II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 580

Liebelei
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Sehenchmungechseh
Tragil am unrechten Platz. Man hat seine Thräuen,
och-auc nicht. gestohien.
Soviel über das Stück. Die Darsteller hatten zunt
Teil unter dem Vergleich mit der Truppe Lugné=Poc's.
die am Freitag „Sapho“ herausgebracht hatte, zu leis
den. Es waren nicht so sehr Künstler. Individualitätens
als Kunstrichtungen, die gegen einander abgewogen
wurden. Hier die Klassicität, die auch im modernen Kon¬
versationsstück nicht vom Kothurn heruntersteigt, dor
das Bestreben nach raffinirter P#türlichkeit in Wort und
Gebärde. Die tragödische Schule, in der Hr. Hacker
(Fritz und Frl. Eichelsheim (Christine) groß geworden
sind, verfolgt Schönheitsideale, für die das hiesige Pu¬¬
blikum nur ein sehr bedingtes Verständnis hat. Durch
die Pariser Wandertruppen ist sein Geschmack andere
orientirt; man empfindet es als geschraubt, wenn in den
baualen Satz „es hat geklingelt“ derselbe Aufwand von¬
Styl und Schule gelegt wird, als ob darin die Erfül¬
lungseine großen Geschickes sich ausdrücken sollm.Und
wbeun zu diese ganze Kunst, die gewöhnt ist, sich in
kantike Gewänder zu drapiren und mit Schwert und
Dolch auf Du und Du steht, in Gehrock und Cylinder
einherschreitet und sich von dem Hintergründe eines mo¬
dernsten und alltäglichsten Milien abhebt, so fehlt dem
Ganzen erst recht die iunere, künstlerische Einheit, Wir
wollen uns daher heute absolut kein Urteil darüber er¬
lauben, wie von den Darmstädter Hofschauspielern die
heitere und die eruste, die noderne und die antike Kunst
jede getrennt zur Ansübung gebracht werden. Man
hatte uns gestern ein Stück von der einen neben ein
Stück von der andern unvermit##t ingellobt, und da
schnitt am besten untürlich die Hälste ab, die in dem
Milien zubaufe war. Demgensßung de lustige Paar
Mizi=Teri (Frl. Grohé und Nr. Kre.demann) z. B. im
P Lömenassen-Lom-Erfolg mwon. Hr.
reiteman ist em trefsticker Vonvwant, dessen diskre¬
iem Sp#el eine geschmackvolle Aufigisung zugrunde lag.
Frl. Grehns Mizi war lustig und fesch, mie sich ein
Wener Madel das schuldig ist, nur ab und zu von enas
zu findlicher Beweglichkeit. Als unbedingt vortrefflich
muß die Inseenirung, die ständige Belebung des Büh¬
neubildes anerkannt werden. Wie die Rollen der Chri¬
stin und des Fritz von Frl. Eichelshein und Hrn Hacker
aufgefaßt und durchgeführt warest, das zengt von ein¬
heitlicher Anlage und tiefer Verinnerlichung, aber von
ihnen gilt das oben Gesagte: Sie fielen mit dem ganzen
Ton aus dem Nahmen heraus. und gerade das hiesige
Publikum int für dergleichen sehr empfindlich.
Im zweiten und dritten Akt lernten wir in Hrn.
Wagner, der den Hans Weiring gab, einen vortrefflichen
Schauspieler kennen: er besitzt die beiden großen Eigen¬
schaften: Einjachheit und Eindringlichkeit; ohne ihn
wäre das Jacit des 2. Aktes nicht allzu hoch zu bewerten
gewesen. Auch Frl. Wisthaler war eine treffliche Kathe¬
rine Binder, die aus der schablonenhaften Rolle heraus¬
holte, was berauszuholen war. Hr. Keispel gab mit un¬
heimlicher Wirkung den geheimnisvollen Hahnrei im er¬
sten Akt. Es kommt wohl einzig auf Rechnung des Ver¬
fassers, daß dieser Austritt in seinem Lakonismus bei¬
nahe parodienhaft wirkt
Summa: Wenn die Darmstädter gestern nicht beim¬
ganzen Hause den Erfolg hatten, der ihrem Rufe ent¬
sprach, so lag es in erster Linie an der verschlten Wahl¬
des Stückes, das au und für sich die, Erwartungen des
Publikums nicht erfüllte und einem, Teil der Künstler
Aufgaben stellte, die ihnen, soweit der hiesige Geschmack
in Frage kommt, nicht lagen.