iebele
5. 1 box 11/1
Dr. Max Goldschmidt
## Bureau für
Zeitungsaueschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: II, 3051
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Berliner Neueste Nachrichtes
30.10.53
Im Schillertheater N. kam gestern abend Arthur
Ichnitzler mit seinem bekannten wirkungsvollen Schauspiel
sand die beifälligste Aufnahme, wie
sie desk liebenswürdige und formengewandte Autor verdient.
Ohne sich in tiefgründige Probleme zu verlieren, gibt er ein
Stück wirklichen Lebens und echtester Stimmung. Schade, daß
das Schillortheater dieser Stimmung diesesmal so viel schuldig
Den beiden jungen Lebemännern, von Georg
blieb.
[Paeschke und Bernhard Herrmann dargestellt, fehlte
les sehr an Haltung, und während letzterer einen gewissen burschi¬
kosen Ton noch ganz glücklich traf, ließ ersterer nach der Seite des
Gefühls fast alles zu wünschen übrig. Die beiden „süßen
Mägel“ wurden von Else Wasa und Elisabeth Gu߬
mann lebendig verkörpert. Die erstere, im Anfang etwas
an
wuchs mit der Tragik ihrer Rolle
sarblos,
Mizi
der
Wärme
Empfindung. Die
Große und
Schlager Elisabeth Gußmanns war ein echtes, leichtes,
Die dem Schauspiel folgende geistvolle
liebes Wiener Blut.
Planderei „Literatur“ welche jene Schriftsteller so lustig vor¬
nimmt, welche es nicht für einen Raub halten, ihre intimsten
Erlebnisse auf literarischem Wege industriell zu verwerten, gab
dieser begabten jungen Schauspielerin Gelegenheit, sich in einer
Salonrolse zu bewähren. Einige Unfeinheiten abgerechnet, wurde
sie ihrer Aufgabe vollkommen gerecht. Die beiden männlichen
Rollen waren bei Bernhard Herrmann und Erich,
W. M.
Ziegel ausgezeichnet aufgehoben.
Berlin N. 24.
—
Auschuif Wöd
Berliner Bürsen-Courier
30. 10.03
Für das „Schiller=Theater N.“ war der fesirige
Arthur Schnitzler=Abend ein sehr glücklicher. Er
brachte an zwei Werken des Wiener Autors wieder
den Beweis defür, daß von der vornehmen Volks¬
bühne gelegentliche minder gute Aufführungen schnell
durch Fleiß und ernstes Streben wettgemacht werden.
und daß das „Schiller=Tyeater“ nach wie vor seinem
Grundsatz treu bleibt, für geringes Geld möglichst
Vollwerthiges zu bieten.
Den Abend eröffnete das dreiactige Schauspiel
„Liebelei“ mit dem Schnitzler als Dramatiker
debütirte. Die einfache, heiter einsetzende und in weh¬
müthig: Accorde ausklingende Herzensgeschichte, dieses
fast bauale Thema, aus dem die Kraf; des
Dichters ein echtes Kunstwerk zu machen verstand, ve¬
gegnete bei den Zuschauern um so regerer Antheilnahme,
als die Darstellung sich liebevoll in ihre Aufgaben
vertieft hatte und Alles aufbot, um dem erfolgreichen
Stücke auch hier zu einem Erfolge zu verhelfen. Be¬
sonderes und uneingeschränktes Lob gebührt Fräulein
Wasa für ihre Wiedergabe der Christine, die echt
mädchenhaft=schlicht und von rührender Weichheit und
Hingabe war, im Schlußacte aber zu erschütternder
Tragik emporwichs. Herr Paeschke ließ als Fritz
von vornherein sein düsteres Schicksal allzusehr ahnen,
er bereitete mehr darauf vor, als angebracht war.
Seinem Spiel fehlten die feineren Schattirungen,
und die Versuche, Uebergänge vom Dunklen zum
Lichten zu finden, blieben eben nur Versuche. Das
Prototyp das „lieben süßen Mädels“ ein unver¬
fälschter „Wiener Fratz“, wie man sie auf der Ring¬
straße, im Prater und in der Freudenau zu Dutzenden
herumlaufen sieht, war Frl. Gußmann: das putz¬
und vergnügungssüchtige, leichtherzige und gutmüthige¬
Ding, das der Dichter mit sicheren Strichen ge¬
zeichnet hat. Für den Theodor fand Herr Herr¬
mann mit Glück den rechten Ton, als Vater
Christines bewies Herr Pategg auf's Neue seine
oft bewährte eindringliche Charakterisirungsfähigkeit,
und der geschwätzigen Frau Binder mit der abge¬
leugneten „Vergangenheit“ verhalf Frau Werner zu
belustigender Wirkung.
„Ernst ist das Leben — heiter ist die Kunst“ —
nach diesem Schiller'schen Worte schienen die beiden
Gaben des Abends zusammengessellt. Denn der dem
Leben abgelauschten Tragödie selate der amusante
Künstler=Einacter „Litteratur“ aus der Tetralogie
„Lebendige Stunden“. Der drollige, mit so frisch¬
quellendem Humor durchgeführte Einfall, ein schrift¬
stellerndes ehemaliges Liebespaar auf die Bühne zus
bringen, das zu gleicher Zeit in Romaner die Er¬
fahrungen aus der vergangenen Epoche himmelstürmender
Seligkeit verwerthet und dabei — in beiden Büchern —
wortgetreu den Briefwechsel aus jenen Tagen wieder¬
giebt, erweckte behaglichste Stimmung. Auch hier zeigte
sich Frl. Gußmann — in der Berkörperung der
te
„complicirten“ Frau — wieder als gewandte, be#
Künstlerin; de spielte die Margarethe mit köstlich
Laune, in einer reizend ironisch=überlegenen Färbung.
In famoser Maske stellte Herr Ziegel den Collegen
der capriciösen Dame dar. Das heißt, nicht nur die
Maske war samos und lebenswahr, sondern auch
die ganze Auffassung und Ausgestaltung der Rolle.
Es war eine Leistung, die auf sorgfältigster Beob¬
achtung der Wirklichkeit basirte. Den Sportbaron
Clemens gab Herr Herrmann ohne jede
Uebertreibung und mit unausdringlicher, aber sehr
komischer Hervorkehrung der besonderen Eigenschaften,
Um die
die diesen geistvollen Herrn auszeichnen.
Regie beider Stücke erwarb sich Herr Runge ein
N. W.
Verdienst.
5. 1 box 11/1
Dr. Max Goldschmidt
## Bureau für
Zeitungsaueschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: II, 3051
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Berliner Neueste Nachrichtes
30.10.53
Im Schillertheater N. kam gestern abend Arthur
Ichnitzler mit seinem bekannten wirkungsvollen Schauspiel
sand die beifälligste Aufnahme, wie
sie desk liebenswürdige und formengewandte Autor verdient.
Ohne sich in tiefgründige Probleme zu verlieren, gibt er ein
Stück wirklichen Lebens und echtester Stimmung. Schade, daß
das Schillortheater dieser Stimmung diesesmal so viel schuldig
Den beiden jungen Lebemännern, von Georg
blieb.
[Paeschke und Bernhard Herrmann dargestellt, fehlte
les sehr an Haltung, und während letzterer einen gewissen burschi¬
kosen Ton noch ganz glücklich traf, ließ ersterer nach der Seite des
Gefühls fast alles zu wünschen übrig. Die beiden „süßen
Mägel“ wurden von Else Wasa und Elisabeth Gu߬
mann lebendig verkörpert. Die erstere, im Anfang etwas
an
wuchs mit der Tragik ihrer Rolle
sarblos,
Mizi
der
Wärme
Empfindung. Die
Große und
Schlager Elisabeth Gußmanns war ein echtes, leichtes,
Die dem Schauspiel folgende geistvolle
liebes Wiener Blut.
Planderei „Literatur“ welche jene Schriftsteller so lustig vor¬
nimmt, welche es nicht für einen Raub halten, ihre intimsten
Erlebnisse auf literarischem Wege industriell zu verwerten, gab
dieser begabten jungen Schauspielerin Gelegenheit, sich in einer
Salonrolse zu bewähren. Einige Unfeinheiten abgerechnet, wurde
sie ihrer Aufgabe vollkommen gerecht. Die beiden männlichen
Rollen waren bei Bernhard Herrmann und Erich,
W. M.
Ziegel ausgezeichnet aufgehoben.
Berlin N. 24.
—
Auschuif Wöd
Berliner Bürsen-Courier
30. 10.03
Für das „Schiller=Theater N.“ war der fesirige
Arthur Schnitzler=Abend ein sehr glücklicher. Er
brachte an zwei Werken des Wiener Autors wieder
den Beweis defür, daß von der vornehmen Volks¬
bühne gelegentliche minder gute Aufführungen schnell
durch Fleiß und ernstes Streben wettgemacht werden.
und daß das „Schiller=Tyeater“ nach wie vor seinem
Grundsatz treu bleibt, für geringes Geld möglichst
Vollwerthiges zu bieten.
Den Abend eröffnete das dreiactige Schauspiel
„Liebelei“ mit dem Schnitzler als Dramatiker
debütirte. Die einfache, heiter einsetzende und in weh¬
müthig: Accorde ausklingende Herzensgeschichte, dieses
fast bauale Thema, aus dem die Kraf; des
Dichters ein echtes Kunstwerk zu machen verstand, ve¬
gegnete bei den Zuschauern um so regerer Antheilnahme,
als die Darstellung sich liebevoll in ihre Aufgaben
vertieft hatte und Alles aufbot, um dem erfolgreichen
Stücke auch hier zu einem Erfolge zu verhelfen. Be¬
sonderes und uneingeschränktes Lob gebührt Fräulein
Wasa für ihre Wiedergabe der Christine, die echt
mädchenhaft=schlicht und von rührender Weichheit und
Hingabe war, im Schlußacte aber zu erschütternder
Tragik emporwichs. Herr Paeschke ließ als Fritz
von vornherein sein düsteres Schicksal allzusehr ahnen,
er bereitete mehr darauf vor, als angebracht war.
Seinem Spiel fehlten die feineren Schattirungen,
und die Versuche, Uebergänge vom Dunklen zum
Lichten zu finden, blieben eben nur Versuche. Das
Prototyp das „lieben süßen Mädels“ ein unver¬
fälschter „Wiener Fratz“, wie man sie auf der Ring¬
straße, im Prater und in der Freudenau zu Dutzenden
herumlaufen sieht, war Frl. Gußmann: das putz¬
und vergnügungssüchtige, leichtherzige und gutmüthige¬
Ding, das der Dichter mit sicheren Strichen ge¬
zeichnet hat. Für den Theodor fand Herr Herr¬
mann mit Glück den rechten Ton, als Vater
Christines bewies Herr Pategg auf's Neue seine
oft bewährte eindringliche Charakterisirungsfähigkeit,
und der geschwätzigen Frau Binder mit der abge¬
leugneten „Vergangenheit“ verhalf Frau Werner zu
belustigender Wirkung.
„Ernst ist das Leben — heiter ist die Kunst“ —
nach diesem Schiller'schen Worte schienen die beiden
Gaben des Abends zusammengessellt. Denn der dem
Leben abgelauschten Tragödie selate der amusante
Künstler=Einacter „Litteratur“ aus der Tetralogie
„Lebendige Stunden“. Der drollige, mit so frisch¬
quellendem Humor durchgeführte Einfall, ein schrift¬
stellerndes ehemaliges Liebespaar auf die Bühne zus
bringen, das zu gleicher Zeit in Romaner die Er¬
fahrungen aus der vergangenen Epoche himmelstürmender
Seligkeit verwerthet und dabei — in beiden Büchern —
wortgetreu den Briefwechsel aus jenen Tagen wieder¬
giebt, erweckte behaglichste Stimmung. Auch hier zeigte
sich Frl. Gußmann — in der Berkörperung der
te
„complicirten“ Frau — wieder als gewandte, be#
Künstlerin; de spielte die Margarethe mit köstlich
Laune, in einer reizend ironisch=überlegenen Färbung.
In famoser Maske stellte Herr Ziegel den Collegen
der capriciösen Dame dar. Das heißt, nicht nur die
Maske war samos und lebenswahr, sondern auch
die ganze Auffassung und Ausgestaltung der Rolle.
Es war eine Leistung, die auf sorgfältigster Beob¬
achtung der Wirklichkeit basirte. Den Sportbaron
Clemens gab Herr Herrmann ohne jede
Uebertreibung und mit unausdringlicher, aber sehr
komischer Hervorkehrung der besonderen Eigenschaften,
Um die
die diesen geistvollen Herrn auszeichnen.
Regie beider Stücke erwarb sich Herr Runge ein
N. W.
Verdienst.