II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 643

5. Liebele
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verbunder mit direktem Nachrichteneiene.
eigene Korrespondenien
Berlin N. 24.
Telephon: III, 3004

Ausschnitt aus
Freisinnige Zeitung, Berlin
31.10.03
Kunst und Wissenschaft.
Dascillee=Thegter N. hat einen neuen Erfolg zu ver¬
zeichnmn. Eele#rvon dem Bestreben, das Repertoir ihrer bereits
innh vonsumlich gewordenen Bühne fort und fort nicht mur
um altklassische, sondern auch bessere moderne Stücke zu bereichen.
ist die Direktion nunmehr bei Arthur Schnitzler angelung
Zwei Werke dieses Dichters, die bei guter Darstellung ihre Wirtun
nie verfehlen werden, gelangten am Donnerstag zur Auffahrung,
nämlich das bekannte dreiaktige Schauspiel aus dem Wiener Leben
„Liebelei“ und das einaktige Lustspiel „Literatur“. Das
erstere Stück gehört, so zu sagen, mit zum eisernen Bestand aller
größeren Bühnen, und die gefeiertsten Bühnensterne haben gern
und willig die für jedes schauspielerische Talent so überaus dauk¬
baren Rollen jenes Schnitzlerschen Schauspiels kreiert, das so reich
an Charakterzeichnungen, reich an lustigen und erfreuenden, aber
auch an tieftragischen Momenten ist. Der Darstellung im Schiller¬
Theater kann man nur das beste Zeugnis ausstellen, es waren die
geeignetsten Kräfte herangezogen worden, der Erfolg war un¬
bestritten. Else Wasa schuf aus der Rolle der Christine eine
Figur, die das Interesse und Mitgefühl des Publikums in höchstem
Maße in Anspruch nehmen mußte. Den Gegensatz zu diesem innig
empfindenden und an seiner ersten Liebe zu Grunde gehenden Kind
aus dem Volke, die leichtlebige, aber gutherzige Modistin Mizi
Schlager, spielte Elisabeth Gußmann überaus frisch und
lebendig, auch den Dialekt beherrschte die Künstlerin vollständin,
so daß hier ein echtes und rechtes „Weaner Madl“ auf den
Brettern stand. Agnes Werner war sehr gut als biedere
klatschsüchtige Strumpfwirkersfrau Binder. Daß Herr Mar
Pategg aus der Rolle des Vaters von Christine, des
Violinspielers Hans Weiring etwas Tüchtiges und ungemein
Ansprechendes machte, war bei diesem geschätzten Künstler selbst¬
verständlich. Die Rollen der „jungen Leute“, deren leichtsinniges
Leben durch ein verhängnisvolles Duell so jüh unterbrochen wird,
des Fritz Lobheimer und Theodor Kaiser, waren bei Herrn
Paeschke und Bernhard Herrmann in den besten Händen,
und selbst das kurze, aber die tragische Wendung verursachende Auf¬
treten des in seiner Familienehre durch Fritz getroffenen Gatten,
der den Störer seines Glückes im Zweikampf erschießt, wußte Herr
Friedrich Krüger recht wirksam zu gestalten. An Beifall
fehlte es seitens des Publikums nicht. Leider kann sich ein Teil
der Zuhörer im Schiller=Theater noch immer nicht der Gewohnheit
entschlagen, über komische und heitere Episoden in einem Stück,
das doch des Ernsten so unsäglich viel enthält, derartig laut und
anhaltend zu lachen, daß darunter die vom Dichter beabsichtigte

Stimmung arge Einbuße erleidet. — In dem Einakter „Literatur
fesselte besonders wieder Elisabeth Gußmann, die sich aus
der lustigen Wiener Modistin mit großer Kunst in ein modernes
Reformpflänzchen verwandelt hatte, dem es freilich schließlich in
der Sportatmosphäre des Baron Clemens doch besser efällt als
in der früheren Umgebung Münchener Bohême und die daher den
Besuch eines früheren Liebhabers aus jenem Kreise, Gilbert, nicht
gerade sonderlich angenehm empfindet. Die Herren Herrmann
und Erich Ziegel standen ihr als Clemens und Gilbert eben¬
bürtig zur Seite, sodaß auch die „Literatur“ beifällig aufgenommen
Durde.
h.
Dr. Max Goloschmne.
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Ausschnitt aus
Norddeutsche Allgsmeine Zeitung, Sorim
31.10.03
Tk. Das Schiller=Theater hat es gut. Sein Publi¬
kum verlangt weniger das Neue als das bereits Bewährte.
Und dafür ist es, „dem das Herz noch frisch ist und der Sinn
gesund“, stets recht dankbar. Mißerfolge kennt es eigentlich
nicht, kaum weiß es von bestrittenen Erfolgen. Und als es
nun am Donnerstag auf seiner Bühne in der Chausseestraße
A. Schnitzlers „Liebelei" und „Literatur“ zur Auf¬
führung brachte, da fehlte es beiden Stücken auch nicht an
Beifall. Aber er klang doch

namentlich für das
zweite — nicht so hell und freudig wie sonst. Das
Publikum im Norden ist wohl noch nicht genügend
für das moderne Drama „erzogen". Oder hätten wir
uns geirrt, und der Beifall nach dem ersten Stücke wäre nur
der inneren Ergriffenheit wegen nicht so laut erklungen?
Möglich wäre das schon. Die beiden Werke sind ja hin¬
länglich von einer anderen Bühne her bekannt. Es braucht
daher nur einiges über ihre Darstellung gesagt zu werden.
Sie stand im ganzen erheblich über denjenigen, die den letzten
Neuerscheinungen auf den beiden Bühnen des Schiller=Theaters
zu teil wurden. Den mit „Liebelei" und „Literatur“ be¬
reits Befreundeten stand zu deren vollem Genusse an diesem
Abende vielleicht die Erinnerung im Wege. Eine erste Liebe
ist ja die süßeste. Es ragten in der Aufführung des ersten
Stuckes Frau Wasa und Herr Pategg hervor, die Nach¬
kommen der Luise Millerin und des alten Stadtmusikus.
Durch echte Innerlichkeit wirken beide, dieser mit der reifen
Kunst, jene mit einer bedeutenden Begabung. Nur noch
einiger Beschränkung im Ausdrucke bedürfte sie. Die
große Szene beider im letzten Akte war der Höhe¬
punkt des Abends. Die Szene mit der Strumpfwirkersfrau
spielte Herr Pategg, hier auf einen andern Ton
gestimmt, nicht weniger meisterlich, und Frau Werner
stand ihm an Wirksamkeit wenig nach. Herr Paeschke kehrte
gleich zu Beginn die ernstere Natur des Fritz zu merklich
hervor. Hätte er den Charakter sich mehr entwickeln lassen,
so wäre das seiner Darstellung zum Vorteil gewesen. Doch
er hat auch mit seiner Auffassung recht. Jedenfalls führte
er in derselven die Rolle, der es an Steigerung nicht fehlte,
gut durch. Fräul. Gußmann traf Ton und Manier der
Mädchen wie Mizi und der Frauen, wie es die aus
solch einem Mädchen gewordene Margarete ist, recht glücklich—
Herr Herrmann hatte als Theodor weniger Gelegenheit,
eine lebensvolle Gestalt zu schaffen, wie als Klemens, wo ihm
das dann wohl gelang. Herr Ziegel war als Gilbert im
zweiten Stücke der den anderen ebenbürtige Dritte.