen ausgießt, aufblühen, märchenschön,
über Nacht, blühen und duften und — vergehen beim
ersten rauhen Hauch, der über sie hinweht... Dieses
Musikertöchterlein nun, das eine große, erste Liebe tödtet,
weil es zu tiefgründig ist, um den großen ersten Schmerz
zu verwinden — dies wunderbare Geschöpf mit den
Veilchenaugen und Kirschenlippen und der guten, goldenen
Seele wurde von Adele Sandrock verkörpert. Es war ein
Gebilde aus Meisterhand und Meisterherzen. Nicht das
kleine, stille Wiener Mädel, das man erwartete. Die
Sandrock enthielt sich des Dialekts und sie nahm
dadurch ihrer Christine wie dem Stück selbst einen
der wesentlichsten Grundtöne, der nicht so leicht
durch etwas Anderes zu ersetzen war. Sie aber er¬
setzte es doch und durch das Beste, was sie bieten
konnte: durch den Zauber ihrer eigenen Persönlichkeit.
Durch ein ergreifendes Spiel, durch eine Ein
die ich monumental nennen möchte, fürchtete ich
werden. Eine Einfachhei
suns erklingen und erzittern macht,
s Herzens fluthend
nK
macht.
naufth
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Wammsi
t mit dem ungest
dem heißen Begeh
Thränen immer
Frage der armen ver
ich ihm denn?!“ wird auf
ock zu einer erschütternden,
gegen Jene, die mit ewige
erständnißlos über di
Genuß. W
ann muß mn
en. A
mit dem K
in Weib auf der
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Kaum,
daß es sich bewegt. Nur die Seele spricht, die
gen reden
— die Worte wandeln sich in eine erschütternde Symphonie
der Liebe und des Leids ... In diesem dritten Akt wuchs mit
der Sandrock auch unser vortrefflicher Wallner zu wahrhaft
erhabener Größe empor. Sein alter Musikus ist eine künst¬
lerische Leistung ersten Ranges. Fräul. Bré als die leicht¬
lebige, gedankenleichte Mizi Schlager traf den Cha¬
rakter und Ton dieser neben der Christine köstlichsten
Figur des Schauspiels meisterlich. Ausgezeichnet war
auch Herr Steck als Theodor, recht gut Herr Röhl
als Fritz und Fräulein Enzinger als Katharine. Ihr würde
nur noch ein wenig mehr Dialekt anzuempfehlen sein. Der
Unbekannte des Herrn Sturm würde bedeutend mehr ge¬
wirkt haben, wenn er ihn nicht zu theatralisch aufgefaßt
hätte. Waxum schrie er wie ein Othello? Es ist ebenso un¬
wahrscheinlich wie unwirksam. Gerade eine eisige Ruhe,
die wie der Hauch des Todes mit dem Unbekannten zur
Thüre hereinkommt, macht die Figur zu dem, was sie sein
soll: zur Nemesis. — —
Und nun das „Abschieds¬
sauper"! Man kennt ja die kleine Sache: Eine Ballerine,
die ihrem unbequem gewordenen Liebhaber den Abschied
gibt. Und diese Ballerine — die herbe, ernste Sandrock!?
Sie kam, aufgedonnert, eine echte Theaterprinzessin mit
50 Mark Gage, herein —: das war nicht mehr die
Sandrock, das war eine ganz, ganz andere Künstlerin,
eine Humoristin allerersten Ranges und ein kecker
Schalk dazu. Wie sie das gab: eine „von's Ballet“ mit all'
den Allüren der Coulissenratie, die auch zuweilen, wenn's
die „Kunst“ allein nicht mehr thut, auswandert, um jene
Cafés zu bevölkern, in denen die Jennesse Dorée — keinen
Cfaé trinkt; frech und gefräßig, eitel und lüstern; lüstern
nach Allem: nach Gold, Sekt, Austern . .. Eine Mischung
von Cynismus, Dummheit und goldenem Humor. Und
das verkörperte die Sandrock mit einer — ich muß das ab¬
genützte Schlagwort gebrauchen — Verve, einer Drastik in
Mimik und Spiel, die wahre Stürme von Heiterkeit ent¬
fesselten. So ist im Schauspielhaus noch nicht gelacht wor¬
den, wie gestern! Die Herren Stock und Sturm standen
ihrer Partnerin wacker zur Seite. Aber der jubelnde Bei¬
fall, der gar nicht mehr enden wollte, galt wohl ausschlie߬
lich Fräulein Sandrock, die Herrscherin und Meisterin in
den zwei Reichen der Kunst zugleich ist: in Tragik und
Humor!