II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 650

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Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
IG ZOBSERVEP“
Nr. 70
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Ausschnitt aus:
National-Zeitung, Berlin
vom:2
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Z. Das Gastspiel von Frau Agnes Sorma,
das sich im Berliner Theater lebhaften Zuspruchs zu er¬
freuen hat, und am Sonnabend eine der eindrucksvollsten
Leistungen der Künstlerin, die Ibsensche Nora, brachte,
verlief auch gestern sehr glücklich. Zur Aufführung gelang¬
ten das prächtige Fragment „Esther“ von Grill¬
parzer und Schnitzlers oft, aber immer wieder
gern gesehene „Liebelei" Beide Rollen zeigen das
Talent der Künstlerin in voller Frische und Unmittelbarkeit
und fanden vielen Beifall. Reich und lebendig in der
Charakteristik, sind sie doch von der Unruhe des Gastirens
in keiner Weise angekränkelt. Als Jüdin, die sich das Herz
des Königs erobert, verstand es Frau Sorma, das Wesen
des Naturkindes, das zum ersten Mal den Glanz des Hofes
isive
erblickt und der Verlockung zunächst widersteht, mit dem
Für
t0.
klugen Instinkt des Weibes zu verbinden, das die Bedeutung
bar
des Augenblicks erkennt und sich den goldenen Reif des
Königs selbst auf die Stirn drückt. Ihre Christine in dem oraus
Schnitzlerschen Schauspiel ist ein unvergeßliches Bild, aus
Lust und Wehmuth zusammengesetzt und bis zu dem tragischenin da¬
#8 den
AbonAlusgang meisterhaft durchgeführt. Herr Walden, so¬
Abon
wie Fräulein Rauch und Herr Wehrlin standen dem
Gast in den heiteren und ernsten Auftritten wirksam zursg die
eligen
Inhasulgene-und.
blätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung“)
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirthschaftliche
Leben des In- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wi-d. Diese Mit¬
theilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschicht.
Pnospecte gnatis und fnanco.
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leicht die Zeit, wo es heißt:
Bei der Paradiesgeschichte folgte die alttestamentliche
Wissenschaft Delitzsch durchaus nicht, auch seine
Ausführungen von dem Glauben der Babylonier
an ein Leben nach dem Tode stehen auf sehr schwachen
Füßen. Wohl aber spüren wir im Engelglauben
Babels Einfluß, auch bei dem Gebot der Sabbatfeier.
Aber der althebräische Sabbat hat für uns keine Bedeutung.
Für unsere Religion gibt es keine heiligen Tage, Jesus
hat den Sabbat gebrechen, der Apostel warnt vor dem
Beobachten von „Neumond und Sabbat“ Der christ¬
liche Sonntag ist nicht die Übertragung
des hebräischen Sabbats. Die Feier des
Sabbats war noch ein Überrest aus jener Zeit,
da der Mensch an die Götter glaubte, deren
Namen mit denen der Tage zusammenhingen. Bisher wußte
niemand, woher die Sabbatfeier stammte, Babel aber war
das klassische Land der Heilighaltung gewisser Tage.
Die Hauptfrage aber ist die: Stammt Israels
Monotheismus aus babylonischen Ein¬
flüssen? Es gibt außer Israel viele monotheistische
Völker, trotzdem bleibt Israel das klassische Volk des
Monotheismus. Dieser ist in Babel, dem Land des
buntesten Polytheismus, nur eine seltene Erkenntnis
weniger Weisen, in Israel aber die Regel.
Der große geschichtliche Einfluß des Monotheismus
geht also von Israel, nicht von Babel aus.
Delitzsch hat die babylonischen Namen, welche mit
„El“. (Gott) zusammengesetzt sind, für monotheistische
Beweisstücke ansehen wollen, das ist verkehrt. Auch
Theophilus (Gottlieb) scheint ein solcher mono¬
theistischer Name zu sein, ist aber ausgesprochen poly¬
theistischen Ursprungs.
Es sind nur Bruchstücke, die bisher vorliegen. Das
meiste von diesen, wie die Schöpfungs= und Flutsage,
hängt indes gar nicht mit der eigentlichen
Religion zusammen. Eine Parallele zwischen
Israels und Babels Religion kann man nicht ziehen,
wie es Delitzsch tut, denn er ist in Einzelheiten stecken
geblieben. Delitzsch, gereizt durch den unverständigen
Eifer gewisser theologischer Gegner war parteiisch.
In Wahrheit sehen wir in Babel die Götter ver¬
bunden mit der Natur, in Israel den Glauben an
einen Gott, der über der Welt steht, in Babel Zauberei im
Kultus, den die großen Propheten gewiß mit Grund so
tief verachten. Der Neho Babels ist gefallen und
Marduk ist gestürzt, aber heute noch tönt das Wort der
Sänger Israels: „Wer ist unter den Göttern wie Du,
Jahwe?“
Soweit Herr Professor Gunkel, dessen Aus¬
führungen wir uns bemüht haben, möglichst getreu
wiederzugeben. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß
der Freimut, mit dem er an einzelne Fragen kritisch
herangetreten=ist, nun wiederum von strenggläubiger
Seite Bofehdung erfahren wird.
(Oheater und Musik.
Berliner Theater.
Agnes Sorma als Grillparzers „Ssther“ und
als Schnitzlers „Cbristine“.
Der künstlerische Höhepunkt des gestrigen Abends
in der Charlottenstraße war der zweite Akt der
„Liebelei“. Was Frau Sorma hier, bei dem Emp¬
fang des Geliebten in ihrem Stübchen, an
schlichter Wahrheit, Herzenswärme und echt
mädchenhafter Zärtlichkeit gab, ist unnachahmlich.
Nichts mehr von den „schwer vermeidlichen
Folgen hartnäckiger Gastsvielereien“, deren ich
letzthin noch erwähnen mußte, weil sie hie und da
immer einmal störend wieder auftauchen —: die
ganze Szene war von einer wahrhaft großen Kunst
durchleuchtet, erwärmt und in glänzendes Gold ge¬
taucht, wie von einer Sonne. Auch im ersten und dritten
Akt war Agnes Sorma noch immer die beste Christine,
die wir gegenwärtig auf der deutschen Bühne haben,
eine mit zarten und doch großen Mitteln geschaffene
Gestalt, rührend in ihrer naiven Lieblichkeit, ihrer
treuherzigen Einfalt, ergreifend in ihrer bangen
Ahnung und traurigen Müdigkeit, tief erschütternd in
dem wilden Schmerz grell aufflackernder Ver¬
zweiflung. Aber alles dies, so bedeutend künstlerisch
es war, reichte nicht hinan an jenen schlechthin
unvergleichlichen zweiten Akt, der mit holdester
Gretchenstimmung getränkt war. In der Erinnerung
an ihn meint man ein fernes Lied zu hören, ein Lied
so alt als Welt und Leben, so süß wie die Liebe,
schwermütig wie ein Glockenklang an wind¬
stillem Herbstabend. Ich habe niemals ohne Ein¬
schränkung für Frau Sorma geschwärmt, als
zu verhimmeln, aber
es Mode war,
halte sie noch jetzt für eine große Künst¬
lerin, da es Mode ist, sie herabzusetzen. Wer