II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 527


Pechngreeeerechenenngenn
gewesen. Nach einem erfolgreichen Debut als Emilia
der Charakteristik, wie sie selbst bei bedeutenden Schau¬
Eigenliebe und in das triumphirende Behagen der
Galotti, Klärchen und Gertrud („Graf Waldemar“)
spielerinen äußerst selten anzutreffen ist. In der einen
seelenlosen Natur hineinlegt, gehört zum Köstlichsten,
trat Frl. Fasser ihr Engagement bei uns am 28. Aug.
der beiden Rollen schien sie ihr äußeres Wesen, in der
das wir auf dem Gebiete der Charakterkomik gesehen
1892 als Marie in „Götz von Berlichingen“ an.
anderen ein gewisse Schwere der Innerlichkeit, die
haben. In der Erscheinung, im Auftreten, im Ge¬
Außer in den genannten Rollen hat sie im classischen
bahren, im derben Kameradenton liegt ein Gefühl
sonst durch ihren Ton hindurchgeht, zu verleugnen.
Stück auch mit ihrer Maria Stuart, Kriemhild,
des Uiberalleshinausseins, dem man eine gewisse Art
Als Christine in „Liebelei“ — in einer Rolle, die so
Clara (Maria Magdalena), Recha, im Gesellschafts¬
heiterer Bewunderung nicht versagen kann. Und wenn
viel Gretchen= und Herohaftes auf den Boden des
stück im „Goldenen Buch“, „Wohlthäter der Mensch¬
diese Virtuosin des Egoismus erst mit einer unnach¬
„Wiener Grundes“ überträgt, bot sie selbst in der Er¬
heit", „Der Andere", „Hans Fourchambault“, „Fal¬
ahmlichen Genußfreudigkeit zu essen und zu trinken
scheinung einen anderen Typus als sonst; das Heroi¬
lissement", Journalisten", „Lolos Vater“, „Stützen
sche ihrer Gestalt trat zu Gunsten einer entwickelten
beginnt, wenn sie zwischen dem gierigen Schlürfen
der Gesellf „ust“, „Welt, in der man sich langweilt",
der Austern und dem herzhaften Genuß des Bordeaux
Weiblichkeit von gutmüthigem Eindrucke zurück und
„Moderne Jugend“, in volksthümlichen Rollen wie
mit auskostendem Behagen den Wandel ihrer Her¬
das Antlitz zeigte anstatt der geheimnisvollen Runen¬
in „Liebelei", „Hand und Herz", „Bartel Turaser“,
zensneigungen bekennt, mitten im Geständniß ihrer
schrift, die man sonst darin zu lesen glaubt, den Aus¬
„Fuhrmann Henschel" u. s. w. u. s. w. große Erfolge
neuen Leidenschaft in ein sauftes Schläfchen verfällt
druck schlichten und treuherzigen Wesens. Geistig
und zuletzt im kecksten Zanktone den Liebhaber ab¬
erzielt und beim Publicum wie bei der Kritik unge¬
setzte da Adele Sandrock ihren Ton herab, um in
theilte Anerkennung gefunden. Eine für das Ensemble
einer Art demüthiger Einfalt, in einem Gemische von
trumpft, weil er nicht genug Takt besaß, gleich ihr
besonders schätzenswerthe Eigenschaft bewährte sie
die brutale Untreue zu verschweigen, schweben alle
gemüthlicher Anhänglichkeit und träumerischer Sinn'
wiederholt dadurch, daß sie geradezu in letzter Stunde
kecken Geister der Satire über diesem drastischen
lichkeit, das zum Leiden bestimmte, naiv weibliche
Bilde naiver Entartung, das die Sandrock aus den
große Rollen für erkrankte Colleginen übernahm.
Naturell erst rührend, dann ergreifend hervorzukehren.
fein gezogenen Conturen Schnitzlers herausgestaltet.
Da das Repertoire während des Gastspiels Thaller
Der edlen Klangfarbe ihres weichen Tons war da
Das Ganze ist trotz seiner Derbheit eine künstlerische
es nicht ermöglicht, für das letzte Auftreten der Künst¬
alles Energische abgestreift, dem Bkicke alle unheim¬
lerin eine Rolle zu wählen, die ihre Eigenart beson¬
Delicatesse, ein eigenartiger Genuß für Feinschmecker
lich drohende Kraft genommen. Die große Frau war
der Beobachtung. Neben der Künstlerin, der über¬
ders hervortreten läßt, so wird sie sich in der Rolle
wirklich ein „kleines Mädchen“ in des Wortes rühren¬
aus stürmisch gedankt wurde, wirkten in „Liebelei“
der Fee Cheristane im „Verschwender“ vom Prager
der und sympathischer Bedeutung, eines jener Mäd¬
Publicum verabschieden, die ihr das letzte Wort des
die heimischen Kräfte des Volkstheaters verdienstlich
chen=Kinder, die unbewußt in ein Schicksal hinein¬
Abends und des Abschieds gestattet.
mit. Herr Bolten deutete die Schwäche des leicht¬
gerathen und sich in zitternder Freude und Unglücks¬
sinnigen empfindsamen Helden gut an, Herr Sachs
Spielplan vom 25. Juni bis 3. Juli.
ahnung verzehren. Die Seligkeit kurzer Glücks¬
war trefflich in der Gestalt des in sich einigen Hu¬
Neues deutsches Theater: Sonntag, den 25.
momente wurde nur hingehaucht, das Wort klang
moristen, Fräulein Schrott gab als Mizi Schlager
Juni (Susp.) Gedenkfeier für Johann Strauß.
liebenswürdig scheu, unbewußt mißtrauisch, und der
Prolog und Trauermusik. Gastdarstellung von Annie
die richtigen Linien der Zeichnung, nur in einer Ver¬
Blick erinnerte an die Erzählungen vom verfolgten
stärkung, die das Bild ins allzu Triviale hinüberspielen
Dierkens und Willy Thaller. Die Fledermaus.
Reh, in dessen Auge die bange wehrlose Furcht wie
läßt. Auch Herr Krämer, der das nachdenklich
ein Vorwurf wirken soll. Diese Stimmung trug die
Montag, den 26. Juni. (205—I.) Gastdarstellung
stille Wesen und das weiche Gemüth des alten Mu¬
von Willy Thäller. Mam'zelle Nitouche. — Diens¬
Sandrock als Ahnung eines sensitiven, gemüthlich
sikanten gnt vermittelte, Frau Laska, die den Ton
tief angelegten Wesens schon in die Studentenorgie
tag, den 27. Juni (206—II.) Gastdarstellung von
der geschwätzigen Gemeinheit gut wienerisch färbte,
hinein, um sie dann reiner und tiefer, mit einer merk¬
Willy Thaller. Die Hochzeit des Reservisten. — Mitt¬
würdigen Kraft des unbewußt Unbeimlichen in der und Herr Montor als unheimlicher fremder Herr
woch, den 28. Juni. (207.—III.) Gastdarstellung von
s#trafen das Wesentliche. Im „Abschiedssouper“ hatte
Willy Thalls Der Operukall. — Donpersfag, den
großen Liebesscene des zweiten Actes anklingen zu
29. Juni. (Susp.) Vorletzte Gastdarstellung von
Herr Montor, der den Anatol in einer Schnitzler¬
lassen und sie endlich zum Schlusse zu einem ergreifen¬
Willy Thaller. Der Verschwender. Im 2. Act großes
maske spielte, mit Beruf die zweite der dominirenden
den Ausdruck hilfloser Enttäuschung emporzusteigern.
A. A.
Concert unter Mitwirkung von Alfred Grünfeld. —
Stimmen.
Dieses Hereinbrechen der lange vorbereiteten tra¬
Freitag, den 30. Juni (208—IV.) Abschieds=Gastdar¬
gischen Krisis hatte einen ganz merkwürdigen
stellung von Willy Thaller. Eine tolle Nacht. —
Charakter. Zugleich mit der höchsten Verzweiflung
Samstag, den 1. Juli. (209—I.) 1. Gastdar¬
offenbarte sich die wehrlose Schwäche, die hilflose
Theater-, Musik- und Kunstnachrichten.
stellung von Helene Odilon. Zum 1. Male: Die
Unselbständigkeit. Der Geist, der von einer einzigen
Gedächtnißfeier für Johann Strauß.
Verliebten. Komödle In 5 Acten v. Maurice Donnah.
Vorstellung ausgefüllt gewesen, kann es nicht fassen,
Die heutige Trauerfeier wird durch die Maurer'sche
Sonntag, den 2. Juli. (Susp.) 2. Gastdarstellung
daß er zugleich mit dem Geliebten den Glauben an
Trauermusik von Mozart eröffnet, welche unmittelbar
von Helene Odilon. Zum 1. Male: Der Star.
die Liebe, zugleich mit der Gegenwart auch die Erin¬
zum Prolog hinüberleitet, der mit der Apotheose ab¬
Wiener Stück in 4 Acten von Hermann Bahr.
nerung verlieren soll. Auf den ersten Schreck folgt
schließt. Das Dublicum wird ersucht, um jede Stö¬
Montag, den 3. Juli. (210—II.) 3. Gastdarstellung
ein stockendes Fragen, ein ängstlich forschendes Blicken,
rung dieses feierlichen Actes hintanzuhalten, rechtzeitig
von Helene Odilon. Die Verliebten.
ein vergebliches Bemühen, das Entweichende festzu¬
die Plätze einzunehmen. Der Trauerfeier folgt sodann
*. Vom deutschen Volkstheater. Adele
halten, ein kleinlauter, fast nur hingehauchter Schauer
„Die Fledermaus“ mit Annie Dierckens und Willi
Sandrock tritt heute zum letzten Male, und zwar
vor der Leere des Abgrunds, der stärker als das
Thaller: In der Zwischenpause werden sdie Strau߬
als Deborah in Mosenthals gleichnamigem Volks¬
Toben des Affectes an die Herznerven greift. Keine
schen Walzer „An der schönen blauen Donau“ und
schauspiel auf. Die heutige Vorsiellung beginnt um
Frage, daß hier die Sandrock ihre Auffassung con¬
„Geschichten aus dem Wiener Wald“ gespielt.
sechs Uhr.
sequent auf die Spitze treibt, und in dem Bilde der
Helene Odilon. Eine der pikantesten schau¬
= Von fremden Bühnen. Das Schlier¬
untergehenden, liebenswürdigen Schwäche, deren ganze
spielerischen Erscheinungen Wiens, die Zugkraft des
seer Bauerntheater hat bekanntlich nicht nur in
Schuld in Anhänglichkeit und Hingebung besteht,
Wiener Volkstheaters, wird am 1. Juli im neuen
etwas Unübertreffliches leistet. Dee tosende Beifall
ganz Deutschland sondern auch in Amerika s.on mit
deutschen Theater ein kurzes Gastspiel eröffnen. Die
bestem Erfolg gastirt. Für nächstes Jahr will es sich
entsprach auch dieser merkwürdigen, ganz eigenthümlich
Künstlerin tritt zum ersten Male in Maurice Don¬
aber, und das ist gewiß das größte Wagniß, nach
gefärbten Gefühlsoffenbarung. Aber ein Bedenken
nays „Die Verliebten“ (Les amants) auf und bringt
Paris wenden, wo es während der Ausstellungszeit
läßt sich nicht unterdrücken; indem die Sandrock
im Verlaufe ihres Gastspiels Hermann Bahr's „Der
ein mehrere Wochen umfassendes Gastspiel absolviren
jeden Tropfen Energie aus der Seele des Mädchens
Star“.
wird. — Ernst von Wildenbruch hat soeben
ausscheidet und den letzten Affect ganz auf die leise
ein neues Trauerspiel in vier Aufzügen „Die Tochter
*. Willi Thaller schließt in dieser Woche sein
Tonart der verlassenen Schwäche stimmt, gestaltet sie
des Erasmus“ beendet, das sofort im Manuscript
Gastspiel ab, das dem Publicum eine Reihe so ver¬
den Schluß des Stückes räthselhafter, als er sonst zu
vom Berliner Schauspielhause angenommen wurde,
gnügter und interessanter Abende gebracht hat. Heute
wirken pflegt. Man glaubt eher an eine Ohnmacht,
wo es im Laufe der nächsten Saison zur Aufführung
spielt der Gast den Gefängnißdirector Frank in der
in der dieses Wesen zusammenbrechen wird, als an
gelangen wird. — Im Münchener Schauspielhaus
„Fledermaus“, morgen Montag den Celestin in „Mam¬
einen Paroxysmus, der zur Selbsttödtung führt.
hat Franz Bonn, nachdem er mit seinem „Jungen
Hatte die Christine der Sandrock an sich eine hoch¬
zelle Nitouche“, am Dienstag den Dankelmann in der
Fritz“ keinen Erfolg erzielen konnte, ein neues Stück
„Hochzeit des Reservisten“, am Mittwoch den Paul
bedeutende Wirkung, so bildete sie obendrein eine
„Kiwito“ zur Aufführung gebracht, eine von ihm ver¬
Aubier im „Opernball“, am Donne#stag den Valen¬
wirksame Folie für das Virtnosenstückchen, das die
faßte Posse, die aber nur in Folge der Darstellung
tin im „Verschwender“ und am Freitag zum Abschied
Künstlerin an demselben Abend in dem Schnitzler¬
der Titelrolle durch den Verfasser Beifall finden
den Grundl in der „Tollen Nacht". — Die donners¬
schen Einacter „„Abschiedssouper“ vorführte. Der
konnte. — Im Archiv des Theaters an der Wien soll
tägige Aufführung des „Verschwender“ ist mit einem
Einacter ist eines der geistreichen Anatolgespräche, die
sich eine unaufgeführte Operette von
die Irrfahrten eines Faust im Frack, eines halb
großen Concert verbunden, welches im zweiten
Johann Strauß befinden. Sie führt den Titel
Acte eingelegt wird. Nebst unseren ersten Kräften
blasirten, halb gefühlvollen Lebejünglings zum
„Die lustigen Weiber von Wien“ und ist auf den
Gegenstande haben, und behandelt das Ende einer
wird ein stets gern gesehener Gast in diesem Concert
Text von Josef Braun im J. 1869 componirt worden.
Liaison, von der Anatol sich mit hamletartiger mitwirken: Kammervirtuose Alfred Grünfeld. Die
Schwerfälligkeit loszusagen versucht, um zu seiner Vorstellung findet bei aufgehobenem Abonnement statt. i Da Josefine Gallmeyer, der die Hauptrolle zugedacht