Liebelei
5. Min ce K.
box 11/1
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
#0
Nr. 40
„OBSERYER“
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „ yelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
1
A####ng
vom: 3#/ 1901—
Theater, Kunst und Piteratur.
* (Deutsche Bühne.) Wie die Jugend Wiens, ge¬
wisser Kreise leibt und lebt, liebelt und manchmal auch liebt,
hat Schnitzler im ersten Acte seines Schauspieles „Liebelei“
Abensvoll und lebensfrisch gezeichnet. Diesem frischen, far¬
benreichen Genrebilde folgen zwei Stimmungsacte in moder¬
nem Sinne; sie führen in das Heim des Musikers Mitler,
des Vaters jenes Mädchens, mit dem der Student eine Lie¬
50 Z belei anknüpfte, das ihm aber in wahrer und echter Liebe zu¬
lusive
Für
orto.
gethan war und dem Ungetreuen in den Tod folgt; wir sehen
100
alltägliche Zustände, und durch Unterredungen wird uns klar, plbar
200
wie die Dinge eigentlich liegen, und welcher tragische Zu=Voraus.
500
*
„ 1000
sammenstoß sich vorbereitet. Man hat — und nicht mit Un¬
recht — dem Dichter zum Vorwurfe gemacht, dass er den ist das
Im
Abonnemen
Vater des Mädchens, das ernst und wirtlich liebt, zum Ver¬ es den
Abonnenten
treter der Lehre des heiteren, leichtsinnigen Lebensgenusses
Der auswählt und eigentlich dadurch seine Tochter in den Todjend die
Inhaltsangastreibt. Insoferne dieses bedenkliche Mittel den Zweck verergen¬
blätter (Folgt, Spannung hervorzurufen, eine Steigerung zu bewirzeitung")
wodurch eintten, muss zu gestanden werden, dass der Dichter diesen Zweckjaftliche
Leben des lerreicht hat. Ist die Kunst sich Selbsizweck, die das Gute auf='se Mit¬
Inehmen kann, doch nicht aufnehmen muss, so kann man
theilungen
schließlich auf die Vertheidigung allgemein anerkannter sitt¬
licher Grundsätze verzichten, ohne sich jedoch mit der sonder¬
baren Weisheit des Musikers Miller einverstanden zu er¬
klären. — Wie hoch stehen die Werke Ibsens, der in allen
seinen Dramen aus gewissen Problemen sittliche Grundsätze¬
schöpft, gegen solche Stücke, die sich direct gegen die sittliche
Verantwortung der Eltern richten. — Abgesehen von diesen
Bedenken, ist die Dichtung Schnitzlers ein interessantes Stück,
das den Zuschauer bis zum Schlusse in Spannung erhält. —
Wie erinnerlich, wurde uns seinerzeit das Werk, theilweise
von Gästen des Burgtheaters besetzt, in einer vorzüglichen
Aufführung vermittelt, an die die gestrige Vorstellung nicht
heranreichte. Es ist wunderlich, dass Frau Meta Illing
gerade diese Komödie zu ihrem Gastspiele gewählt hat. Vor
allem ist ihr die Wiener Mundart fremd, sie sprach bald hoch¬
deutsch, bald in schwäbischem Dialecte und bildete daher in
ihrer Umgebung ein fremdes Element. Christine ist ein ein¬
faches, ehrliches Wiener Vorstadtmädel, das sich in Leid und
Schmerz ungeschminkt, schlicht, natürlich und ehrlich äußert.
1 Die Gastin sehrte jedoch viel zu sehr die Kunst und Künstelei,
einer Schauspielvirtuosin mit sorgsam ausgeklügelten Effec¬
ten hervor; wir sahen ein nervöses, leidenschaftliches Ge¬
schöpf, mit den Posen und Mienen einer tragischen Lieb¬
haberin; in dem großen leidenschaftlichen Ausbruche einer
inz Innerste getroffenen Seele übte die Kunst der Gastin
allerdings großen Effect aus und erzielte auch rauschenden
Beifall. Unter den Darstellern ragte Fräulein Mimmie
Schütze hervor, welche die leichtfertige, herzensgute Freun¬
din Christinens natürlich, lebensvoll, mit gewinnender Fri¬
sche, bei vollständiger Beherrschung der Wiener Mundart,
gab. — In dem frischfröhlichen harmlosen Lustspiele „Mili¬
tärfromm“ von Moser und Thilo von Trotha spielte die
Künstlerin eine schöne, elegante, verwöhnte, mit allen be¬
kannten Eigenarten ihres Volkes ausgestattete Amerikanerin,
die durch die Liebenswürdigkeit ihrer militärischen Umge¬
bung bekehrt, d. h. „militärfromm“ wird, mit pikanter Gra¬
zie und anmuthiger Eleganz, trefflich den englisch=deutschen
Jargon radebrechend. Frau Illing fand in diesem Stücke
durch die übrigen Darsteller eine recht wirksame Unterstützung
und ward durch warme Anerkennung ausgezeichnet. — Das
J.
Theater war sehr gut besucht.
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„OBSERYER“
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „ yelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
1
A####ng
vom: 3#/ 1901—
Theater, Kunst und Piteratur.
* (Deutsche Bühne.) Wie die Jugend Wiens, ge¬
wisser Kreise leibt und lebt, liebelt und manchmal auch liebt,
hat Schnitzler im ersten Acte seines Schauspieles „Liebelei“
Abensvoll und lebensfrisch gezeichnet. Diesem frischen, far¬
benreichen Genrebilde folgen zwei Stimmungsacte in moder¬
nem Sinne; sie führen in das Heim des Musikers Mitler,
des Vaters jenes Mädchens, mit dem der Student eine Lie¬
50 Z belei anknüpfte, das ihm aber in wahrer und echter Liebe zu¬
lusive
Für
orto.
gethan war und dem Ungetreuen in den Tod folgt; wir sehen
100
alltägliche Zustände, und durch Unterredungen wird uns klar, plbar
200
wie die Dinge eigentlich liegen, und welcher tragische Zu=Voraus.
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„ 1000
sammenstoß sich vorbereitet. Man hat — und nicht mit Un¬
recht — dem Dichter zum Vorwurfe gemacht, dass er den ist das
Im
Abonnemen
Vater des Mädchens, das ernst und wirtlich liebt, zum Ver¬ es den
Abonnenten
treter der Lehre des heiteren, leichtsinnigen Lebensgenusses
Der auswählt und eigentlich dadurch seine Tochter in den Todjend die
Inhaltsangastreibt. Insoferne dieses bedenkliche Mittel den Zweck verergen¬
blätter (Folgt, Spannung hervorzurufen, eine Steigerung zu bewirzeitung")
wodurch eintten, muss zu gestanden werden, dass der Dichter diesen Zweckjaftliche
Leben des lerreicht hat. Ist die Kunst sich Selbsizweck, die das Gute auf='se Mit¬
Inehmen kann, doch nicht aufnehmen muss, so kann man
theilungen
schließlich auf die Vertheidigung allgemein anerkannter sitt¬
licher Grundsätze verzichten, ohne sich jedoch mit der sonder¬
baren Weisheit des Musikers Miller einverstanden zu er¬
klären. — Wie hoch stehen die Werke Ibsens, der in allen
seinen Dramen aus gewissen Problemen sittliche Grundsätze¬
schöpft, gegen solche Stücke, die sich direct gegen die sittliche
Verantwortung der Eltern richten. — Abgesehen von diesen
Bedenken, ist die Dichtung Schnitzlers ein interessantes Stück,
das den Zuschauer bis zum Schlusse in Spannung erhält. —
Wie erinnerlich, wurde uns seinerzeit das Werk, theilweise
von Gästen des Burgtheaters besetzt, in einer vorzüglichen
Aufführung vermittelt, an die die gestrige Vorstellung nicht
heranreichte. Es ist wunderlich, dass Frau Meta Illing
gerade diese Komödie zu ihrem Gastspiele gewählt hat. Vor
allem ist ihr die Wiener Mundart fremd, sie sprach bald hoch¬
deutsch, bald in schwäbischem Dialecte und bildete daher in
ihrer Umgebung ein fremdes Element. Christine ist ein ein¬
faches, ehrliches Wiener Vorstadtmädel, das sich in Leid und
Schmerz ungeschminkt, schlicht, natürlich und ehrlich äußert.
1 Die Gastin sehrte jedoch viel zu sehr die Kunst und Künstelei,
einer Schauspielvirtuosin mit sorgsam ausgeklügelten Effec¬
ten hervor; wir sahen ein nervöses, leidenschaftliches Ge¬
schöpf, mit den Posen und Mienen einer tragischen Lieb¬
haberin; in dem großen leidenschaftlichen Ausbruche einer
inz Innerste getroffenen Seele übte die Kunst der Gastin
allerdings großen Effect aus und erzielte auch rauschenden
Beifall. Unter den Darstellern ragte Fräulein Mimmie
Schütze hervor, welche die leichtfertige, herzensgute Freun¬
din Christinens natürlich, lebensvoll, mit gewinnender Fri¬
sche, bei vollständiger Beherrschung der Wiener Mundart,
gab. — In dem frischfröhlichen harmlosen Lustspiele „Mili¬
tärfromm“ von Moser und Thilo von Trotha spielte die
Künstlerin eine schöne, elegante, verwöhnte, mit allen be¬
kannten Eigenarten ihres Volkes ausgestattete Amerikanerin,
die durch die Liebenswürdigkeit ihrer militärischen Umge¬
bung bekehrt, d. h. „militärfromm“ wird, mit pikanter Gra¬
zie und anmuthiger Eleganz, trefflich den englisch=deutschen
Jargon radebrechend. Frau Illing fand in diesem Stücke
durch die übrigen Darsteller eine recht wirksame Unterstützung
und ward durch warme Anerkennung ausgezeichnet. — Das
J.
Theater war sehr gut besucht.