II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 500

Liebelei
5. Les box 10/7
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Ausschnitt
Nr.
„OBSERVER
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Ausschnitt aus:

ss J072
Theater, Kunst und Wissenschaft.
—.Im Thalia=Theater ging am Sonnabend, den
28. d. M. Arthur Schnitzler's interessantes Schauspiel
„Liebelei“ neu eilstüdirk in Sener Die mehrjährige Ruhe¬
pause ist dem fein empfundenen dichterischen Werke gut be¬
kommen, denn es zeigte eine Lebensfrische, wie solche bei der
ersten Aufführung am 24. April 1896 kaum wahrzunehmen
war. Nicht wenig hat zu dieser erfreulichen Erscheinung Frau
Franck=Witt beigetragen. Die Künstlerin fand für die Senti¬
mentalität der anmuthigen Musikertochter einen wirklich zum
Herzen sprechenden Ausdruck, und der ist bekanntlich
ohne absolute Natürlichkeit der Redeweise nicht
herzustellen. Die Schwäche des Stückes liegt in
der unklaren Motivirung des tragischen Ausganges
sein Vorzug dagegen in der lebenswahren Charakteristik und
der echt modernen gesellschaftlichen Stimmung der Handlung.
Dafür den rechten Ton zu finden, ist die Hauptaufgabe für die
Darstellerin der Christine. Der leichtfertigen Mizi Schlager
und dem gemüthlichen Studenten Theodor ist die Sache leichter
gemacht. Bei ihnen collidirt Denken und Empfinden nicht,
denn für sie ist heiterer Lebensgenuß der Zweck des Daseins.
Christine giebt sich dagegen von ihren Empfindungen Rechen¬
schaft. Ihr ist die Liebe kein süßer Rausch, sondern ein heiliges
Gesühl. Der Unterschied zwischen Liebeln und Lieben ist dem
gesellschaftlich einfachen, aber hochherzigen Mädchen unfaßbar,
und es bricht psychisch zusammen, sobald ihm dieser Unter¬
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Far
schied zum Bewußtsein kommt. „Was bin ich dem geliebten
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Manne gewesen, wenn er für eine andere Frau in den ver
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Tod geht! Die Antwort auf diese Frage ist zugleich der ahlbar
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Voraus
Schicksalsspruch für Christine. Daß Frau Franck=Witt eine
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äußerst gewandte Darstellerin im Conversationsstück ist, daß ihr
In
ist de
Abonnen
Spiel edlen künstlerischen Schliff zeigt, ist im bisherigen Ver¬ es den
Abonnen
laufe ihres Gastspiels stets wahrzunehmen gewesen; bei Indi¬ ru.
#i# lisirung des hier in Rede stehenden Mädchencharakters
zeiich indessen auch die überaus schätzenswerthe Fähigkeit,
das p## ologische Motiv des Charakters so scharf und deutlich
herauszu# beiten, daß dem Zuschauer kein Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Persönlichkeit und ihrer Bedeutung für die
dramatische Idee übrigbleibt. Ohne Intuition ist das nicht
möglich und daß sich diese bei der Darstellin mit künstlerischer
Eigenart verbindet, giebt der Leistung das Gepräge ziel¬
bewußter Sicherheit, die der Kunstkenner auch bei reizvollen
Gestaltungen auf der Bühne nur ungern entbehrt. Wahrheit
und Schönheit bilden Anfang und Ende aller Kunst; Frau
Franck=Witt würde niemals ihr Spiel so eindrucksvoll gestalten
können, wenn sie nicht von diesem Ideal erfüllt wäre. Das
Publikum war denn auch von der Leistung in hohem Maße
befriedigt und gab dies durch lebhaften Beifall und Hervor¬
rufe nach den Aktschlüssen zu erkennen. Die Besetzung der
übrigen Rollen zeigt in Herrn Flashar (Hans Weiring) und
Herrn Bozenhard (Theodor Kaiser) alte und liebe Bekannte.
Beide Darsteller spielten vortrefflich, denn beide befleißigen sich
wohlthuender Natürlichkeit. Die fesche Wiener Modistin Mizi
Schlager hatte in Frl. Göhrs eine liebenswürdige Vertreterin
gesunden, die bei aller Munterkeit doch nicht künstlerisches Maß
vermissen ließ. Herr Stockhausen wird den eleganten
Liebeshelden wirkungsvoller gestalten, wenn er ihn weniger
nervös giebt. Der krankhafte Zug beeinträchtigte namentlich
die Wirkung der Liebessceue im zweiten Akt. Das Bestreben,
den Gegensatz in den Charakteren der beiden jungen Lebe¬
männer Fritz und Theodor scharf hervortreten zu lassen, hat
den talentvollen Darsteller zu einer gekünstelten Interpretation
veranlaßt. Frau Horvath zeigte als Katharina Binder ihre
Virtuosität in der Durchführung weiblicher Charakterchargen
und Herr Nhil gab den Mann des tragischen Verhängnisses
in vortrefflicher Maske und nobler Haltung.
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