II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 628

Liebe
5. L.ei box 11/1
Agathe: Beinah wie die Männer.
Emil: Ihre Geschichte hat mich sehr ergriffen, gnädige Irau —
.Sie sind gewiß nur deshalb hierher gekommen und sind am
Fenster stehen geblieben, um sich an diese Freundin und an ihr sonderbares
Abenteuer erinnern zu können.
Agathe: Nein. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, ich hatte sie
schon lang vergessen. Ich stehe hier am Fenster nur, weil die Luft mir
wohlthut. Und dann — da ich weder tanze, noch Karten spiele ¬
Emil: Jedenfalls steht es fest: Auch Sie feiern Ihren Splvester nicht
an dem rechten Ort. Auch Sie sind nicht — wo Sie eigentlich sein
möchten
Agathe (lachend): Was fällt Ihnen denn eigentlich ein!
Emil: Und ich sage noch mehr: Sie wären mit ihm, wenn er nicht
sehr fern wäre.
Agathe: Er? Welcher Er?
Emil: Er, mit dem Sie in dieser festlichen Stunde am liebsten zu¬
sammen sein möchten.
Agathe: Sehr fern? ... Nicht einmal — da drin sitzt er und.
spielt Whist mit Ihrem Dapa und Herrn Friedmann.
Emil: Wieso? Entschuldigen Sie ... das ist ja Ihr Mann.
Agathe: Natürlich.
Emil: Aber —!
Agathe: Nun ja; er ist's, mit dem ich Splvester feiern möchte¬
und er spielt Whist mit Ihrem Dapa und Herrn Friedmann. Uebrigens
wäre er nicht sehr geschmeichelt, wenn er jetzt Ihr Gesicht sähe. Ich bin
nicht so romantisch, wie Sie glauben — und wie es meine todte Freundin war.
Emil: 0 gnädige Frau, ich durchschaue Sie ja. Das ist einfach
ein ehrenvoller Rückzug, nichts anderes.
Agathe: Sie irren sich sehr. Ich versichere Ihnen, daß es keinen
Meuschen auf der Welt giebt, der mir näher steht, als mein Mann — ja.
Sehen Sie mich nicht so dumm an. Es ist nun einmal so. Ich sage
Ihnen: wenn zwei Menschen nur überhaupt zusammen bleiben, so kommt
immer eine Zeit, wo sie einander wieder finden. Und man verzeiht ein¬
ander sehr viel, hauptsächlich weil es gar nichts Unverzeihliches giebt, wenn
es nur vorbei ist.
Emil: Nun — warum sind Sie dann eigentlich so melancholisch am
Fenster gestanden? Sie werden Ihr Fest eben um zwei Stunden später feiern,
das ist Alles. Denn in zwei Stunden fahren Sie mit Ihrem Mann nach
Hause. Ich hingegen bin und bleibe allein.
Agathe: Und doch ist Ihre Splvesterfeier die schönere. Denn bei
jedem Fest kommt es auf das Morgen an. Und darum giebt es nur Feste,
so lang man auch morgen noch jung ist.
Emil: Gnädige Frau, reden sie doch nicht so — man kann Ihnen
wirklich gar nicht zuhören. Sie reden vom Altwerden! Sie wissen ja gar