II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 636

Liebe
5.— box 11/1
Ausschnitt aus
Das Kleine Journal, Berim
30.10.03
Schiller=Theater N.
Im Schiller=Theater N. ging gestern Arthur Schnitzlers
dreiaktiges Schauspiel „Liebelei“ zum ersten Male in Szene¬
Die Rolle der Christine lag in den Händen von Else Wasa.
Die Darstellerin zog sich mit Ehr. aus der Affaire, sie zeigte
viel waime Innerlichkeit, wenngleich sie auch den tiefen Inhalt
ihrer Aufgabe nicht auszuschöpfen wußte. Dasselbe gilt auch
von dem Friz Lobheimer Georg Paeschkes. Wahr¬
scheinlicher wirkte die prächtige Mizi 4Schlager, Elisabeth
Gußmann, das süße Mäde, mit seiner frischen
Natürlichkeit, in der es sich längst abgewöhnt hat, das Leben
ernst zu nehmen. Einen samozen Purtner fand die Künstlerin in
Bernhard Herrmann, der gleichfalls in glücklichster Weise auf
den Ton seiner Aufgabe gestimmt war, sehr drollig und erheit##nd
wirkte und der auch im dritten Akt in charakteristischer Weise die rgklose
Verlegenheit zu zeichnen wußte, in welcher er sich, angesichts des
Ausbruchs, der ihm in seiner Oberflächlichkeit nicht faßsaren,
tötlichen Verzweiflung Christines gegenüber befand. Vortkfflich
gab Max Pategg den Vater Christines und ganz ausgezeihnet
war Agnes Werner in der Charge der Frau Binder. Mit
der kleinen Rolle des betrogenen Gatten fand sich Friedrich
Krüger nach Kräften ab. Das ergreifende Werk fand
eine entsprechende Aufnhme. Dem Schauspiel folgte der vierte
Einakter „Literatur“ aus Schnitzlers „Lebendige Stunden“.
Das reizende Lustspiel fand eine ganz ausgezeichnete Wieder¬
gabe, Elisabeth Gußmann, die Schriftstellerin mit der
Vergangenheit, Bernhard Herrmann in der Rolle
des beschränkten aber äußerst korrekten Baron Clemens und Erich
Ziegel, der Kunst=Zigeuner, sie alle traten mit vollem Erfolg
für ihre dankbaren Aufgaben in die Schranken. Das geistreiche
Werk löste die behaglichste Heiterkeit in dem dicht besetzten
Hause aus.
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Dr. Max Geldschhner
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Ausschnitt aus
Nationalzeitung, Berun
30.10.03
S
(&h Schillertheater N. Süß duftete es gestern im
Schiller=Theater nach Veilchen und Lavendel. Der Duft ging aus
lvon Schnitzlers „Liebelei“, die gestern auf ihrer Rundfahrt über
chiller=Theater gelandet war. Das
alle deutscen
Drama des süßen Mädels versägte auch hier nicht seine Wirkung.
Als es vor acht Jahren im Burgtheater zu Wien zum ersten Mal
über die Bretter ging, da war Schnitzler selbst noch eine Café¬
hausgröße, über deren Gehaben er im zweiten Stück des gestrigen
Abends so geistvoll spottet. Heute zählt er zu den Besten der
deutschen Literatur. Er hat die „Liebelei“ nicht mehr überboten.
In ihr llegt sein feinstes Empfinden, seine tragische Sentimentalität
und der leise Hauch des Odems einer künstlerischen Stadt —
von Wien. Damals vor acht Jahren hat die Sandrock die
Rolle der Christine kreirt. Mitterwurzer hat die peinliche
Rolle des fremden Herrn und Sonnenthal den Vater der
Christine gespielt. Gestern ist man nicht so auf den Höhen der
Darstellung gewandelt, aber es war wieder eine jener gerundeten,
sorgsamen Vorführungen, an die das dankbare und verständige Publi¬
kum dieses Theaters bereits gewohnt ist. Frl. Wasa spielte di
*
stine besonders in den tragischen Momenten mit großer
keit, Herr Pategg war schlicht, wenn auch zu wenig ri
der Rolle des Vaters, die Mizi Schlager des Frl. Gu
er
war tadellos in ihrem Wienerisch, wenn sie auch etwas
hätte sein können, Herr Paeschke, sonst vornehm als Fritz Lobheimer,
spielte zuviel Theater. Lustig war Herr Herrmann als Theo¬
der Kaiser, Herr Krüger und Frau Werner entledigten sich
gut ihrer Aufgaben. Nach Veilchen und Lavendel gab es Paprika
— das kleine Schnitzlersche Lustspiel „Literatur“, das noch von den
„Lebendigen Stunden her in ebensolcher Erinnerung steht. Das
graziöse Lustspiel wurde im Schillertheater nicht recht verstanden;
das bürgerliche Publikum ist diesem Milieu fremd und manche Witz¬
rakete versagte ohne Zündung. Die Darstellung war in den beiden
Herrenrollen (Herr Herrmann und Herr Ziegel) recht gut.
Frl. Gußmann aber hatte nicht die Ueberlegenheit (was wohl
ihrer Jugend zu Gute zu halten ist), die Frauen vom Schlag dieser
Margarethe in die Konversation zu bringen wissen.